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Heidelberger Volksblatt (1) — 1868

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Nr. 51 - Nr. 58 (2. December - 30. December)
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jeilelberger Vollsblatt.

Nr. 55.

Mittwoch, den 16. December 18688.

1. Jahn,

Erſcheint — und Samſtag. Preis monatlich 12 kr.
und bei den Trägern

Einzelne Nummer à 2 kr.
Austwärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Man abonnirt in der Druckerer nuteefe

— —



FZiüdin und Chriſt.

Eine Eeſchichte aus dem Leben von Carl von Sharengrad.
* Schlaß)

Wienige Tage ſpäter zierte eines der ſchönſten Mo-
numente Emiliens Grab. Ihr Andenken hat ſich in
den Herzen der biedern Bewohner von .
friſch, erhalten, und wenn auch ſeither viele Jahre
verfloſſen find, ſo findet ſich noch immer ein mitlei-
diges Herz, das auf dem Grabhügel der Fremden einen
friſchen Blumenkranz niederlegt; und ſo Mancher, der

zum Grabe eines theuern. Hingeichiedenen wallte, ver-

weilt auch bei Emiliens Wadeitett und detenrt ein
Vater Unſer für die Arme.

IV.

Jahre waren ſeitdem verfloſſen, viele Jahre. Ich,

der dieſe traurige, aber leider wahre Geſchichte nie-
derſchreibt, hatte halb Europa durchwandert und kehrte
endlich in meine Heimath zurück.
Ich wohnte in der Nähe der Stadt —SS . „
und reiſte eines Tages in Geſchäfte dahin. Ein Freund
bat mich, ihm einige Gegenſtände aus der Apotheke
mitzubringen.
Ohne an die längſt verſchollene Geſchichte mehr zu
denken, beſorgte ich meine Einkäufe. Der Apotheker
betrachtete mich mit forſchendem Blick und fragte mich
eben um meinen Namen. Ich nannte ihm den-
elben.
„Carl mein lieber Carl t“ rief er aus, und ein
Lächeln flog über das bleiche, hagere Geſicht des Mannes.
„Kennen Sie mich denn nicht mehr? Ich bin ja
Eduard D. 5,
und 0 erſanf gemacht, als Sie noch klein waren.“
Ich erſann mich, obwohl ſeither.
Jahre verfloſſen waren; ich entſann mich auf Alles!
Ein peinliches Gefühl. ſchnürte mir das Herz. zuſammen,
als ich ihn wieder ſah, denn noch jungen Mann mit
dem grauen Haar und dem ſchmerzdurchzuckten Geſicht,
auf welchem das Unglück tiefe Furchen gezogen hatte.
Wir wohnten damals in einem Orte, aber ich ſah
auch die bleiche Emilie, wie ſie im Brautkleide im
Grabe lag. Ich war zu jener Zeit auch in WS...
und ging hinaus,
2 ſehen.
„Ich glaubte, Sie ſeien noch bei der Armiec fu

der Ihaen ſo manchen Drachen

ſechszehn lange

ſtörte e Antlitz mit den Händen.
ein ſo qualvolles Leben, führen zu müſſen!
um die todte Braut des Dariere ö

glückliche;

Eduard fort. „Kommien Sie, wir wollen ein Gläschen
Wein trinken. Bei mir ſieht es zwar ſehr einſam aus,
ich habe keine Freunde, denn Alles flieht mich, ais ſei
ich die Verdammniß ſelbſt, aber ich glaube, Sie werden
mir nicht den Troſt verſagen, in Ihrer Nähe wenig-
ſtens für einen Augenblick meine wirren Gedanken
vergeſſen zu können.“
Mechaniſch folgte ich ihm in das anſtoßende Gemach.
Eine ſchöne Frau unterhielt ſich ganz ungenirt am
offenen Fenſter mit mehrere geſchnürten Offizieren, welche
vor demſelben ſtanden. Die Dame ſah ſich bei unſerm
Eintritt für einen Augenbilck um, ſchien aber für die

Beſuche ihres Gemahls keine Inte reſſe zu hahen, ſon-

Fua. kehrte uns den Rücken. Es war die ſchöne reiche
da
„Meine Frau, — der Teufel! wollte ich Iag n,“
flüſterte mir Eduard mit unheimlicher Miene in's Ohr
und zog * in das nächſte Zimmer. „Wenn 10
Muth hätte, ſo würde ich ſie vergiften, aber ich bin
feig geworden; das iſt das Gottesgericht!“
Mich durchflog ein kalter Schauder.
D. . ſchien meine Gedanken errathen zu haben. —
„Nein, fürchten Sie ſich nicht, mein junger Freund,-
ſagte er nach minutelangem, ſchmerzlichem Schweigen.
Ich bin nicht ſo ſchlecht wie Sie vielleicht meinen, aber
der Schmerz, die Schlange, welche mir da aus dem
Herzen raſtlos das Blut ausſaugt, macht mir oft den

Ich nahm einen Stuhl, z ſchenkte ſchweigend
zwei große Gläſer mit Wein au, ſtieß an und ſturste
den Inhalt ſeines Glaſes hinunter.
„Alſo nicht mehr bei der Armer! — Woher kon
men Sie?“ fragte er.
„Aus Italien.“
„So, und bei welchem Regimente dienten Sie dort 27
Ich nannte Eduard daſſelbe.
„Ah,“ fuhr er auf, „da haben Sie ja meinen a
der gekannt!“
„Wohl,“ gab ich zur Antwort, „wir dienten bei einem

Kopf wirr.

Bataillon.“—

„Und er hal mir nichts ſagen laſſen 2⸗
„Nichts,“ erwiederte ich.
„Nichts!“ wiederholte Eduard und bedeckte das ver-
„Oh, es iſt ſchrecklich;
Ich weiß
es, Georg will von mir nichts wiſſen, er hat mich einen
Morder genannt! Einen Mörder!“ ſtöhnte der Un-
und während ſeine Augen wie um Gnade
 
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