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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 76-99 April
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https://doi.org/10.11588/diglit.2795#0347

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ridtlbkrgrr Ztilmig.

Krkislierkündigmgsblatt fiir den Krcis Heidclberg unü amtliches Verlündigungsblatt für die Autts^ und AmtS-
Gcrichlsbezirke Heidelbcrg nnd Wicsloch nnd den Amtsgerichtsbczirl Nrckargcmünü.

N; 7«


Sonntag, 1 April


18««.

Einladung zum Abonnement.

Auf das mit dem 1. April 1866 beginnende

2 Quartal der „Heidelberger Zeitung"
laden wir anmit zum Abonnemcnt ergebenst ein.
Die Heidelberger Zeitung ist durch Beschluß
Großh. Ministeriums des Jnnern vom 24. No-

^vember 1864, Nr. 14,731, als Kreisver-
kündigungsblatt für den Kreis Heidel-
berg und als amtliches Verkündigungs-
blatt für die Amts- und Amtsgerichtsbezirke
Heidelberg und Wiesloch und den Amfs-
gerichtsbezirk Adeckargemünd erklart worden,
in Folge dessen alle Bekanntmachungen der
betreffenden Staatsstellen darin zu erscheinen
haben. .

Jndem wir uns im Uebrigen auf das mehr-
fach veröffentlichte ausführliche Programm be-
ziehen, bemerken wir hier noch, daß das vier-
teljährliche Abonnement in hiesiger Stadt 1 fl.

3 kr., durch die Post bezogen 1 fl. 24 kr. be-
trägt. Jnserate, welche durch unsere Zeitung
die ausgedehnteste Verbreitung finden, werden
mit 3 kr. die dreispaltige Petitzeile oder deren
Raum berechnet.

Heidelserg, im MLrz 1866.

Die Exvedition.

(Schiffgasse Nr. 4.)

* Politifche Umfchau.

Heidelberg, 31. März.

* Die Lage hat sich in den letzten 2 Tagen
wieder mehr kriegerisch gestaltet. Doch glaubt
man immer noch nicht, trotz der angekündigten
Mobilmachnng einiger Armeecorps, an raschen
Friedensbruch. Jm Großen und Ganzen steht
die Sache immer noch so: Preußen droht, um
zu drücken,' Oesterr?ich droht wieder, um zu
zeigen, daß es sich nicht drücken läßt. Eivcn
andern Sinn haben die einzelnen Truppenbe-
wegungen in Böhmen und selbst in Oesterreich
nicht. Diese sind durch preußische Berichte
überdies absichtlich vergrößert und entstellt wor-
den. Für jeden Unbefangenen liegt cs auf der
Hand, daß von Wien aus der Krieg nicht pro-
vocirt wird. Die Politik Bismarcks aber kann
andererseits des Kriegs, oder wenigstens der

kriegcrischen Drohung nicht mehr entbehren;
fie hat sich zu sehr alS permanente Friedens-
störung dargestellt, um jemals von dieser Rich-
tung weichen zu können. Das ganze Auftreten
Bismarcks gegen Oesterreich ist NichtS als eine
ünunterbxochene Reihe von Provocationen,
'welche es jevem österreichischen Ministerium un-
möglich machen, auf Verständigung mit Preußen
zu rechnen, so lange BiSmarck seine Stelle Ve-
gleitet. An seine Entlaffung ist übrigens im-
mer noch nicht zu denken, vielmehr scheint er
auf den König immer noch den größten Ein-
fluß v»n allcn Männern seiner Umgebung auS-
zuüben.

Die „Wuner Abendpost" bringt einen Ar-
tikel vom 29. März, welcher die Nachrichten
der öfficiösen tzxeußischen Preßorgane über an-
gebliche Rüstungen Oesterreichs widerlegt, und
weiter bemerkt: Wir wiederholen es, dis jetzt
hat man mit diesen Preßmanövern nicht den
geringsten Erfolg erzielt, und die öffentliche
Meinung bcharrt unbeirrt auf ihrem ersten
Urtheile über das Verhältniß der preußischen
Politik zur öfterreichischen. Dieses Verhältniß
aber ist ein so klares, daß es jede künstliche
Verwirrung geradezu auSschließt. Entscheidend
bleibt schlicßlich immer der Charakter der schließ-
lichen Zielpunkte, und daß diesbezüglich Preu-
ßen die zur Action drängende Rolle, Oester-
reich höchftens die der Defensiük zugefallen ist,
liegt auf flacher Hand. Die forcirten Bestre-
bungen der ministeriellen preußischen Presse
werden bei dieser Lage der Dinge immer ver-
gebliche bleiben müssen.

Die Frankfurter „Postzeitung" bezeichnet die
Nachricht von einer kürzlich in Frankfurt statt-
gehabten Zusammenkunft verschiedener öster-
reichischer und 'mittelstaatlicher Diplomaten als
eine Erfinduug. ^

Die — übrigens nicht ganz zuverlässige —
Berliner „Börsenztg." meldet unter dem 30.
März, nunmehr sei die Kriegsbercitschaft der
fünften, siebcnten und neunten Division, des
ganzen sechsten Armeecorps, der vier neuen
Garderegimenter und der in den Elbherzog-
thümern stehenden Negimenter, sowie der ent-
sprechenden Artillerie ausgesprochen.

Auch die königlich sächs. Regierung hat die
preußische Circulardepeschtz^ welche eine Präci-
sirung der Stellung im Kriegsfalle verlangt,
mit Hinweisung nuf Artikel XI. der Bundes-
acte beantworM.

Es verlautet die — jedoch noch der Bestati-
gung bedürfende — Nachricht, daß zwischen
Preußen uud Jtalien ein Schutz- und Trutz-
bündniß -unterzeichnet sei.

Die telegraphische Nachricht, es sei der säch-
'sische Staatsminister v. Benst in Leipzig an-
gekommen und nach Süddeutschland weiter ge-
reift, hat sich als falsch erwiesen.

Nach der „Pfälz. Ztg." wurden aus Würz-
burg und andern UniversitätSstädten alle armee-
pflichtigen preußischen Studenten nach Hause
berufen, um sich bei den Truppenkörpern, in
welche sie eingetheilt sind, zu stellen.

Die Wiener „General-Correspondenz" stellt
die Nachricht von der angeblichen Negociirung
eines neuen österreichischen Anlehens mit der
Pariser nnd Wiener Boden-Creditanstalt auf
das Bestimmteste in Abrede.

Deutfchland.

Baden, 29. März. Die Einmüthig-
keit eines Collegiums ist eine ganz hühsche
Sache; doch schadet es sicherlich nicht immer,
wenn Meinungsverschievenheiten in demselben
auftauchen. Der hiesige Bürgermeister G a u S
sah sich vor Kurzem veranlaßt, die Nieder-
legung seines Dienstes anzuzeigen, weil ihm der
als etwas heftig bekannte Gemeinderath Schrei-
ber bei Gelegenheit der bürgerlichen Ausnahme
von zwei Bedienten in nicht ganz parlamen.
tarischer Weise Opposition machte. Man ver-
suchte, den Mann mit dem cigenen Kovfe zum
Austritt aus dem Nathe zu bestimmen, waS
dieser aber mit Entschiedenhcit zurückwieS. Der
Bürgermeister lreß sich bereden und bleibt nun
in seinem Amte. Wir kennen die Verdienste
des Gemeindevorstandes seit mehreren Jahren
wohl und schätzen ihn deßhalb, können aber
nicht umhin, die Thatsache anzuführen, daß
diese Niederlegung der Stelle im Laufe von
6 Jahren bereits 4 mal von demselben ver-
sucht worden ist. Gestcrn verfügte sich eine
Deputation des Gemeinderaths mit eiyer Peti-
tion über die Spielfragc nach Karlsruhe, wo
ihr der Großherzog eine Audienz bewilligt hat.

München, 27. März. Der badische Ge-
sandte dahier, Freiherr v. Berckheim, ist abbe-
rufen, ein Nachfolger für denselben aber bis
jetzt nicht ernannt. Frhr. v. Berckheim tritt
aus dem Staatsdienst.

Berlin, 27. März. Die Prov.-Ztg. für
Schlesien schreibt aus Ratibor vom 23. März:

London, 24. März. Dte greise Königin Marie
Amalie hat ihr schicksalvoUes Leben heute Mor-
gen um 11V» Uhr in Claremont beschlossen. Am
26. April 1782 geboren, ha't fie nahezu das Alter.
von 84 Jahren erreicht. Sie war die Tochter Fer-
dinands IV., des Königs beider Sicilien, und der
österreichischen Erzherzogin Marie Karoline. Ihre
Abstammung hat sie nir verleugnen können; das
bourbonische Geblüt trat in manchen Charakter-
zügen hervor. Erst das höhere Alter milderte ihre
Neigung, ein halbwegs tyrannisches Regiment über
ihre Umgebung zu führen, und daß auch fie an der
bourbonischen Verblendung gegeu die Gewalt der
Ereignisse Theil hatte, bewies fie im Jahre 1848,
als fie sich zur Klucht nicht entschlteßen konnte und
ihrem Gemahl zum äußersten Widerstande rieth.
Sie war 17 Jahre alt, als fie ihrer Heimath zum
ersten Mal« den Rücken wandte; es war nach der
Eroberung Neapels durch die Franzosen. Kaum
war fie 1802 aus Wien ins Vaterland zurückgekebrt,
als fie mit den Jhrigen nack Sicilien herüberflüch-
ten mußte. Jhren Gemahl, Ludwig Phtlipp, der fick,
brr Sohn Phtlipp EgalitS's, mit der alteren Linie

der Bourbonen wieder ausgesöhnt hatte, lernte sie in
Pälermo kennrn; dte Hochzeit wurde am 25. Nov.
1809 gefeiert. Während Napoleon die Geschicke Frank-
reichs lenkte, wohnten die Gatten tn Sictlien auf dem
Landgute Bargiaritta. Jm Sept. 1814 aber fie-
delten sie nach Frankreick über, um bei dem Be-
ginne der hundert Tage wieder zu fliehen. Marie
Amalie begab sich nach England; lhr Gemahl ver-
weilte in Gent am Hoflager des zeitwetlig cher-
triebenen Ludwig XVIII. Erst 1817 kehrte Amalie
nach PariS zurück, wo fie, das ältere, reinere
Bourbonenblut, vor threm Gemahle offenbar be-
vorzugt wurd«. Auch traute man dem Herzoge von
OrleanS am königlichen Hofe ehrgeizige Plane zu,
welchen fie fremd zu sein schien. So soll fie sogar
späterhtn, alS die Iulirevolution Karl X. ins Eril
sandte, ihren Gemahl vor der Annahme der Krone
gewarnt haben. Etnen herben Verlust erlitt fie und
lhre ganze Familie, man möchte sagen, daS ganze
Frankreich, durch ben unglücklichen Tod ihres äl-
testcn Sohnes, des Kronprinzen Ferdinand, im
Jahre 1842. Hätte ntcht dieser Schlag dcn hoff-
nungsvollsten Zweig an dem Stammbaume OrleanS
> grknickt, vielleicht wäre eS der Königin vergönnt ge-

wesen, auf franzöfischer Erde die Augen zu schkießen.
Ihrer beliebtesten Stütze beraudt, konnte die Fa-
milte der Orleans dem Sturme des Iahres 1848
nicht die Stirn bieten. Leopold von Belgien, der
Schwtegersohn, bereitete der flüchtkgen KöntgSfami-
lie ein Asyl in England, das Schloß Claremont,
welches ihm bet dem Tode seiner ersten Gemählin,
der englischrn PrinzHfin Charlotte, auf Lebenszeit
zur Verfügung gestellt wurde. Von seinen Schick-
salen gebeugt und in der Verbannung rasch alternd,
starb ihr Gatte 2 Iahre,. machdem er die franzö-
fische Erte verlassen. Die Königin erwarb fich all-
gemeine'Bkliebtheit durch ihre Wohlthätigkeit und
Leutseligkeit; mit der Königin Victoria stand fie
auf freunbschaftlichem Fuße, und Besuche wurden
nicht selten gewechselt zwischen Windsor und Clare-
mont. Vier Söhne und eine Tochtrr hinterläßt die
Verftorbene, Ludwig, den Herzog von Nemours,
Franz, den Prinzen von Joinville, Heinrich, den
Herzog von Aumale, Anton, den Herzog von
Montpenfier, Clementine, vie Gemahlin AugustS
von Sachsen-Koburg.
 
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