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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 96 - Nr. 104 (2. Dezember - 30. Dezember)
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Schuldſchein präſentirt. Frank glaubte zu träumen. nn ſehr im Wege ſtehen — Du we ſiſt, ich ſag' Dir's

Es war ja unmöglich, er hatte ja längſt bezahlt und ſten ſt
cha b, — zu gutmüthig. Es iſt ja nicht genug, daß

— er konnte es beſchwören — den Schuldſchein zerriſ-
ſen. Wenn er dieſen aber anſah, unverſehrt und in
der That mit ſeiner eigenen Handſchrift, ſo wurde er
ganz und gar an ſich ſelbſt irre. War es ein Traum
geweſen, die Phantaſie eines krankhaft gereizten Ge
hirns?

es Bergemann, weitere Schritte zu thun. Arin sie
Sache ſtand ſchlimm, denn ſo wenig er ſacen gune
wie dieſes doppelte Schriftſtück entſtanden „enenig
konnte er ableugnen, daß die Schriftzüe oeſſel⸗ — bis
auf das kleinſte Häkchen ihm angehörtEn. Irbs Ochrift ·
kundige hätte darauf hin ſein Urthei abgeben mü ſſen.
Eine Rettung, die aber kaum geda eroen konnte,
lag noch in dem Auffinden des zer ſenen Schuldſchei-
nes. Indeß der Papierkorb w. Vniederholt geleert
worden und alle weitere Müh. m Verbleib jener
etzen nachzuforſchen, war unn ö
e ſaß der arme Frar en vor dem Chriſt
feſt mit ſchwerem Herzen en echnete, ohne Hilfe
zu ſinden. Er hatte h ½ Mittag ſo viel Tau
enne 221 zahlen, als in der Kaſſe lagen. Die
Weimner mer Chätigkeit gingen morgen
Sertoren. Mit den erten Credit brach Alles zu-
ſammen. Nur im Anncub lag ſeine Rettung. — Er
hatte Anna von den Sorgen, die ihn drückten, nichts
mitgetheilt. Warum ſollte er ſie mit Unruhe erfüllen,
ſo lange noch eine Möglichkeit gedacht werden konnte,
den verhängnißvollen Tag zu beſtehen, Kredit und Ver-
mögen zu erhalten.
Es war ſchon ſpät, aber Frank hatte für die Mah-
nung des Kukuks, der aus der alten Uhr ihm in ge-
wohnter Weiſe zurief, kein Ohr. Er warf die Feder
fort, ging haſtig im Zimmer auf und ab, ſchob ſeinen
Lehnſtuhl vor den Kamin und ſtierte in's Feuer. Dort
hing das Bildniß ſeines alten trefflichen Vaters, das
von dem flackernden Schein der Flamme eigenthümlich
belebt wurde. Das gutmüthige Geſicht des alten Man-
nes trug nebenbei einen Ausdruck von Schlauheit und
geſundem Verſtande, daß man die Ueberzeugung ge-
winnen mußte, doͤr Verſtorbene habe in allen Lagen
des Lebens das Rechte getroffen, klug und gewiſſenhaft
zugleich. Ja, es that Einem wohl, dieſem redlichen
und verſtändigen Manne in's Auge zu blicken! Wenn
Du noch lebteſt, ſagte ſich Frank, Du würdeſt Rath
wiſſen! — Er rief ſich, das Bild betrachtend, zugleich
die Lebensregeln in's Gedächtniß, die ihm ſein Vater
aus einem Schatze reicher Erfahrung und Menſchen-
kenntniß oft genug vorgehalten hatte. In dieſem Rück-
wärtsſchauen nnd im Gefühl der behaglichen Wärme,
welche das Feuer ausſtrahlte, war Frank allmählig ein-
geſchlafen und ſetzte träumend ſeine Betrachtungen fort.
Da bekam auch das Bild des Vaters Sprache, und
wohlwollend wie immer ſagte der Alte: „Du biſt ein
leidlich verſtändiger und auch gewiſſenhafter Menſch,
und ſoweit könnt' ich ſchon zufrieden ſein mit Dir; al-
lein Du haſt zwei Fehler, die einem richtigen Geſchäfts-

1**

anicht zum erſten Mal — Du biſt zu targlos, Ri-

mat die Hand in der Taſche hat, man muß auch wiſ-
ſen, vem man hilft. Du haſt nicht immer Dank und
zegen davon. Und dann, mein Sohn, wann wirſt Du
einme! lernen, gegen Schurken, die Dich mit Höflich-—

eit betrügen wollen, grod zu werden — grob; Du

Zunächſt wies er den Schein zurück und übr kennſt das elfte Gebot, dies iſt das zwölſte.“ — Der

lunge Frank mußte beſchämt zugeben, daß ſein Vater

wie immer Recht habe und verſprach Beſſerung. „Du
ſollteſt“, fuhr der Alte fort, „ein ſcharfes Auge um
Dich werfen. So manches Auffällige, was Dir in letz-
ter Zeit begegnet iſt, müßte Dich ja gewarnt haben.
Es ſcheint, Du haſt nicht lauter ordentliche Leute um
Dich.“ — „Was meinen Buchhalter betrifft,“ entgeg⸗—
nete der Sohn, „ſo ſteh' ich ein für ihn; er iſt ein
braver“ — „beſchränkter Zahlenmenſch“, ergänzte der
Alte. „Nun, ich meine ihn nicht; Dein Diener aber,
— das Geſicht des Burſchen gefällt mir nicht“ — —
In dieſem Augenblicke kam es dem Träumend en vor,
als ob die Thür ſeines Zimmers von außen leiſe ge-
öffnet würde und der Genannte ſeinen Kopf vorſichtig
hereinſteckte, ihn aber raſch wieder beim Anblicke ſeines
Herrn zurückzöge. Mit dieſem Zwiſchenfall nahm lei-
der auch die Unterredung ein Ende, ohne daß Frank
etwas Näheres über die Verdachtsgründe des Vaters
erfuhr. Er hatte ſich freilich im Wachen ſchon manch-
mal daſſelbe geſagt, nämlich, daß dieſer Diener, deſſen
Vorgeſchichte zweifelhaft und unklar war, auch ein recht
zweifelhaftes Geſicht habe; allein er hatte ſich dieſes
Menſchen in großer Bedürftigkeit angenommen und
rechnete auf Dankbarkeit. ö
Frank nickte noch eine Zeit lang, dann wachte er

auf; ihn fröſtelte, das Feuer im Kamin war erloſchen.

Er trat an's Fenſter, das den Hof und das Hinter⸗—
haus überſehen ließ5. Das Wetter hatte ſich aufge-
klärt, der Sturm gelegt; der Sternenhimmel glönzte
klar und freundlich hernieder. Es war ein wohlthuen-
der Anblick, bei welchem Sicherheit und Ruhe in's Herz
zurückkehrten. Run mag es kommen, wie es will, ſagte
ſich Frank, ſoll eine ſchwere Prüfung über mich ver-
hängt ſein, ſo will ich ſie tragen wie ein Mann, und
wie ein Mann für Weid und Kinder thätig ſein. Durch
mich ſoll das Andenken meines Vaters nicht entehrt
werden.
Im dritten Stockwerk des Hinterhauſes war noch
ein Zimmer matt erleuchtet. Dort wohnte in zwei
kleinen Stübchen eine ziemlich herabgekommene Familie
mit vier Kindern. Die Mutter galt für eine arbeit-

ſame Frau, die aber der hereingebrochenen Noth nicht

wehren konnte. Der Mann ſollte ein geſchickter Litho-
graph ſein, der aber lange Zeit keine lohnende Arbeit
gehabt hatte, Frank war ihm einige Male begegnet, er
ſah ſehr bleich und krankhaft aus, und ſchien, nach ſei-
nem finſtern und menſchenſcheuem Blicke, an Körper
und Seele zu leiden. Frank's Auge haftete unwill-
kührlich auf dem Zimmer, in welchen das Licht brannte.
Da bog ſich plötzlich aus dem Fenſter ein Mann mit
 
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