Nl 271
* Potitische Umschau.
Heidelberg, 16. November.
*Die me xikanische Frage schreitet trotz
der neuesten Wiener Depesche, daß die Zukunft
des Kaiserreichs die hoffnungsvollste sei, mit
schnellen Schritten ihrer endlichen Abwickeluug
entgegen und Napoleon Itl. wird auS ihrer schließ-
lichen Entwickelung nicht einmal die Genug-
thuung haben, den Schein zu retten. Nicht
einmal auf das Bcgehren Frankreichs, erst mit
dem 1. Januar die Räumung Mexikos zu be-
ginnen, ist das Cabinet von Washington, wel-
ches in diescr Sache jetzt mit Eifcr und Ent-
schiedenheit intervenirt, eingegangen. Die
UnionSregierung erklarl sich jedoch bereit, da-
mit nach dem Abzuge der Franzosen Mexiko
nicht den Factionen und der Anarchie preis-
gegeben werde, dem von ihr allein anerkannten
Präsidenten Juarez zu Hilfe zu kommen und
dcssen Regierung eine feste und zuverlässige
Grundlage zu gebcn. Für diese Dienstleistung
verlangt die Union die Abtretung von Unter-
kalifornien, und cinigen and.eren Gebieten. —
Der Zweck, den die Vereinigten Staaten bei
diesem Abkommen verfolgen, ist vor Allem der
Triumph der Monroedoctrin durch.völlige Be-
seitigung der europäischen Jntervention in Me-
xiko und die Garantie einer republikanischen
Regierüng. Jm Cabinete zu Washington soll
man die Verantwortlichkeit für ein solches Un-
ternehmen gründlich besprochen haben, und
schließlich zu dem Entschlusse gekommen sein,
das angedeutcte energische Verfahrcn einzu-
schlagen. Die Unionsregierung soll auch be-
reils so wcit gegangen sein, daß sie nicht mchr
zurücktreten könne.
Die „Wiencr Abenpost" kann gegenüber den
verbreiteten Gerüchten von angeblich zwischcn
dem österreichischen Botschafter Fürsten Metter-
nich und dem französischen Minister des Aeu-
ßern Marquis de Moustier bestehenden Diffe-
renzen ganz bestimmt versichern, daß die besten
Beziehungen zwischen dem französischen Mini-
ster der auSwärtigcn Angelegenheiten und dem
Fürsten Metlernich bestehen und diese auch nicht
einen Augenblick lang unterbrochen oder auch
nur getrübt worden sind.
Das ofstciöse „Wiener Journal" bestätigt.
daß Einlcitungen zu Verhandlungen wegen eineS
neuen Zoll- und Handelsvertrags zwischen Wien
und Berlin getrofien sind.
Nach den russischen Berichten über die Ver-
mählung des Thronfolgerö war bei der Feier-
lichkeit keiner der jüngst in Deutschland ent-
thronten Monarchen vertreten.
Samstag, 17 Rovemler
Eine für den Handel wichtige Nachricht ist
die von englischer Seile er'griffenc Jnitiative,
den unterseeischen Draht zwischen Valentia und
Brest zu verbinden, auf welche Weise eine di-
recte Verbindung zwischen Frankreich und den
Vereinigten Staaten hergestellt würde. Eine
französisch-englische Gesellschaft soll sich mit der
Ausführung dicses Ünternehmens bcfassen.
Dic „Jtalie" hält daS Zustandekommen einer
preußisch-rujsischen Allianz einerseits und einer
französisch - österreichischen Allianz andercrseits
für nicht unwahrscheinlich uud sieht daraus in
vielleicht nicht ferner Zukunft einen allgemeinen
curopäischen Krieg hervorgehen. Üeber die
Stellung Jtaliens gegenüber diesen Eventuali-
täten drückt sich die „Jtalie" folgendermaßen
aus: Jtalicn bleibt außerhalb dieser Combina-
tionen und kann sich nur Glück dazu wün-
schen. Es wahrt dadurch seine volle Unab-
hängigkeit; und wenn irgend ein Conflict aus-
bricht, so steht es ihm frei, auf die Seite zu
treten, wohin seine Jntercssen eS rufen. Seine
Jnteressen können aber nur die der Civilisa-
tion sein, dercn Sache heut zu Tag mehr als
je von der seinigen unzcrlrennlich ist.
Der „Nazione" zufolge wird das italienische
Parlament auf den 11. December einberufen
werden.
Die „Russ. Corresp." enthält einen bittern
Artikel gegen Oesterreich in Bezug auf die Er-
eignisse in Galizien. Am Schlussc dcssclben
heißt cs: Vielleicht vcrfolgt man in Oesterreich
einen Plan, der zugleich gegen Preußen, die
erste deutsche Macht, und gegen Rußland, den
Hüter Polens, gerichtct ist. Wic volltöncnd
anch dieses letzte Wort sei, um die Sympathien
des WestenS zu gewinnen, wir werden in diesem
Fall nicht vergessen, daß für uns nnd Preußen
eine Menge gemeinsamer Jnteressen besteht und
daß ein gemeinschaftliches Handeln einen Jeden
die verschiedenen ihm von der Vorsehung be-
stimmten Zwecke wird erreichen lasscn.
Nach dem „Spectator" ist der Friede zwi-
schen Brasilien und Paraguay fast gewiß. Der
große Sieg von Curopoity erschütterte das Skla-
venreich und der Friede soll auf Grundlage
der Vorschläge des Dictators von Paraguay
unterzeichnet werden.
DeutschLand.
)( Heidelberg, 16. Nov. Zum Vorstand
des KreisauSschusses, wclcher Posten durch die
Ernennung des seitherigen Stadtdirectors Renck
zum Drinisterialrath und Landescommissär der
Kreise Konstanz, Villingen und Waldshut er-
ledigt wurde, ist Oberbürgerm. Krausmann
dahier gewählt und sind, da auch Bürgermei-
ster Hochstetter von Eppingen schon vor einiger
Z?it aus dem Kreise geschieden war, die beiden
Ersatzmänner Rechtsanmalt Mays von hier
und Bürgermeister Menzer von Neckargemünd
in den Kreisausschuß berufen worden. .
Darmstadt, 15. Nov. Bei der gestrigen
Wahl sind nach einer Mjttheilung der „Darmst.
Ztg." von 2902 Stimmen 2027 auf die Wahl-
männerliste der „conservativ-liberalen" und nur
875 Stimmen auf die der FortschrittSpartei
gefallen. Da HLtten die letzteren so gut wie
gar keine Hoffnung, bei der Wiederholung des
Wahlactes die Mehrheit zu bekommcn.
Worms, 13. Nov. Zu der heute stattge-
habten Wahl der Wahlmänner haben sich nicht
-mehr als drei Abstimmende eingefunden. Es
kann deßhalb als sicher angenommen werden, daß
auch an dcn beiden folgcnden Wahltagen keine
sehr lebhafte Betheiligung stattstnden wird und
daß einc nochmalige Wahl vorgenommen wer-
den muß.
Frankfurt, 16. Nov. Das „amtliche Bl."
enthält einc Bekanntmachüng, nach welcher die
Militäraushebung für daS Frankfurtcr Gebiet,
für diejenigcn, welche im Jahre 1845 geboren
sind, auf den 6. und 7. December fcstgejetzt
wird. (Eine Zurückgehen auf ältere Jahrgänge
scheint dcmnach nicht eingehalten zu werden.)
Kaffel, 13. Nov. Nach einer Verfügung
der Landesadmiuistration haben die Staatsbe-
hörden den „Preußischen Staatsanzeigcr" alS
amtlicheS Organ der Regicrung zu haltcn. Dcn
Gemeindebehörden wird die Anschaffung des
genannten Blattes empfohlen.
Ful-a, 13. Nov. Die Einverleibung des
hiesigen kurhessischen Rcgimcnts in das 83.
preußische hat dahier stattgefunden.
Stuttgart, 11. Nov. Nach dem „Beob."
ist heute der vielverfolgtc Rcdacteur M. May
aus Altona von hier nach Wien abgegangen,
um dort als Journalift thätig zu sein.
Stuttgart, 14. Nov. Die württember-
gische Jnfanterie wird, wie man hört, mit ei-
nem Hintcrladungsgcwehr nach dem System
Milbank Amsler ausgerüstet werden, wie es
in der Schweiz im Princip angenommen ist.
§ Stuttgart, 14. November. Die am
letzten Sonnlag, den 11. November, hier statt-
gefundene Versammlung süddeutscher Abgeord-
neter und Vaterlandsfreunde hatte kcinen an-
deren Zweck, als pch über gewiffe Grund-
sätze, die für die Aufstellung eines gemeinsamen
Programmes maßgebend srin sollen, zu bespre-
chen und wo möglich sich zu einigen. Dieser
Zweck ist erreicht; die Resolutionen, die wir
Allgemein ward anerkannt, daß r« in der Regel in
keiner Weise gerechlferligt ist, länger al« drei Monate
Eredit zu fordern, so daß die hiesigen Gewerblreibenden
stch zur firengen Regel machen sollten, längstenS alle
regen, bi« eS möglich ist, durch gemeinsameS Vorgehen
riner größeren Zahl Abhilse zn schaffen.
Hierauf machte vr. Schmitz sehr anziehende und
Eine Scene vor dem Postschalter.
Der Buchstabe tödtet — der Geist macht lrbrn-
dig. Die ewige Wahrheit dirseS alten biblischen
AriomS, welches den ttefsten Ernst athmet, trat
auSnahmsweise etnmal in komischem Gewande
bei einem Vorfall zu Tage, der in Berlin Anlaß
zu einem intereffanten BeleidigungSproceß gege-
ben hat.
HauSbiener Schenka zur Post, damit derfelbe etwaS
zur Beförderung daselbst aufgebe. Der erprdirende
Postbeamte forvert alS Porto mehr Geld von
Sckenka, alS derselbe zu dtesem Zwecke von Phi-
lippSborn mitbekommen hat. Schenka geht in Folge
' deffen wirder nach Hause und referirt wahrhritS-