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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 257-282 November
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Ucidtllii'rgrr Zrilung.

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Rl; 2S7. E^^SNTr?-^' Donnerstag, 1 November 18««.

* Politifche Umfcbau.

Heidelberq, 31. Oclober.

* An der Ernenuung deS Herrn v. Beust
zum Minister deS Aeußern in Oesterrcich ist,
wenn diese Nachrichs auch noch nicht officiell
ist, kaum mehr zu zweifeln. Ueber die Art
und Weise, wie derselbe zu dieser Ehre kam,
cursirt neuerdings eine picante Erzählung. Die
aristokratisch-ultramontane Partei in Wien
wünschte in dieses hochwichtige Amt einen Ge-
sinnungsgenossen, und zwar Hrn. v. Hübner,
zur Zeit Gesandter in Nom, zu bringen. Es
wurde dahcr die Stellung dcS bishcrigen Mi-
nisters des Aeußern, Hrn. v. Mensdorff, mög-
lichst unhaltbar gemacht und Hr. v. Bcust als
Canditat vorgeschoben, aber nur deshalb,
weil man von dessen Unmöglichkeit als Pro-
testant nnd Auslander überzeugt war und sich
vorbchielt, im rechten Zeitpunkte mit Hrn. v.
Hübner hervorzutreten. Aber wider Erwarten
fand der Vorschlag des Hrn. v. Beust Gnade
vor den Augen des'Kaisers Franz, und be-
reits soll das Erncnnungsdecret demselben zu-
gefertigt scsn. Uebrigens soll auch französischer
Einfluß dieser Ernennung nicht fremd geblie-
ben sein: in dcn Tuilerien ist man dcm frü-
heren sächsischen Staatsmannc sehr gewogen
und von seinem Eingehen in die angcblichen
französischen Friedenspläne überzeugt. Wenn
dersclbe, wie man sagt, eine friedliche Stel-
lung gegenüber Preußen in sein Programm
aufgenommen hat, so hat er dies gcwiß nur
vorerst zum äußern Schein gethan; keinenfalls
dcnkt er innerlich so, vielmehr wird cr im ge-
eigneten Augenblick, viclleicht mittelst Anlehnens
Oesterreichs an Frankreich, gewiß die möglichst
prononcirte Stellung gegen das ihm so sehr
verhaßte Preußen einnehmen.

Wie der „Moniteur" meldet, hat der Bericht
deS KriegsministerS die Billigung des Kaisers
gefunden, und soll eine Commission niederge-
setzt werden, wclche sich die Reorganisation der
frauzösischen Armee zur Aufgabe stellen soll.
Der Bericht erwähiU die ernsten Ereignisse,
die in Deutschland stattgefunden und mehrere
Mächte veranlaßt haben, in der Militärorgani-
sation Verändernngen eintrcten zu lassen. Der
Kaiser habe eingeschen, daß Frankreich dabei
nicht gleichgiltig bleiben könne. Die Commis-
ston, deren Vorsitzender er scin werde, solle sich
daher mit der Prüfung und Untcrsuchung der
Mittel besassen, durch welche die Kräfte des
LandeS in die Lage gesetzt werden können, die
Landesvertheidigung und die Erhaltung des
politischen Einflusfes Frankreichs zu sichern.

Commiffionsbericht betr effend 1) den
Waffenstillstands-Vertraft und den
Friedens - Vertrag von Daden wit
Preusten, 2) das Verbältnist Badens
an der Neugestaltung von Deursch-
land, an die hohe erste Kammer, erstattel von
Geheimerath Bluntschli.

(Forlsetzung.)

2) DaS Kaiserthum von Oesterreich, blSher
die vorsitzendc Macht in dcm deutschen Bunde,
ist nun vertragsmäßig ausgeschlossen und auS-
geschieden von der neuen Gestaltung Deutsch-
landS. Durch diese Ausscheidung OesterreichS
aus dem deutschen Bunde oder Neichsverband
ist der Zwiespalt der beiden deutschen Groß-
mächte, welcher bisher jede nationale Neform
verhindert hat, beseitigt. Es gibt von jetzt an
nur eine leitende Großmacht in Deutschland,
den preußischen Staat. So weit dcmnach eine
gemeinsame nationale Gestaltung und gcmein-
same nationale Jnteressen in Frage kommen,
so weit sind die deutschen Staaten sowohl durch
die Fricdensberträge als durch die politischen
Verhältnisse der Gegenwart darauf hingewicsen,
nicht mehr zwischen Oesterreich und Preußen

zu schwanken, und noch weniger sich an Oester-
reich anzuschlicßcn, sondern nur auf Preußen
zu achten.

3) Vorerst hat sich Preußen vorbehalten, die
dcutschen Staaten nördlich vom Main zu dem
sogenannten deutschen Nordbunde enger zusam-
menzuschließen.

Die Verfasfnng dieseS Bnndes ist noch nicht
festgesteüt, aber der Verband der norddeutschen
Staaten unter sich Und mit dem Hauptstaate
Preußen ist bereitö vollständig gesichert. Seit
der Einverleibung von Hannover, Kurhessen,
Nassau, Frankfurt und Schleswig - Holstein,
welche Preußen theils vollzogen hat, theils zu
vollziehen begriffcn ist, und der daraus folgen-
den Erweiterung des preußischen Staates auf
eine Bevölkerung von ungefähr 24 Millionen
sind für den norddeutschen Bund, der nun als
eine politische Macht ersten Ranges unter die
europäischen Staaten eintritt, und auch in der
Weltpolitik schon in Folge seiner ausgedehnten
Handelsmarinc auf eine- hohe Stellung An-
spruch hat, folgende Grundsätze als bereits ent-
schieden zu bclrachten:

a) Eine bundesstaatliche Verfassung nach
Analogie der schweizerischen oder nordamerika-
nischen ift für diesen Staatenverband nicht mög-
lich; denn dieselbe setzt sowohl die wesentliche
Gleichartigkeit der verbundenen Staaten vor-
aus, als die völlige Trennung der Bundesge-
walt von der Staatsgewalt der Einzqlstaaten.
Das Uebergcwicht und die Uebermycht des preu-
ßischen Staates über die Bundesgenossen ein-
zeln und insgesammt ist aber so groß und die
Nothwendigkeit, die Bundesregierung an die
preußische Krone zu überlassen und mit der
preußischen Regierung zu verbinden, fo unab-
weisbar, daß, wie immcr die Namen dieser
Einrichtungen gewählt werden mögen, dem
Wesen nach jener Staatenvercin als ein An-
schluß der übrigen Staaten an die Eine Haupt-
macht Preußen, also als eine Erweiterung des
Einen preußischen Staates zu Einem preußisch-
deutschen Reich betrachtet werden muß.

b) Jn ihren innern Angelegenheiten werden
die geeinten Nordstaaten, sowcit nicht die Rück-
sicht auf die größere Gemeinschaft beschränkend
einwirkt, volle Selbstständigkeit behalten. Sie
werden ihre eigene Gesctzgebung, Regierung,
Vcrfassung und Rcchtspflege bewahren, und
insofern noch immcr wirkliche Staaten sein.

c) Vorzugsweise die äußern Beziehungen in
völkerrechtlichcr Hinsicht, die Diplomatie, die
Staatenverträge, das Handels- und Zollwesen,
die Schifffahrt und die Auswanderung, die
Eisenbahn-Bcrbindungen, Frieden und Krieg,
gewisse Einrichtungen der Bundesheere und der
Marine werden dem Staatenverein, dem Reiche
vorbehalten, und nur in einigen Beziehungen
werden auch gemeinsame nationale innere An-
gelegenheiten als BundeSfache erklärt. wie ins-
besondere daö Maaß-, Gewichts- und Münz-
wesen, die Banken nnd das Papiergeld, die Er-
findungspatente und der Schutz des Autorrechts,
die Freizügigkcit, daS Heimaths- und Nieder-
lassungsrecht. Es mag sein, daß die neue Ver-
faffung diese Dinge noch erwcitert, aber im
Wesentlichen wird es doch bei dcr Competenz-
ausscheidung vcrbleiben, welche Graf Bismarck
am 10. Juni d. I. den sämmtlichen deutschcn
Regierungen vorgeschlagen hat und welche allen
neuen Bundesverlrägen der norddeutschen Staa-
ten mit Preußen gegenwärtig wicder zu Grunde
gelegt worden ist.

ä) Auch den minder mächtigen BundeSstaa-
ten wirv dort in der Jnstitution eines nationa-
len Parlaments, deffen Verhältniß zu dem
preußischen Parlament freilich noch gänzlich
dunkcl ist, eine Controle und Mitwirkung in
den gemeinfamcn Angelegenheiten zugesichert.

Am Schluffe des BerichtS gekmgte derselbe
zu folgendcn Anträgen:

1) Sei dem zwischen Baden und Preußen
am 3. August zu Würzburg abgeschlosseneu
Waffenstillstand und dem zwischen denselbeu
Staaten am 17. August zu Berlin abgeschlosse-
nen Friedensvertrag die nachträgliche Zustim-
mung zu ertheilen.

2) Spreche die hohe Kammer ihre Mcinung
und ihre Wünsche über die Neugestaltung
Dcutschlands dahin aus, die großh. Regierung
wolle:

I. den Eintritt der süddeutschen Staaten und
insbesondere Badens in die Verbindung
mit den norddeutschen Staaten znr Wie-
derherstellung eines Gesammtdeutschlands
- im Anschluß an Preußen entschieden an-
strebeN) und dabei darnach trachten, daß
die mit der Einheit und Wohlfahrt deS
ganzen Reiches vcrträgliche Selbstständig-
keit und die verfaffungsmäßigen Zustände
der Einzelstaaten neuen Schutz und ver-
stärkte Garanticn erhalten.

II. Wenn dicser Anschluß zur Zeit noch nicht
durchzuführen sein sollte, so wvlle boch
großh. Regierung:

a) ein Schutz- und Trutzbündniß BadenS
mit Preußen abzuschließen versuchen,

b) die zur Wirksamkeit eines solchen Bünd-
niffcs und für den Schutz Deuljch-
lands und Badcns nöthigen militäri-
schen Verabredungcn uud Verträge mit
Preußen einleiten,

e) auf möglichst baldige Verwandlung des
kündbaren Zollvcreinö in eine unkünd-
bare und einheitlich organisirte Zoll-
cinigung und

ä) anf eine wirthschaftliche Gesammtver-
faffung, auch mit Bezug auf das Eisen-
bahn-, Telegraphen- und Postwesen,
hinarbciten, »

e) die nationale Gcmeinschaft dcr Deut-
schen in den Nordstaaten und in den
Südstaaten durch Ausbildung eines
gemeinsamen deutschen Staatsbürger-
rechts zu stärken und zu cntwickcln
versuchen.

D e u t s ch t a n d.

Karlsruhe, 29. Okt. 68. öffentl. Sitzung
der Zweiten Kammer. (Schluß.) Lamey: Der
Finanzminister wünsche 1 Million in Baarmit-
teln zu erhalten;' diese Thatsache habe er aus
der Rede deffelben entnommen, aber nicht ge-
hört habe er, daß das Gleichgewicht unserer Fi-
nanzen gestört würde, wcnn der Steuerzuschlag
nicht erfolge. Schon einmal in diesem Jahre
seien wir dcs baaren Geldes bedürftig gewesen
und hätten zu einem Steueranlehen gegriffen;
aber damals seien uns die Kaffen der Bankiers
verschloffen gewesen. Das sei nun heute nicht
der Fall und er könne nicht absehen, daß wir
jetzt 1 Million nicht anderS erhalten könnten,
als auf dem Wege deS Steuerzuschlages; eine
Anleihe sei möglich und nöthig, und.es könne
die Summe derjelben wohl um 1 MilUon Gul-
den ganz gut erhöht werdcn. Zudcm sei der
Zweck der Million nicht einmal, wie früher,
''gcnau bezeichnet, ste sei nur gefordert, um das
Gleichgewicht der Finanzen herzustellen. Zu die-
sem Zwecke .dürfte aber nicht zu dem Mittel
des Steuerzuschlages gegriffen werden. Bei Be-
ginn deS Landtageö habe die Regierung erklärt,
sie sei in der glücklichen Lage, daö außerordent-
liche Budget aus den Ersparnissen früherer
Jahre zu decken, und von diesen Ucberschüffen,
die jetzt — er wiffe nicht, warum — Reserve-
fond geuannt seien, sei noch ein großer Thcll
vorhanden. Auch in dem Berichte des Abge-
 
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