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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 50-75 März
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https://doi.org/10.11588/diglit.2795#0330
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werden; eS geschehe Manches zu bedächtig und
langsam; eS möchte rathsamer sein, dieselben
znr Anlage von LZuerstraßen, die zu der küns-
tigen Anstalt führen, anzustacheln.

Graf v. Berliching en: Die Stadt Heidel-
bcrg solle ein 'eigenes Hospital für gewöhnliche
und leichte Krankheiten gründen, dann brauche
fie nicht ins Beileid gezogen zu werden.

Ministcrialrath Jolly ist damit gar nicht
einverstanden; denn hierourch würde in äubio
dem akademischen Krankenhaus die größte Zahl
der Kranken entzogen, während gerade die Man-
nigfaltigkeit uno große Anzahl der zu behan-
delnden Fälle für eine Musteranstalt, wie ste
geschaffen werden soll, Hauptbedürfniß stnd.
Zunächst aber licge bloS die Frage über den
Ankauf der Bauplätze vor.

Die Discussion wird geschloffen.

Hierauf'wird an Stelle des aus der.Com-
mission für Berathung des Ministerverantwort-
lichkeitsgesetzes ausgelretenen Fürsten zu Löwen-
stein gewählt Hosrath Schniidt, und besteht
die Commission nunmehr aus Letzlerem, den
Frhrn. v. Andlaw unv Gemmingen und Geh.-
Rath v. Mohl und Bluntschli.

Schluß der Sitzung.

-s* Karlsruhe, 23. März. (Ncunzehnte
öffentliche Sitzung der zwciten Kammer.) Nach
Beendjgung der Jnterpellation des Abgcordneten
Kiefer über den Sland der Schulsrage ging
die Kammer zum zweiten GegeAstand der Ta-
gesordnung über, zur Beralhung des Commif-
sionsberichts über mildc Fonds und Armenan-
staltcn und die Heil- und Pflegeanstalten zu
Pforzheim und Jllenau. Als DtaatSzuschuß
zu milden Fonds und Armenanstalten deS Lan-
des wcrdcn 98,344 fl für jedes Jahr der lau-
fenden Budgetperiode gefordert. Unter dieser
Summe befinden sich unterandcrn 53,000 fl. Zu-
schuß zur Generalwittwcnkasse zur Ertheilung
von Gratialien und Benesizien; ferner 12,000
fl. alS Gratialfond zur Unterstützung niederer
Diener uud deren Nelikten, cin Beitrag zum
Verein für Ncttung sittlich verwahrloster Kin-
der von 3000 fi., endlich eine Summe von
jährlich 2000 fl. zur Unterstützung hilfSbedürf-
tiger Deutschcr im AuSland.

Dic Heil- und Pflegcanstalt zu Pforz-
heim erfordert bei 500 bis 650 Köpfen einen
jährlichen Aufwand von rund 106,000 fl.;
hiervon werven durch Unterhaltungsbeiträge der
Angehörigen derKranken und der unterstützungs-
pflichtigcn Gemeinden gedeckt 51,000 bis 60,000
fl.; das Uebrige hat die Staatskasse zuzuschie-
ßen. Die Unterhaltungskosten auf den Kopf be-
tragen ca. 186 fl. per Jahr.

Die Heil- und Pflegcanstalt Jllenau. Jhr
jährlicher Aufwand bei durchschnittlich 440
Köpfen 158,000 fl., wovon durch Unterhaltungs-
beiträge der Angehörigen der Kranken und der
Gemeinden ca. 120.000 fl. gedeckt welden. Die
Unterhaltungskosten per Kopf betragen ca. 320
fl. für das Jahr.

Die polizeilichen Verwahrungsanstalten zu
Freiburg und Bruchsal erfordern einen Auf-
wand von ca. 18,000 fl. für das Jahr. Durch
Beschäftigung der Geffangenen und durch Kosten-
beiträge der pflichtigen Gemeinden werden hier-

Erzahlung „Dornröschen" beginut, und darauf die
biographische Charakteristkk dcs Historikers „Scklos-
ser" nrbst dessen Portrat bringt. Pieser letztere,
von W. Hoffner geschriebene Aufsatz reiht fich
an einige vorhergehende Biographien deutscher Ge-
schichtsforscher und ist in der Gediegenheit und
Klarheit der Arbeit auSgezeichnet. Von M. Car-
riere schließt sich ein Artikel über „Platon's Gast-
mahl" an. Dann folgt eine Biograpbie des ver-
storbenen rusfischen Staatsraths und Meteorologen
„A. Th. von Kupffer". Cin interessantcr astrono-
mischer Aufsatz von dem Freiburger Astronomen
Joh. Müller, Arbeiten über die „alten Bau-
werke am Nil", über „Spanische Nationaltänze" —
die beiden letzten Artikel mit sehr schönen Abbil-
dungen — über „Torfverkohlung", über „Die Tor-
pedos", eine Mittheilung über den „Ursprung der
Lesfing'schen Fabel von den drei Ringen im Na-
than" und viele kleine und größere literarische und
naturbistorische Notizen vervollständigen dieses in
jeder Hinfickt sehr beachtenswerthe Heft des Wester-
mann'schen Unternrhmens.

von 6- bis 7000 fi. gedcckt; daS Uebrige muß
die Staatskasfe zuschicßen. Der Stand der De-
tentirten beträgt durchschnittlich 80 Köpfe; es
entfallen auf den Kopf ca. 180 fl. für daS
Zahr.

Karlsruhe, 21. März. Der „Schw. M."
schreibt: An dem Entwurf über die Gemein-
decollegien scheint die Commission, wie man
vcrnimnit, einige wesentliche Aenderungen zu
wünschen, welche Aussicht auf Erfolg haben,
so dje Verringerung der Amtsdauer des Bür-
germeisterS von 9 auf 6 Jahre und die ge-
heime Wahl der großen Ausschüsse statt der
offenen Stimmgebung; zugleich soll der Zwang
zur Bildung großcr-Ausschüffe auf Gemeindcn
über 250 (statt 150) Bürger beschränkt wer-
den. Der weitere Vorschlag des Entwurfs,
wonach die Wähler ganz frei ohne CensuS die
Mitglieder zum großen AuSschuß wählen soll-
ten, die Gewählten aber zu je aus einer
der drei Steuerklassen (Höchst-, Mittel- und
Niederbesteucrte) zu nehmen wären, soll eben-
falls auf Widerstand stoßen.

* Heidelberg, 26. März. Jn Folge des
gesetzlichen AustrittS des Hrn. Bürgermeisters
Krausmann war auf heute Tagfahrt zur
Neuwahl des 1. Bürgermeisters hiesiger Stadt
anberaumt. Von 96 Wahlberechtigten waren
78 erschienen und wurde von denselbcn Herr
Krausmann mit der eminenten Majorität von
76 Slimmen wiederum an dic Stelle dcs crsten
Bürgermeisters berufen. Vcrschiedene Wahlbe-
rcchtigte waren in der Zwischenzeit theils mit
Tod abgegangen, theils durch Krankheit ver-
hinderl dem Wahlacte beizuwohaen.

Von der Wuttach, 21. März. Jn
Jestetten wird unter dem Titel: „An unserc
kathol. Mitbürger in Badcn" ein Flugblatt von
Handlangern des dortigen Pfarrers und seiner
Genossen verbreitct, dessen Jnhalt sich als das
Ergebniß groben- UnverstandeS und perfider
BoSheit charaklerisirt. Dassclbc ist gegen die
Einführung der sogenannten bürgerlichen
ZwangSehe gerichtet, gegen welche man durch
nrchtSwürdige Entstellung oder Vorenthaltung
der Wahrheit schlichte Leutc auszuhetzen sucht.
Mit Entrüstung wird dieses Machwerk überall
zurückgewicsen uud diese beabsichtigte Verwir-
rung der Bevölkerung über die eigentliche Be-
deulung der bürgcrlichen Ehe als ein neues
Attentat gegen den confessionellen Frieden be-
trachtet, den die «ltramontan-jesuitische Partei
schon seit längerer Zeil — gottlob jedoch ohne
Erfolg — zu stören sucht. Von der Erfolglo-
sigkeit dieseS verächtlichen TreibenS wurde bei
uns ein der Nachahmung wertheS Zengniß ab-
gelegt. Mit schlichten Worten sprach eine chr-
bare Bürgerin im Kreise von Frauen und Jung-
frauen über die wahre Bedeutung der Civilehe.
Jn klarer, verständlicher Weise legte sie dar,
wie das Aufblühen und Gedeihen der Völker
durch weise Gesetze bedingt seien, welchc die
Schließung der Ehe^ nicht erschweren. Sie
zeigte ihren dankbaren Zuhörern, wie durch die
Civiltrauung die Ehe von den Fesseln dcr Mit-
telalterlichkeit befreit 2md dadnrch ihr Werth in
sittlicher und volkSwirthschaftlicher Beziehung.
erhöht werde. Beschämen unsere Juntzfrauen und
Frauen nicht die zu Petitionen Verleiteten ihres
Geschlechtes von Konstanz, Bruchsal, Wiesloch
und Obergimpern!

X X Äus dem Amtsbezirke Sins-
heiu», 24. März. Die Weigerung der ultra-
montanen Geistlichkeit, gemischte Ehcn zu pro-
clamiren und cinzusegnen, wenn nicht das Ver-
sprechen, die Kinder der katholischen Kirche ein-
zuverleiben vorausgegangen ist, hat auch in der
protestantischen Kirche eine dagegen gerichtete
Reaction hervorgerufen; und manche protcstan-
tischen Geistlichcn haben bereits angefangen Re-
preffalien zu gebrauchen. So eben ist ein der-
artigcr Fall Gegenstand der Verhandlung. Ein
Wittwer katholischer Copfession, welcher von
seiner ersten gleichfalls katholisch gewesenen
Gattin ein Kind besitzt, steht im Begriff mit
einer Jungfrau evangel. Confession in die zweite
Ehe zu treten. Beide Verlobte sind unter Zu-
stimmung ihrer beiderseitigen Eltern übereinge-
kommen, ihre zu erwartenden Kinder hauptsäch-
lich aus dcm Grunde katholisch erziehen zu
lassen, weil schon aus erster Ehe ein Kind die-
ser Confession vorhanden ist, und sie es aus
verschiedencn Gründen für unpasscnd finden,

Kindcr von zwoierlei Confessionen zu haben.
Der prot. Geistliche der Braut verweigerte hier-
auf die Proclamation und wußte auch den
Kirchengemeinderath mit in das Jntereffe zu
zichen, indem er nachzuweisen suchte, daß seit
einer Reihe von Jahren durch den Einfluß dcr
katholisLen Gcistkichen die gemijchlen Ehen zum
Nachthcil der evangel. Kirche abgeschloffen wor-
den seien. Dieser Geistliche verfuhr also nach
dem Sprüchworle: „Wurst wider Wurst", oder
nach der Kutscher-Regel: „Schlägst du meinen
Paffagier, so schlag ich auch deinen." Wir
können dieses Verfahren nicht billigen, obgleich
dadurch eine gewisse äußerliche Gerechtigkeit und
Vergeltung gcübt wird. Gesetzt, es sei wirklich
so, daß in einem gegebenen Zeitpunkte die Zahl
der protestantischen Kinder in den gemischten
Ehen abgenommen habe, so wird sich in einem
andern Zeitpunkte dieses Mißvcrhältniß wieder
ausgleichen, denn die innere Anziehungskraft
des vom Geiste der Freiheit durchwehten Pro-
testantismus ist größer als die des noch an
ultramontanen Ketten liegenden Katholicismus.
Ueberdies kann unscre prot. Kirche diejcnigen
ihrer Mitglieder, die sich aus blos äußerlichen
Nücksichten oder auch aus Jndifferentismus von
ihr abwendig machen laffen, leicht verschmerzen.
Die Kraft und Würde der evangel. Kirche liegt
nicht in der Zahl, sondern in der gcistigen und
sittlichen Qualität ihrer Glieder. Jn dem obcn
erwähnten vorliegenden Falle hat zudem die
katholische Kirche das größere Recht, ihre An-
sprüche geltcnd zu machcn, da dcr Bräntigam,
das Haupt der Familie, dieser Kirche angehört.
Jedenfalls hat die prot. Kirche, selbst wenn sie
in äußeren Nachtheil dadurch käme, einerseits
den Grundsatz der Frciheit, auf den sie selber
gebaut ist, und anderntheils das von ihr ancr-
kannte Staatsgesetz zu »chten, welches den Eltern
dieReligionscrziehung ihrerKinderfreistellt. Der
prot. Geistliche mag, dem kathol.gegenüber, seinen
geistigen und seelsorgerlichen Einfluß durch die
überzeugende Kraft des von der Vernunft er-
leuchteten Wortes zur Geltung bringen, aber
zu Zwang und Gewalt soll er in religiösen
Dingen seine Zuflucht nicht nehmen. Der
Protcstantismus soll und kann nur dadurch
siegen, daß er besser ist, als dcr Katholicismus,
d. h. daß er das Prinzip der Freiheit unver-
rückt festhält. Es wäre eine Schmach für den
Protestantismus, wenn er auch seinerjeits dazu
beitrüge, daß ein' Ehepaar, um sich seine Frci-
heit bewahren zu können, zu der bürgerlichen
Trauung, so lange sie nur fakultativ besteht,
seine Zuflucht nähme und der Kirche den Rücken
kehrte. — Wir hören soeben, daß der evangel.
Oberkirchenrath die ihm zur Entscheidung vor-
gelegte Streitsache in diesem Sinne, d. h. zu
Gunsten der religiösen Freiheit, erledigt und
dem widerstrebenden Geistlichen die Proclama-
tion zur Pflicht gemacht habe, was ihm zum
hohen Ruhme gereicht. Wird nun wohl der
betreffende Geistliche auch seinen Kirchenge-
meinderath in das Jntercsse der erhaltenen
oberkirchenräthlichen Nase ziehen, oder das
Mysterium für sich behalten? Wir bescheiden
uns, auf diese interpellirende Frage keine Ant-
wort zu erwarten.

Frankfurt, 24. März. Heute Morgen
um 7 Uhr ist Landgraf Ferdinand von Hessen-
Homburg, geboren am 26. April 1783, nach
kurzem Krankenlager verschieden. Die Land-
grafschaft fällt an Heffen-Darmstadt. Der
kleine Staat umfaßt 5 Quadratmeilen und
27,500 Menschen, wovon 3^/2 Geviertmeilen
und 14,000 Bewohner auf das jenseits des
Rheines gelegene Meisenheim kommen, und wird
vorerst nur durch eine Personaluuion mit dem
Großherzogthum Heffen verbunden. Durch
eine unmittelbare Vereinigung derLandgrafschaft
mit dem Großherzogthum würde das Letzte
übrigens sowohl dem Areale alS der Volkszahl
nach nur um etwa 3pCt. vcrgrößert; es erlangte
dann 158 Quadratmeilen und 880,800 Ein-
wohner.

Berlin, 22. März. Dem F. I. wird ge-
schrieben: Die Situation hat nichts Bedenkliches
mehr. Man erwartete heute eine kriegerische
Rede des Königs, doch ist Allcs anders gekom-
men. Unmittelbar nach der Cour begegnete uns
ein genau informirter Mann, der auf die Frage,
wie die Dinge stünden, die kurze und bestimmte
Autwort gab: „aus dem Kricge mit Oesterreich
 
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