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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 283-306 Dezember
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https://doi.org/10.11588/diglit.2833#0633
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Mlage M Heidelberger Iettung.

LV2 Sonntag, -en 23 Deeember 1866

D e » t s «h t a n d

Bcrlin, 18. December. Verhandlun-
gen deS AbgeordnctcnhauseS. Prä-
sidenl v. Forckenbeck eröffnel die Sitzung.
Am Ministertijch BiSmarck, Roon, Heydt,
Mühlcr, Ztzenplitz, Eulenburg, Sel-
chow und einige Commiffare.

DaS Haus tritt i» die Tages-Ordnulig:
Schlustberathuug dcS StaatShauShaltsgesetzes
für 1887.«)

Der Prrs. theilt mit, datz er zucrst eine Ge-
ueral-DiScussion eröffnen wcrde, und daß cr
die Resolutio» zum Militär-Etat erst nach Be-
rathung deS Budgets zur Debatte stellen werde.

Abg. Jung stellt den Antrag, daS Budgef
so, wie eS auS der Borberathung hervorgegan-
gen, en bloo (im Ganzen) anzunehmen. Er
ist der Ansicht, daß sein Antrag der gegenwär-
tigen Situation am angcmeffensten ist. Noch
steht die liberale Partei mit ihren Fvrderungen
auf constitutionellen AuSbau deS StaateS der
Regiernng hoffnungSloS gegcnüber. Die Re-
gierung sagt, daß ste ungestört durch inncre
Fragen dic auswärtigc Politik verfolgen wollc.
Dennoch fihlt ste daS l!.edürfniß, sich mit der
liberalen Parlei in Einvcrnehmen zu setzen,
nnd sie hat cs ausgesprochen, daß sie daS Bud-
getrccht deS HauseS anerkcnne» wolle, Jetzt
soll die Regieruug die Probc bcstehen, und die
Probe ist nicht schwer. Was läßt sich bei noch-
maligcr Einzelberathung gcwinncn? Vielleicht
die Strcichung von noch 30,000 Thalern oder
eine s härfcre Fafsung bei Bewilligung deS Mi-
litärctais. Abcr die Abficht bei dem Beschluffe
in der Militärfrage sei dcm Lande klar, und
auch die schärsste Fassung schützc nicht gcgen
Jnterprctationen, wic wir sie gcgcn die klarstcn
Bestimmungcn erlebt habcn.

Minister-Präfldent Gras BiSmarck. Wenn
der so eben gestcllte Anlrag angenommcn wird,
so würden wir zum ersten Mal ieit füns Jah-
ren daS Budget zu Standc kommen schen, und
zum ersten Mal seit Einführung der Verfas.
sung vor Beginn deS JahrcS. Das Budget
läßt wesentliche Forderungen der Regicrung
unersüllt, und erschwert der Regierung die Lei-
tung der Gcschäfte; wcnn sik dcnnoch versuchen
wird, mit diesem Budget zu regieren, so zeigt
fie dadurch den Ernst, daS Budzetrecht dieseS
HauscS anzuerkennei:, und die Absicht, sortan
in Gemeinschaft mit deni Abgeordnetenhause zu
regiercn. Kommt daS Budget zu Stande, so
hat nnsere Versaffung cinen schwercn Conflict
sicgreich bcstanden, und Hauö und Rcgierung
haben fich aus den Weg der gcgcnseitigen Con-
cessioncn bcgcbcn, den die Regierung schou seit
Jahren gcwünscht hat. Er crklärt im Namcn
dcs Ministeriums, daß es versuchen «erde, mit
diesem Budget zu regicren, und hofft, im näch-
sten Jahrc von ciuem besser infvrmirten Hausc
die Bewilligung seiner Forderung zu erlangen.

Abg. ». Hennig crklärt, daß zwar »ielc
von seinen und sciner Freundc Forderungen
nicht erfüllt seien, doch würden sie sür die An-
nahme en blvv stimmcn.

Ein Antrag auf Schluß wird abgelchnt.

Abg. v. Hsvcrbeck ist überhaupt gcgcn cinc
en blvv-Annahine jeden BudgetS, bcsonders
aber in dicsem Falle, wo schr wichtige Anträgc,
z, B. dcr Reichcnhkim'sche in dcr Militärfragc,
angenommen worden find, ohne daß fie zur DiS-
cusston gestellt waren, so daß viele Mitgliedcr
sich die Tragweite desselben gar nicht klar ma°
chen konnten. Wenn die Schlußbcrathung auch
einige Tage währt, so kann das Budgct doch
vor Schluß dcS ZahrcS sertig wcrden, und er

glaubt nicht, daß wenn auch einige Positioncn
dabei geändert werden, die Regicrung die Ver-
antwortlichkeit der budgetlosen Regierung über-
nehmen würde. Er glaube übrigens, daß die
Regicrung ein vom Abgeordnelcn- und vom
Herrenhause genehmigteS Budget annehmen
muß, wenn fie nicht ohne Geld regieren will.

Abg. LaSker mcint, eine e» dlov-Annahmc
könuc uur bei Einstimmigkeit stattsinden, welche
Ansicht Duncker in HinwciS auf die Ge-
schäftSordiiung unterstützt. Er will nicht in
dic Lage kommen, gegcn daS ganze Budget zu
stimmen, wcil er nicht Gelegenheit findet, bei
einzelneu Posten jcinen Bedenken durch seine
Abstinimuiig Ausdruck zu vcrlcihen.

Abg. Bajsenge macht daraus ausmerksam,
daß der Jung'schc Antrag nicht die v» bloe-
Annahme deS BudgetS, sondern die e» blve-
Annahme aller einzelnen rsaßten Bejchlüffe
bczweckc.

Die Abgg. Graf Bethusi, Gras Schwe-
rin und Wageuer erklären stch sür dic Zu-
lässigkcit einer e» bloe-Annahme. Abg. V i r-
chow dagegeu; er meint, es sei wichtig, die
Fassung der Annahme deS Militär-EtatS noch
einmal zu diScutiren. Er würde nicht gegen
dic eu bloe-Annahmc sein, wcnn die Frage so
klar läge, daß nicht aus der Unklarheit wieder
ein Coüflict entstehcn könne. Wollte die Rechtc
durch Majvrität die Fragc in ihrem Sinne
regeln, jo solle sie dies offen thun; ersolge vou
Sciten dcr Negierung eine ErklLruiig, daß fic
die Ausfaffung oeS Hauses in der Resolution
Waldcck nicht bekämpst, so könnte der Widcr-
spruch gegen die Annahme im Ganzen ausge-
gcben werden.

Präs. v. Forckenbcck ineint, das HauS
könne im Laufe von drei Stundcn allcn Be-
denken gcnügend AuSdruck gcbcn, eine e» blov-
Aiinahmc, die untcr solchem Widerspruch zu
Stande gekvmmeii, könne dcr Regieruug und
dem Landc nichts nützeu. Bei erhobenem Wi-
derjpruch sei der Antrag auf e» dlov-Auiiahinc
nicht zulässtg.

Äbg. v. Vincke (Hagen) verlangt die en blov
Annahme als Pfand der Versöhuung. Der
KriegSminister habe sich nculich so klar auS-
gesprochen, daß cine wciterc AuSlaffung nichl
mehr nöthig sei,

Abg. Rohden für die Ausfassniig des Prä-
sidentcn. — Abg, Zung findet in der Ge-
schäftSordnung kein Hinderniß gcgen die e»
dlov-Anuahme. — Abg. Graf Schwerin
theilt die Ansicht des Prästdintcn nicht, abcr
dic Anflcht des Prästocntcn über ciuc Ge-
schästsordnungSfrage sei in cincm concreten
Fall souverän. — Abg. Schulze-Delitzsch
meint, daß durch die eu dlov-Abstimmung vie-
lcn Mitgliedern die Abstimmung unmöglich ge-
macht wird. — Abg. Virchow weist darauf
hin, daß dcr Reichenheim'jche Antrag unmit-
telbar vor Schluß der Debatte eingebracht
worden sei. Man könne vielleicht durch einc
andere Fassung daffelbe erreichen, und doch die
Sache klarer hinstellen. Abg. v. Bonin sür
die e» blov-Annahme. Abg. Jung ziehk
seincn Antrag zurück, da der Präsident erklärt
habe, daß er ihn nicht zur Abstimmung bringen
könne. — Abg. Heise nimmt d-n Antrag wie-
der auf. — Abg. Kosch thcilt die Anficht deS
Präsidenten.

Ein Antrag auf Schluß der GeneraldiScus-
fion wird nicht aNgenommen.

Abg. Twcsten verivahrt stch dagegen, alS
ob dic e» dlov-Aniiahme nicht die Ännahmc
aller Einzelbeschlüsse enthalte. Er hofft, daß
bei der Bcrathung kcine Aenderung deS Bud-
getS mehr cintritt. Die Erkläruug der Regie-
rung faßt -r so aus, daß ste den Widerspruch
gegen -inzelne Beschlüffe des HauseS aufgibt.
Mit Rückstcht auf den so angebotencn Com-
promiß wird er auch seincn Widerspruch gegen
einzelne Punkte aufgeben und für alle Punkte
so stimmen, wie si- auS der Berathnng deS

HauseS hervorgcgangeu sind. Der Antrag Rei-
chcnheim's sei nur eine Wiederholung deS
Vaerst'schcn AntrageS gewescn, allerdingS mit
Fortlassung eincr Klausel. Der Antrag Vir-
chow'S schafse ncben dem Ordinarium u. Eptra-
ordinarium der Ausgabe noch eiu Drittcs, bieS
halte er sür unzulässtg. Er meine, daS Recht
der LandeSvertretung in der Militärsrage sei
durch die Resolution hinlänglich gcwahrt.

Abg. Micheliö lAllenstein) gegen die e»
blov-Annahme. Abg. Gneist hält eS nach
dcr Erklärung der Rcgierung, in welcher er
eirie erneute Anerkennung deS BudgetrechteS
eiÄickt, sür zeitgemäß, daS Budget jo anzuneh-
men, wie es auS dcr Vorberathung hervvrge-
gang-n,

Die Gcneraldiscusflon wird geschloffen. Abg.
Reichenhcim crklärt (persönlich), daß durch
Annahme seines Antrages in keincr Weise daS
Rccht deS HauseS auf gesctzliche R-gelung der
Militärsrage und zur Mitwirkung bci der Aen-
derung des Gcsetzcs vom 3. Sept. 1814 beein-
Irächtigt werde. Abg. v, Hoverbcck meint,
daß nur eine Erklärung der StaatSregierung
darüber die Minorität beruhigen könnc.

Finanzminister v. d. Heydt crklärt, daß,
wenn daS Ergebniß der Special-Berathung das-
sclbe sein wird, wie das der Vorberathung,
daS Ministerium an der Erklärung deS Mini-
sterprästdenten sesthält.

Nachdem der Präsident -rklärt, daß er
über den Antrag wegen e» blov-Annahme nicht
abstimmen laffen werde und die Vcrantwortung
datür übernehme, beginnt die SpecialdiScusfion.
Die Einnahmen werden von Kap. 1 bis 28
oync Discussion genehmigt. (Abg. v. Eynern
zieht in Folge dcr Erklärung dcr Regicrung
scinen Antrag zurück.)

Zum Etat dcS KriegSministeriumS bringt
Abg. Virchow seinen (in dcr Vorberathung
abgelehnten) Antraß wieder ein; dersclbe lau-
tet: „DaS HauS wolle beschließen: 1) außerhalb
dcS OrdinariumS und deS ExtraordinariumS deS
EtatS in eincm besondcrn Capitcl und unter
dcr Ucberschrift: „Für Zwccke der Militärvcr-
waltung" ein Pauschqnantum von 44,071,479
Thalcr zn bcwilligen, und dasür in den An-
lagcn zum StaatShauShaltSgesetz daS Cap. 94
des OrdinariumS und daS Cap. 8 deS Extra-
ordinariumS zu streichen; 2) in dem Gesetz,
dctreffend die Feststellung dcs StaatshauShaltS-
ctats für daS Jahr 1887 in § 1 die Ausgabe
folgendcrmaßen zu bestimmen: in AuSgabe auf
168s929,873 Thlr., nämlich auf 112,060,510
Thaler an fortdauernden, aus 12,797,884 Thlr.
an cinmaligen und außcrordentlichen, aus
44,071,479 Thlr. sür Zwccke dcr Militärver-
waltung.

Abg. Virchow bemerkt, daß cr aus seinen
Antrag gern vcrzichten würde, «enn der KriegS-
minister die bestimmte Erklärung abgebe, daß
er in dcr heutigen Abstimmung kein Präjudiz
sür dic RcchtSfragc jehe. Eine Gesahr für den
Staat liegc in seinem Antrage nicht. (Der
KriegSminister schwcigt.) Abg. Kirch-
mann glaubt, daß die Wiedcrannahme dcr
(Waldeck'schen) Rcsolntionen die von Virchow
verlangte Sicherhcit biete und daß die Abstim-
mung kcin Präjudiz für die R-chtSsrage schaffc.
Abg. v. Hoverbeck erwicdert: Hr. v. Noon
habe die frühere Resolution für einen Mono-
sog desAbg-ordneteiihauseS erklärt, der in kei-
ncr Weise von bindendcm Einstuß für die Re-
gierung sei. Dem gegenüber niüsse man dem
Antrage Virchow'S zustimmcn.

Bci NamenSaufruf wiid Virchow'S Antrag
mit 230 gcgen 92 Stimmen abgelehnt.

Ohne Discussion werden sämmtliche Posttio-
nen der Einnahmen und AuSgaben, sowie der
eininaligeu uud außeroideutlicheu AuSgaben an-
griiommcn. DaS ganze Budgct-Gejetz für 1867
wird mit allen gegen 4 Stimmen (Runge,
Jacobi, senff und Hoppe) angcnommen.
 
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