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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 126-151 Juni
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https://doi.org/10.11588/diglit.2795#0662

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Kaffee- und Holzlieferung, sowie eine Anzahl
Fuhren nach Kurheffen. die gestern Abend zum
Theil nock nicht zurück waren. Jn Wetzlar
lagen gestcrn Abend nur einige hundert Mann,
doch wurden weitere Truppen erwartet. Die
Köln-Gießener-Bahn ist in ununterbrochenem
Betrieb? Gestern (am 17.) kam eine Anzahl
von Preußen entwaffneter und gegen Revers
entlaffener kurhesstscher Soldaten hier durch.
Unser Militarcommando blieb ganz unbelastigt.

Am 16. Mittags sind nach einem *Telegramm
auS Koburg die bairischen Truppen dortselbst
eingerückt. Bei Erfurt, dies- und jenseits, sind
die Eisenbahnschienen aufgeriffen, überhaupt dke
ganze Eisenbahnvcrbindung von Gotha mit Leip-
zig abgebrochen. Daffelbe gilt für die Strecken
von Gotha nach Kasiel, Hannover und Frank-
fnrt a. M.

Die Vcrbindung zwischen der österreichischen
Armee in Böhmcn mit den Bayern ist über
Eger, diejenige mit den Sachsen über Boden-
bach hergestellt.

Jn Kaffel war man am 16. voll von Be-
fürchtungen, daß ein kriegerischer Zuiammen-
stoß ganz in dcr Nahe stattfinden werde. Das
Schützenbataillon hatte Stellung am Tannen-
wäldchcn genommen, von wo aus es den Bahn-
hof beherrschte. Man erzählte, die Hannovera-
ner würden in ciner Stärke von 15,000 Mann
heutc eintreffen. Daran knüpften sich Befürch-
tuugen eines blutigen Conflicts mit den Preu-
ßen, deren Einmarsch ebenfalls erwartet wurde.
Glücklicherweise ist von alle dcm nichts einge-
treten. Die Hannoveraner waren bis heute
Abend 6 Uhr noch nicht da und auch Preußen
sind bis jetzt nicht cingerückt. Ob Kasiel jctzt
von Preußen besetzt ist, läßt sich aus den
neuesten, sich ganz widersprcchenden Depeschen
nicht ersehcn.

Jn Hamburg und Harburg haben am 16.
die Preußen das hannover'sche Telegraphen-
bürcau besetzt und ihren Telegraphisien über--
geben. Ebenso wurde in beiden Städten die
hannover'sche Post geschlosien; die Beförderung
dcr Briefe hat dem Vernehmen nach die preu-
ßische Post übernommen. Jn Harburg wurde
die Postkasfe mit Beschlag belegt und abgeliefert.

Die Stadt Hannover ist am 17., Abends 7
Uhr, durch den General Vogel von Falkenstein
besetzt wordcn.

Dic Preußen haben bei iHrem Einrücken in
Hannover cine Proclamation erlasien, welche
im Wesentlichen besagt, der König von Preußen
fei seit Wochen bemüht, die schwebenden Fragen
mit Hannover zu ordnen. Hannover verwei-
gerte dies. Preußcns Sicherheit erfordere, daß
im Rücken der Armee keiue Feinde sich befin-
den. Der König vvn Preußen verlgnge die
Entlasiung der über die Friedensstärke einge-
zogenen hannoveranischen Soldaten. Nur da-
durch würden die Kriegsleiden Hannover er-
spart. So langc dies nicht geschehcn, werde
Hannover als im Kriegszustande betrachiet.
Preußen komme nicht als Feind der Einwohner.
Das Privateigenthum werde streng gcschont
bleiben, die preußischen Truppen werden ihre
Disciplin bewähren.. Die Proclamation ist aus

auch ihr, an euren heimathlichen Herd zuröckgekehrt,
ohne zu erröthen eure Väter und Mütter, eure
Bräute und Geschwifter umarmen könnt und nicht
einst bange Erinnerungen eure Gewiffen drücken
und euch die Freude des eigenen Familienlebens
vergällen!

Ein Vaterlandsfreund.

Bei einer jüngst inPrag zum Besten des Thurm-
baues an der Jakobskirche stattgefundenen Effecten-
verloosung wurden mitunter sehr seltsame Gewinnste
gemacht. So z. B. gewann eine Jungfrau zwischen
50 — 60 Iabren einen Abonnementsschein zum —
Rasiren, ein Kahlköpfigrr einrn Tiegel Pomade,
ein Blinder eine Prtroleumlampe, ein Schuster-
lehrjunge einen Federwischer und ein Schriftsteller
einen Band von seinen eigenen Gedichten.

Ohne Bismarck kann vielleicht von einem
Parlament in Deutschland die Rede sein, aber
mit BiSmarck werden wir mehr als ein Paar
lamentiren sehen.

Harburg vom 16. Juni datirt und vom Ge-
neral v. Manteuffel unterzeichnet.

Die Nachricht, daß Dresden von den Preu-
ßen besetzt ist, wird bestätigt. — Hannovcr'sche
und kurhessische Truppen ziehen von Bebra
(Knotenpunkt der Eisenbahn zwischen Kasiel-
Eiscnach und Bebra-Hersfeld) nach Hanau.

Den preuß. Truppen >n Schlesien wurden
in jüngster Zeit bei Märschen die Tournister
nachgefahren, da die der Strapazen ungewohn-
ten Landwehrcn fürchterlich unter der Hitzc lit-
ten. Der Fürst von Hohenzollern hat den mi-
liltärischen Oberbefehl über Nheinland u. West-
phalen übcrnommen. Festung Koblenz und
Ehrcnbreitstein werden seit heute Morgen ar-
mirt. Die Landwehrbatalllone in Koblenz wer-
den mitZündnadelgewehrenversehen. DieMann-
schaften von 54 werden nicht mehr entlasien;
die Bataillone vielmehr auf 800 Mann ge-
bracht.

Nach einem Telegramm auS Jung-Bunzlau
vom 18. Zuni hat bis dahin noch kein Preuße
böhmischen Boden betreten. Die Prcußen brei-
ten sich von Zittau gegen Eibau und Ebersbach
aus. -

Die Preußen stecken in Sachsen alle Männer
bis 40 Jahre in ihre Armee. Eine große An-
zahl jüugcrer und älterer Leute haben sich über
Numburg geflüchtet. Preußische Cavallerie
treibt dic 'Assentirlen ein.

Jn Schönlinde trafen junge Sachsen in
großer Anzahl ein, rveil die Preußen eine ge-
waltsame Rekrutirung fortwährend beabsichtigen.
Das sächsische Wappen wurde in den vbn
Preußen besetzten Orten abgenommen und der
preußische Adler aufgerichtet. Bedeutende Contri-
. butionen sind ausgeschrieben. Eiil sächsischer
Hauptmann brachte drei preußische Munitions-
karren auf. Zwischen Meißen und Kettschen-
broda hat eine kleine Attaque preußischer Trup-
pen auf eine sächsische Reiterpatrouille
stattgefunden. Die Preußen haben bis jetzt die
österreichische Grenze nicht überschritten.

Jn Sachsen ist ein preußischer Viehtrans-
port aufgefangen worden. Jn Bodenbach ist
der Bahnverkehr eingesteüt. Die Preußen sind
in Tannwald eingefallen. Bei Ullersdorff war
ein Vorstpostengefecht, die preußische Neiterei
ergriff die Flucht.

Die Abreise des Königs von Preußcn nach
dem Hauptquartier erfolgte am 17. Abends.
Jn dem Gefolge Sr. Majeftät bcsinden sich
u. A.: der Kriegsminifter v. Noon und dcr
Ministerpräsident Graf Bismarck.

Die Abreise des Kaisers zur Nordarmee steht
unmittclbar bevor. Feldzeugmeister Benedek ist
am 18. nach Olmütz gegangen.

Deutschland.

Karlsruhe, 19. Juni. (56. öffentl. Siz-
zung der zweiten Kammer.) Nach Eröffnung
der Sitzung theilt der Vorsitzende mit, daß S.
K. H. der Gr oßh erzo g gnädigst gcruht habe,
die von der zweiten Kammcr beantragte Besol-
dungserhöhung für den Archivrath Goldschmidt
von 1500 auf 1700 fl. zu genehmigen, und
daß der Abg. Buhl sein Mandat niedergelegt
habe.

Der Abg. Kiröner erhält das Wort, um
über die von großh. Regierung verlangten Geld-
mittcl für den außerordentlichcn Militäraufwand
Bcricht zu crstatten. Die Berathung gcschieht
in abgekürzter Form, obgleich Knies für die
Zukunft gegen solche Raschheit in Erledigung
so wichtiger Dinge Verwahrung einlcgte, wor-
auf Slaatsrath Dr. Vogelmann uud Kirs-
ner dcn Nothstand, in dem man sich befinde,
entgegenhalten. Das Gesetz lautct wic folgt:
Art. 1. Zur Deckung des (bis jetzt bewilligten
nnd noch bevorstehenden) außerordentlichen Mi-
litäraufwandes ift sofork cin auf die Steuer-
kapitalien umzulegendes Anlehen von 24 kr.
auf daS 100 fl. Stcuerkapital zu erhcben.
Art. 2. Frei vom Beizug zu diescm Anlehen
sind 1) dic Steuerkapitalien des Staats, 2) die
Klassensteucrkapitalien derjenigen Personen, de-
ren klasiensteuerpflichtiges Einkommen dieSumme
von 600 fl. jährlich nicht übersteigt, 3) dic Ge-
werbsteuerkapitalien von 1000 fl. und weniger.
Art. 3. Die Umlage erfolgt nach Verhältniß
der Größe der Stcuerkapitalien und zwar be-
züglich der Grund-, Häuser-, Gewerbe- uud
Klaffensteuer nach dem Kataster für 1866 und

bezüglich der Kapitalsteuer nach dem Kataster für
1865. DerAnlehensbetrag wird fürjeden Pfiichti-
gen in ganzen Guld.berechnet; Theile eines Gul-
den bleiben anßer Ansatz. Art. 4. DaS Anlehen
wird mit 5 pCt. für das Zahr verzinst; der
Zinsenlauf beginnt am 1. Juli d. I. Art. 5.
Die Nückzahlung erfolgt nach Wiederherstellung
des Friedens. Die Termine der Nückzahlung
werden im Wege der Gesetzgebung festgcsetzt.
Art. 6. Für dic Beibringung des Anlehens gel-
ten die für die Steuererhebung bestehenden Vor-
schriften. Art. 7. Wcrden die weiter geforder-
ten Mittel durch Verkauf von Obligationen der
bereits bewilligten Anleihe nicht beigebracht, so
ist dieselbe ermächtigt, in der Zeit biS 1. Okt.
d..J. ein weiteres Anlehen von 24 kr. auf das
100 fl. Stcuerkapital unter den in diesem Ge-
setz erwähnlen Bestimmungen umzulegen. Art.8.
Das Finanzministerium ist mit dcm Vollzug
beauftragt.

Es sprechen Knies, Mathy, Roßhirt,
Beck, Moll, Schaaff, Pagenstecher;
Staatsrath Lamey, welcher betont, daß die
Zwangsdarlehen wieder zurückbezahlt werden
sollen, daß die zweite Zahlung wohl nicht er-
folgen werde und daß die Gemeinden und die
reicheren Mitbürger den Armen wohl aushel-
fen mürden mil einer so kleinen Summe;
Kiefer, Knies und Kirsner.

Staatsrath Dr. Vogclmann bekennt, daß
ihm im Jahre 1865 die Vorausstcht deffen',
was im Jahrc 1866 geschehen werde , geman-
gclt habe, aber er frage, wer denn diese Vor-
aussichtsgabe gehabt habe und woher?

Das Gesetz wird in namentlicher Abstimmung
einhellig angenommen, nachdem noch in der
Besprechung der einzelnen Artikel die Regie-
rung erklärt hatte, daß jeder Zahlnngspflich-
tige eine genaue Bezeichnung seincr verzins-
lichen Lciftungsverbindlichkeit erhalte. Dieser
Zeltel sei vom Steuererheber quittirt und könne
dann cedirt wcrdcn. Wenn bezüglich des
1865er Catasters HLrten in eiuzclnen Fällen
vorkommen sollten, so werde die Finanzver-

und die Darlehensscheine würden vielleicht
auch später in Papiere auf den Jnhaber aus-
gewcchsclt werden.

Ein von Pagenstecher und Tr.itschel-
ler unterstützter Wunsch des Abg. Wundt
(von Heidelberg) auf Strich des Ärt. 7 wird
verworfen; dagegen sprechen Federer, Tur-
ban,. v. Roggenbach, Moll, Muth,
F r i ck und Kirsner. (Schluß folgt.)

Karisruhe, 18. Juni. Das reußische
Bataillon ist in Rastatt angekommen, das Ko-
burger Regiment aber nicht.

Karlsruhe, 18. Juni. Baden wird nun-
mehr mit aller Kraft in die Action der bundes-
treuen Staaten eintreten und bereits in weni-
gen Tagen. die Mobilmachung vollzogen haben.
Eine große Anzahl von Freiwilligen aus ange-
sehenen Familien hat sich zum Militärdienst ge-
meldet. (S. M.)

Karlsruhe, 19. Juni. Wie wir ver-
nehmen, wird die 2. Kammer morgen vertagt
werden.

i Karlsruhe, 19. Juni.- Jhre Kaiserl.
Hoheit die Großfürstin Marie von Rußland,
Herzogin von Leuchtenberg, und ihre Tochter
Prinzessin Eugenie Kaiserl. Hoheit sind, wie
die Karlsr. Ztg. soeben erfährt, heute Vor-
mittag 10 Uhr von Rippoldsau abgereist und
kehren über P«ris nach St. Petersburg zurück.

Karlsruhe, 19. Juni. Die zum Stab
des 8. Bundes-Armeecorps bestimmten badischen
Offiziere und Kriegsbeamten begeben sich heute
in das Hauptquartier des 8. Korps. (K. Z.)

^ Karlsruke, 19. Juni. Unser Armee-
corps wird, sowcit daffelbe nicht zur Besetzung
der Bundesfestung Nastatt verwendct wird, zwi-
schen hier und Mannheim zusammengezogen.
Schon heute wird hiermit der Anfang gemacht.
isofort soll danu auch der AuSmarsch crfolgen.
Die Ernennung des Prinzen Alexander von
Hesien zum Obercommandanten des achten Ar-
meecorps ist erfolgt und nun auch hier notifi-
cirt. Deffen Beeidigung fand bcreits statt. Be-
kanntlich hat sich Prinz Alexander schon im
italienischen Feldzug als ein kriegstüchtiger Füh-
rer bewährt. Seiuem Commando werden alle
übrigen BundeStruppen unterstellt, welche den
westlichen Flügel der großen BundeSarmee bil-
 
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