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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 283-207 December
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Mlage,;ur Heidelberger Zeitung.

M 28^t. Samstag, den 2 Dezember 18«S

Deutschland

Aus dem Amtsbezirk Boxberg,

17. Nvv. Die gestern i» dcr Amtsstadt abgc-
haltene Abgeordneienwahl lieferte das Ergeb-
nist, daß, wie bekannt, KreiSgerichtsrath Hufi-
schmid ven Mannheim nlit 28 gegen 17 Stimmen
g-wähltwurde, welch letztere ausRechts-A.Brum-
melfielen. Dieklcrikale Partei, den Dekanatsver-
weser Holler von Oberwittstadt an der Spitze,
hatte stch eifrigst bemüht, cine Wahl in ihrem
Sinne zu Stande zn bringen, aber vergcbens.
So schreibt derselbe nach der B.L.Z. an den Bnr-
germeister von Klepsau Folgendes: „Oberwitt-
stadt, 10. Nov. Lieber Herr Bürgermeister!
Obwohl Sie anf mein Schreibcn mich keiner
Bernehmlassung würdigten, so will ich doch

— diese Beleidigung der Mißachtnng vergessend

— in meiner Eigenschaft als Priester und De-
kanatsverwcser nichts unversucht lassen, Sie
in der elften Siunde noch einmal zu bitlen
und zu beschwören, doch unserer hl. Kirche
nicht die Schmach anzuthnn, daß Sie am Wahl-
tagc für die Kammcr ins seindlichc Heerlager
hinüberlaufen und die Kirche und unscre ka-
tholische Sache verlassen. Möchten Sic ein
Beispiel daran nehmen, wie die Protestanten
zusammenhalten, sollten wir §atholiken daS
nicht auch thun? Me Katholiken find scither
immer im Schlepptau dcr Protestanten gewe-
sen, haben nie etwas durchgesetzt, weil fie nie
znsammen hielten, sondern aus lauter Wohl-
dienercien gegen dieselbe» jcderzeit Ueberläufer
machten. Soll diese Charakteplostgkeit der Ka-
tholiken so fortdanern? Herr Bürgermeistcr!
ich halte vor Jhnen mit nichts hinier dem
Berg — chrlich nnd offen, damit man einst
auch zu sterben wisse. Wir haben vvr 11 Ta-
gen eine Wahlbesprechung in Oberwittstadt ge-
halten nnd .unS da sür den RechtSanwalt Brum-
mel von KarlSruhe als Abgeordneten deS Am-
tes Boxberg, einen ausgezeichneten Mann, der
mir von mehrcren hohcn Persönlichkeiten (mer-
ken Sic, weltliche Persönlichkeitcn!) auf'h Beste
und Dringendste empsohlen wurde, geeinigt.
Unsere kirchliche konservative Partei sieht im
Augenblick mit 20 Slimmen einer gleich star-
ken prötestantischen Macht gegenüber. Wo Sie
nuu hinhalten, bort ist der Wahlsieg. Haltcn
Sie zu den Boxberger Protestanten, so ist un-
sere Sache verloren, nnd die ganze Wncht der
Verantivortung trifst Sie und Zhr Gewissen.
Fragen Sie Jhre Gemeinde, waS Sic thun
jollen, und die Bürgerschaft von Klepsau, dic-
fes von jeher gnte katholische Volk wird Zhnen
sagen, daß Sie vvn ihr nicht gewählt seien,
nm in der eutscheidendcn Krists, wo die Kirche
schwebt und bcbt in Furcht und Hoffnung, den
Vcrräther an ihr und den Seelenvcrkaufcr Jhrcr
Gemeinde zu machen. Thun Sie doch sich
selbst und Zhrem Orie, dcm Sie als Hanpt
vorstehen, die Schmach nicht an, daß es heißt,.
an eincm katholischcii Bürgermeister, am Bür-
germeister von Klepsau, scheitertc der Wahlsteg
dcr Kaiholiken! Wenn Jhnen nnser Kandidat
nicht genehm, gcben Sie beim Abstimmen lieber
cinen nnbejchriebencn Zcttcl ab in der Konverte,
als daß Sie dic ungeheuerliche GewissenSvcr-
antwortnng aus Sich laden, durch Vcrstärkung
dcs GcwichtS dcr Gegenpartci die Kirche zu
ichädigen. Jch habc jetzt Zhnen nichtS mehr
zu sagen. Gott sei unsere heilige und gerechte
Sache besohlcn! Mit Hochachtung Holler, De-
laiiatsvcrweser." Zn dem Antwortschreiben
anf dicse beiden Briefe crklärt Bürgcrmeister
Ringeisen u. A., daß er die feste U-b-rzeugung
hege, keine Vcrletzung der ihm als Chrift und
Katholik obliegenden Verpflichtnngen zu begehen,
wenn er bei der bevorstehenden Wahl seinc
Stimme cinem andern, als dein klerikalen Kan-
didaten geben werde; auch er «olle weder der
Reaktion, noch der Umsturzpartei in die Händc
arbeiten, aber auch das Ulkamontanenthnm

, »icht unlerstützen. Eine Sünde sci es keines-

wegS, der Agitation des Herrn Dekanatsver-
wesers nicht zu folgcn, denn dieser befinde jich
bei seinem Streben offenbar nicht mehr in der
Kirche. „Mein Reich ist nicht »on dieser Welt"
habe dcr Heiland gesprochen, nnd der-Herr
DekanatSverweser habe die§ wohl vergessen.
Die Freiheit für Alle nnd Gleichheit für Allc
vor dem Gcsetzc sei im vorliegenden Falle übel
angebracht, da dnrch die ultramontane Beein-
flussung sein frcies-Wahlrecht beschränkt werden
solle. Aus Kanzeln und durch Flugblätter habc
die Geistlichkeit schon langeher das Anschen der
Bürgermeistcr in den Gemeinden zn uniergra-
ben gesucht, und jetzt werde ihnen wieder ge-
schmeichclt, um sie wegen der Wahlen für nl-
tramontane Zwecke zu gewinnen. Aber — mie
die AnSsaat, so die Ernte! Eine große Frcudc
würde cs ihm bcrciten, wenn er bei derAbge-
ordnctenwahl mit seiner Stimmc wirklich den
AuSschlag geben könntc, er würde dabci Gele-
genheil findeu zur gerechten Vergeltung dcr
großen Unbill, welche der Herr DekanatSver-
weser mit seiner Partei den Bürgermeistcrn
angcthan habe.

Berlin, .24 Nov. Die Angelegenheit deS
Dr. Lövinsohn scheint weitcre Folgen zu haben.
Zn dcr heutigen Sitzung der Sladtverordnetcn
brachte der Stadlvrrordncte Strcckfuß einen
Brief bci, in welchem dcr Stadtverordnetc Wi-
sotzky deS gröblichstcn EigennutzeS beschuldigt
wird. Derselbe soll durch den Ankauf von
Gruudstückcn, von denen er wußte, daß die
Stadt dicselben erwerbcn werdc, einen Gcwinn
von mehr als 28,000 Thlrn. gcmacht haben.
Rach einer stürmischen Debatte beschloß die
Versammlung, daS den Stadtverordneten Wi-
sotzkh beschuldigcnde Schreiben, sür dessen Wahr-
heit der Bczirksvorstehcr May als Bürge ein-
treten will, und dessen Angaben von dem
Stadtverordneten Wisotzkh auf daS Entschiedenste
bestrittcn werden, dem Magistrat zu weitercr
Veranlassung zu überweisen. — Die GerichtS-
zeitung bringt heute eine ebcnso wichtige alS
bcdenkliche Miltheilnng. Demnach soll in den
letztcn 14 Tagen kein Tag vergangen sein, an
wclchcm hier nicht Hypothekcn (und zwar sclbst
pupillarisch sichere) zum Betrage von wenig-
stc»S 100,000 Thlrn. gckündigt worden sind,
ja an eineni Tag soll sich diese Zahl vervier-
sacht haden. Die Ursachc soll einfach die zu
einer Art Epidcmie gcwordene Furcht vor
Hänsereinstnrz sein. Wie daS genannte Blatt
meldet, stehen schon jetzt beim Stadtgericht bis
zum Zuni nächsten JahreS hin Tag für Tag
SnbhastationStermine, häufig dercu zwei an
cinem Tage, an. Für den Werth dcs Grund-
cigenthums in Berlin ist die Sache sehr bc-
denklich.

Wien, 27. Nov. Di- Gesammtzahl der
gegcnwärtig in Ocstcrreich tagcnden Volksver-
treter bcträgt nicht weniger als 2700. Die
dculsch-slavischcn Landtage umfassen zusammen
etwa 1200 Mitglieder, darunter Versammlun-
gen mit 100 bis 240 Mitgliedern, wie die in
Brünn, in Lemberg, in Prag. Zn Klausen-
burg lagcn mit den von der Krone crnannten
Rcgalistcn 300 Ablegaten — in Agram weit
übcr 200, da zu den 120 Deputirten der Co-
miiatc und zu den 55 dsr Militärgrenze noch
eine ungezählte Menge von Virilstimmen dcr
Magnaten so wic der geistlichcn und welilichen
Würdenträgcr kommen. Der ungarische Land-
tag wird schlecht grrechnet in beiden Häusern
1000 Köpfe zählen: daS Unterhaus umfaßt
350 Repräsenranten nnd sir die Magnaien-
tafcl sind übcr700königlichcEinladnngSschreiben
(litei-ii! rvAalss) ergangcn.

Jnnsbruck, 23. Nov. Hcute Bormittag
um 10 Uhr wurde der Landtag mit einem
Hochanit in der Servitenkirche eröffnet. Die
Theilnahmlosigkeit der Bevölkcrung war sehr
groß. Der Siatthalterei-Vicepräsident Graf
Coronini begrüßte die Versammtung in ciner
Anrede, cr theilte da« Scptembcrpatent mit s

Erlänternngen mit — das kannte man ja
ohnedieS; dann folgten verschicdene andere
Mittheilungen nnd schließlich wurde der Ver-
sammlung eröffnet, daß die Bildung protestan-
tischer Gemeinden bei Uebereinstimmuiig der
Landesregierung und Berlrclung zulässig sci,
der Erwerb von Grnndbesitz und die Ansässig-
machung stehe den Protcstanten bcreits auf
Grund deS Patents vom 8. April frci.

Prag, 24. Nov. Die Eröffnung des böh-
mischen Landtags hat gestern stattgesunden.
Rach der Eröffnnngsrede deS Obcrstlandmar-
schalls theilte der Vicestatthalter der Versamm-
lung cin kaiserliches Handschreibcn mit, das
das Septeinbermanifist den Landtagcn als jenen
Weg bezcichnet, äus dem der Kaiscr und seine
Regierung jetzt zn wandeln beabstchtigen. Nach
Erledigung der TageSordnung brachte der Prä-
sident zur Kenntniß, daß Gras Albert Nostitz
eineu zahlreich unterstützten Antrag eingebracht
habe, anläßlich deS SeptembermanifesteS an
dcn Kaiser cine Adresse zu richten. Der An-
trag gelangt erst in einer der nächsten Sitzun-
gcn zur Verhandlung, cr wird vorausstchllich
eine stürmische Debatte hervorrufen, in dcr die
sich entgegenstehenden Anschauungen der Par-
teien in ihrer ganzen- Bedeutung hervortreten
werden. — Herbst und 79 Gcnossen werden
morgen nach vorauSgeschicktcr Motivirung be-
anträgcn: Der Landtag wolle sich dahin auS-
sprechen, daß die baldige Wiederherstellung einer
vcrsassungSmäßigcn Behandlung der der Mii-
wirkung der Reichsvertretung vorbehaltenen
Angelcgenheiten ein dringendcs Bcdürfniß sei,
und daß die als nothwendig sich hcransstellen-
den Abänderungcn der ununterbrochen zu Recht
bestehenden, in ihrcm Fortbestande durch daS
Septemberpaient selbst ancrkannten Grundgesctze
nur aus versassungsmäßigem Wege vorzunch-
mcn stnd.

C n g l a n i>

London. N-uere Nachrichten ans Valpa-
raiso vom 11. Oct. wissen nicht« von einer
ängcblichcn Gcneigthcit des spanischcn Admirals,
die Blokade der chilenischcn Häfcn bis zum
Empfange fernerer Jnstrnctioiien aus Madrid
auszuheben oder zu mildern. Viclmchr hatte
Pareja von Nenem angekündigt, daß er, fallS
Chili nicht innerhalb 45 Tagen, von Beginn
der Blokade an gerechnct, seinen Fordcrungsn
nachgebe, die Stadt Valparaiso bombardiren
wcrde. Die fremdcn KricgSschiffe/welche am
10. Oct. außer den jpanischen in der Bucht
von Valparaiso ankerten, stnd zwei.cnglische
Schaluppen, eine englischeFregatte, eine italienische
und cine französtsche Fregatte; die Vereinigten
Staaten waren nur durch einc alte Segel-
schalnppc vertreten, welche jedoch.täglich Ver-
stärkung durch cinige Kriegsdnmpfer erwartete.
Einer in Liverpvol eingeiroffcnen Privat-De-
pcsche zufolge (auS Valparaiso, 11. Oct.) hätte
die chilcnische Regierung die kleineren Häsen
dem ausländischen Verkehrc geöffnet und alle
Ein- und Ausfuhrzölle anfgehoben. Nach der-
selben Quclle ist in der ganzen Republick das
Kriegsrecht proclamirt worden und sind in den
BergwerkSbezirken Ruhesiörungen ausgebrochen,
welch letztere von andercr Seite schon in einen
Aufftand vergrößert werden.

vermischte Nachrichten.

Landau, 27. Novbr. Heule Morgm gkgrn 6 Uhr
wurde die Leiche eineS ^auSgeze^ Officiers, des

Morgen daS Krankenzimmer betrat, fand n das Bett
leer. — Seit^gestern ist ein hiesiger Jndustrieller, desfen
Fabrikate in der ganzen Pfalz großen Beifall fanden,
verfchwunden. Niemand ahnte auch nur im entfernte-
sten einen Vermögensverfall. (Pf. Z.)
 
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