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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 283-207 December
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berg und der dienstthuende Kammerherr Frhr.
v. EvelSheim. (K. Z.)

-s* Karlsruhe, 2. Dec. Die Eröffnung
der Standeversammlung erfolgte heute um 11V,
Uhr unter Beachtung der herkömmlichen, auch
dieSmal im Programme festgehaltenen Förm-
lichkeiten. StaatSminister Dr. Stabel, durch
Decret, datirt Vevcy, 24. November, als groß-
herzoglicher Specialcommiffär mit dem Eröff-
nungsacte betraut, hielt an die iu» SitzungS-
saale der zweiten Kammer versammeltcn Mit-
glieder beider Kammern eine kurze Ansprache
folgenden Jnhalts:

„Durchlauchtigste, Hochgeehrtestc Hcrren!

Seine Königliche Hoheit der Großherzog
haben mir gnädigst zu besehlen geruht, die
Standeversammlung in Höchstdeffen Namen zu
eröffnen. (Folgt nun der allerhöchste Erlaß.)
Seine Königliche Hoheit haben mich zugleich
gnädigst beauftragt, den getreuen Ständen das
innigste Bedauern auSzusprechen, daß Höchst-
dieselben durch GesundheitSrückstchtcn abgehalten
sind, Sie gleich beim Bcginn des LandtageS in
Höchsteigener Person von Herzcn willkommen
zu heißen.

Jch soll Sie, Durchlauchtigste, Hochgechrteste
Herren, in Höchstdeffen Namcn mit der zuvcr-
sichtlichen Hoffnung begrüßen, daß auch dieser
Landtag dazu beitragen werde, die in der aller-
höchsten Proklamation vom 7. April 1860 auS-
gesprocheuen Grundsätze zu befestigen und weiter
im Staatsleben zu cntwickeln.

Die Großherzogliche Rcgierung wird — treu
der ihr vorgesteckten Aufgabc — diese mit un-
erschütterlicher Festigkeit, aber auch mit jener
leidenschaftslosen MLßigung und ruhigen Be-
sonnenhesi, wodurch allein hohe Ziele sicher er-
reicht werden, durchzuführen bemüht sein.

Zu diesem Zwcck werden Jhnen, Durchlauch-
tigste, Hochgeehrteste Herren, außer dem Bud-
get und einigen minder bedeutenden Gesetzent-
würfen, verschiedene wichtige Vorlagen gemacht
werden, welche die Reform unserer politischen
Gesetzgebung berühren.

Möge der landesväterliche tiefgesühlte Wunsch
unseres gnädigsten Fürsten und Herrn, daß die
Wohlfahrt des Landes und der Friede deS
Volkes durch einiges und eifrigcs Zusammen-
wirken der Regierung und der Stände auch in
den bevorstehenden Verhandlungen gefördert und
belebt werde, in reiche Erfüllung gehen!"

Nach dieser kurzen Rede schritt der Groß-
herzoglichc Commissarius zur Bceidigung der
neu gewählten und neu ernannten Mitglieder
der ersten und zweiten Kammer, worauf er den
Landtag für eröffnet erklärte. Der feicrliche
Act schloß mit emem enthusiastischen Lebehoch
auf deu Großherzog.

Der Eindruck, den die Rede durch die stark
betonte Versicherung, daß die Grundsätze deS
Großherzoglichcn PatenteS vvm 7. April 1860
unerschütterlich fcstgehalten werden sollen, her-
vorbrachte, war ein recht besriedigender, wie-
wohl man ungerne eine speziellere Bezeichnung
der „wichtigen Reformgesetze" vermißte, welche
den Fortbau unserer innern Zustände auf der
Grundlage des Patentes von 1860 vermitteln
sollen. Jndeffen darf man erwarten, schon in

gebracht wurde. Dort blieb er, nachdem der Un-
grund setner Haft fich hrrausstellte, in einen an-
dern Proceß verwickelt, biS 1850 in beständiger
Gefahr, an Badrn ausgelicfert zu werden, was die
württembergische Rrgirrung nach Lnde des Pro-
ceffeS zugesagt hatte. Durch üaution einiger Freunde
erhtelt er seine Freilaffung, begab fich in die Schweiz,
von da nach London, endlich 185t nach New-Uork,
wo er erst als Bier-, dann als Gastwirth blieb,
biS nach erfolgter Amnestie eine Rückkehr in die
Heimath mögttch war, wohin cS ihn mit wahrer
TodcSsehnsucht zog. Lr errrichte fie fast sterbend;
zu Lungrnemphysem und Waffersucht war in Folge
einrr Knochenrntzündung die Krankheit getreten,
an welcher cr gestorben ist. Man mag über setne
politische Rolle denken, wie man will, so viel tst
wahr, daß er fie mit eigrnen Opfern übernahm.
Er hat arm und einfach gelebt und ist so gestorben.

Karlsruhe, 24. Nov. (Großh. Kreis- und
Hofgericht. Strafkammer.) Anklage gegen
Wilhelm Braun von Grombach, Amts SinSheim,

Der Angckagte, 28 Iahre alt, von vortheilhaf-

nächsten Tagen das Nähere hierübcr zu er-
fahren. «

Gcsetzliche Vorlagen über Vollendung ber
begonnenen Schulreform, über MililLrgerichte,
über Freiheit der Preffe, über daS VereinSrecht,
über Abänderungen ver Gemeindeordnung im
Sinne größerer Selbstständigkeit der Gemcinden,
besonders bezüglich dcr Wahl ihrer Beamten,
diese und ähnliche Gesetze erwartet man — und
wic wir Grund anzunehmen haben, mit Recht,
unter den in AuSsicht gestellten wichtigen Re-
formen.

-j-* Karlsruhe, 3. December. Unter den
Vorlagen, welche die Regierung als besondcrs
wichtige, weil den innern Ausbau unseres
Staatslebens berührend, bei der gestrigen Er-
öffnung der L-tändeversammlung bezeichnet hat,
befindet sich auch ein Gesetz über Minifter-
verantwortlichkeit. Der Gegenstand ist
seit dem Bestehen der Verfaffung wiederholt in
Anregung gebracht worden; konnte aber bisher
noch zu keinem befriedigenden Abschluß gebracht
werven. Dch großen Schwierigkeiten liegen
weniger,in der Sache selbst, als weit mehr in
der formellen Behandlung derselben, das heißt
es ist nicht schwer zu bestimmen, daß, wie und
wann der verantworsiiche obcre Slaatsbeamte
etwas wiffentlich verfehlt oder absichtlich gegen
Gesetz und Recht gehandelt, somit eine strafbate
Handlung begangen habe. Aber es ist schwie-
rig, unpartciisch, gerccht und praktisch wirksam
zu bestimmen, wer sein Richter sein soll, d. i.
aus welchen Elementen das Gericht, das über
ihn und seine Handlung urtheileu und entschei-
den soll, zusammengejetzt werdcn muß, um als
völlig unbefängen, unabhängig und Vertrauen
erweckend nach zwei Seiten hin, nach der des
Angeklagten, der bei politischcu Vergehen in
der Regel nicht alleiu steht, sondcrn eine Partei
hinter sich haben wird; anderseits bezüglich des
Anklägers, welcher die Volksvertretung ist, also
die Kammern, welche im Naincn und gleichsam
als Bevollmächtigte des Volkes handeln, aus
dessen Mitte doch eigentlich wieder die Richter
selbst zu bestcllen wären, so daß fast Kläger
und Richter als eine und dieselbe Persönlichkeit
erscheinen, was doch gegen eincn Fundamental-
satz unbefangener Rechtspflege verstößt.

Diese Schwierigkeiten, die rechte Form zu
finden, haben die scharfsinnigsten Juristen und
gewiegte freisinnige Staatsmänner versucht, durch
mancherlei Einrichtungen und Zusammensetzun-
gen des urtheilenden Gerichtshofes zu über-
winden; bis jetzt hat inveß kcine Form aufge-
funden werden können, die vollkommen genügen
und befriedigen könnte. Wir wiffen nicht, zu
welcher Form die großherzogliche Regierung
schreiten wird; wie aber auch ihr deSfallsiger
Gesetzesvorschlag beschaffen sein mag — wir
erwarten von dem bewährten Scharfsinn Ves
damit betrautcn Juristen eine treffliche Arbeit
— immerhin wirv voraussichtlich diese GesetzeS-
vorlage der verschiedensten Aufnahme und Be-
urtheilung gewärtig sein müffen, und zu inte-
reffanten Debatten in der Kammer selbst Anlaß
geben. Denn man kann über das Ziel, das
zu erstreben ist, einig sein, und doch hinsicht-
lich der einzuschlagenden Wege, um das vorge-

georoneten LebenS entlaffen werden. Aus den Iah-
ren 1882 unv 1864 liegen gerichtliche Strafurtheile
wegen kleinerer Betrügereien gegrn ihn vor. Seit
dem Iahr 1863 schein^er dteses Geschäft in'S Große

lischen Geistlichen copirend, lediglich von den durch
diese Maske erschwindelten Geldern zu leben. Eine
große Anzahl Betrügereien, in dcr baverischen Rhein-
pfalz verübt, bat ihm eine vor kurzem angetretene,
in Zweibrücken zu erstehende Gefängnißstrafe von
3 Jahren zugezogen. Von dort wurde er auf kurze
Zeit hieher geliesert, um wegen einer Reihe an-
derer, der diesseiligen GerichtSbarkeit unterstehender
Betrugfalle abgeurtheilt zu werden.

klage bildeten und die Braun sämmtlich mit äußern
Zeichen der Reue zugestand, sind in Kürze folgende:
Schon tm Spätjahr 1863, sodann aber um Neu-
jahr 1865, erschten Braun in der Kleidung eineS
evangelischen Pfarrers hier und in Bruchsal, prä-
sentirte fich unter Angabe falscher Namen und
Wohnorte bei verschiedenen Geistlichen, und bat
unter allerlei erdübteten Vorwänden um Darlehen

Zweck erreichte, theils auch nur eine Abweisung
erzielte. In sämmtlichen Gastwirthschaften, die er
nnt seiner Einkehr beehrte und in denen er vurch
seinr gristliche Tracht und seine llnterhaltung Wtr-

ftecktc Ziel wirklich zu erreichen, gar sehr aus-
einander gerathen.

Das Gesetz über Aufbesserung der Gehalte
der Volksschullehrer wird dald zur Vorlage
kommen; es bildet einen Theil des Budgets,
ist also mit diesem in Aussicht genommen. Da-
gcgen ist das neue Schulgesetz noch nicht so
wcit gediehen, und kann daher erst später im
Laufe des Landtags zur wirklichen Vorlage
kommen.

Bonn, 1. Dcc. Der Tod dcs erschlagenen
Kochs Eugen Ott ist jetzt mit der Veeurthei-
lung deS einjährigen Freiwilligen Grafen Enlen-
burg zu neunmonatlicher FestungSstrafe gesühnt
worden.^

Weimar, 2. Dec., AbcndS. Die „Weim.
Ztg." meldet: Die Verlobung der Prinzessin
Helena vo n England mit dem Prinzen Christian
von Schlcswig-Holstein ist gestern anf Schloß
Windsor gefeierr worden.

München, 30. Nov. Jn dieser Woche ist
die letzte Nummer des „Heimgarten" crschienen.
Nach Hermann Schmids Austritt wurde die
Redaction in ultramontanem Geiste fortgeführt,
fand aber die erwartete Unterstützung nicht,
und so kam es, daß dieser Concurrent der
Gartenlaube, auf den die Clericalen so große
Hoffn.ungen gesetzt hatten, nach kaum zweijäh-
riger Lebensdauer zu Grabe ging.

Kiel, 1. Dec. Der Civiladlatus Hoffmann
begibt sich denmächst mit einem Promemoria
deS StatthalterS über die Lage Holsteins nach
Wien.

F r a n k r e i ch.

Paris, 1. Dec. Der Kriegsminister miß-
billigt auf das Entschiedenste daS Verfahren
des GouverneurS auf Martinique, bei der
Zuaven-Revolte und befürwortet desien Abbe-
rufung, welcher Ansicht sich auch der Kaiser
zuneigen soll, ohne jedoch noch einen Entschluß
gefaßt zu haben.

G rr .g l a rr d

London, 29. Novbr Entsetzlich sind die
Nachrichten, welche heute unter officiellem
Stempel über die stattgehabte Niederdrückung
der Unruhen aüf Zamaica eintreffen. BereitS
die letzte Post hatte gemsldet, daß der Aufruhr
völlig niedergeschlagen sei, und daß 400 „Re-
bellen" ihren Tod am Galgen oder durch die
StandrechtSkugel gefunden hatten, um die Er-
mordung von zwanzig und die Verwundung
von fünszehn Wcißen zu rächen. Nach dem
eigenen Zeugniß des Gouverneurs hatte „keine
Organisation" deS Aufruh^s stattgefUnden.
Aus seinem amtlichen Bericht ergab sich, daß
auch nirgends eine bewaffnete Erhebung, son-
dern lediglich vereinzelte Acte der Brutalität
vörgekommen waren, deren erster Anlaß jedoch
in Nothwehr bestand.

Heute ift nun durch einen, wic hier wohl-
bekannt, von den Behörden in Jamaica selbst
revidirten, um nicht zu sagen gelieferten Rap-
port die grauenvolle Thatsache constatirt, daß
nicht weniger als zweitausend Neger er-
schossen oder gehängl worden sind; so daß
meine früher auSgesprochenf Hoffnung, cs möge

die Zeche zu bezahlen. Auch die HeirathSlust junger
Damen eröffnete sich ihm als ein günstlges Feld
füe seinc Operationen. Ii» December 1864 machte
er auf einem Bodcnsee-Dampfboot die Bekannt-
schaft einer L-chweizerin, der er' nach kurzer llnter-
haltung, in welcher er fich als Pfarrer StöckliN
von Steckbm?n vorstellte, eine LiebeSe^klärung machte

cipbrten Hochzeitsreise blieb dcr Betrogenm niLtS
alS daS Versprechen der Verehelichung, welcheS eben
so wenig eingelöst wurde, alS dasjcnige der Rück-
zahlung v»n 45 Fr., die fie ihrem Bräutigam ge-
liehen hatte, weil dieser thr vorschwindelte, eS sei
ihm noch nicht möglich gewesen, seinen Wechsel, alS
welchen er ihr ein Krankfurter LotterielooS vorzetgte,
einzucassiren. Bei der Familie eines Geistlichcn in
Sachsen-Meiningen präsentirte fich Braun zwar
unter seinem wahren Namen, jedoch als Schweizer
und Angehörigen der englischen Misfion in Zürich;
auch hier erfolgte Berlobung mit der Tochter, und
Lontrahirung von Darlehen bei Bekannten und
Verwandten der Familte. Braun wurve wegen im
Betrag von 96 st. 6 kr. vollendeten und im Betrag
von 22 fl. versuchten Betrugs und Rückfalls zu
einem Iahr ArbeitshauS oder Zweidrittel-Iahren
Ginzelhaft und zu zweijähriger Polizeiaufsicht ver-
urtheilt.
 
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