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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 53 - Nr. 61 (3. Juli - 31. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44618#0213

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heidelberger

Vollsblatt.

Nr. 53.

Mittwoch, den 3. Juli 1872.

5. Jahrg.

Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 15 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schiffaa ſſe 4

und bei den Trägern.

Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Johannes Guttenberg und Peter Schöffer.
— Hiſtoriſche Novelle.

Es war im Märzmonat des Jahres des Heils 1450,
und einer jener ſchönen, ahnungsvollen Tage, welche die
Seele des Menſchen mit ſanften Schauern erfüllen, indem
ſie uns das Nahen eines holden Glückes ahnen laſſen. Die
Sonne hatte bereits den Schnee überall geſchmolzen, wo-
hin ſie nur mit ihren Strahlen zu dringen vermochte;
keine Eisdecke verhüllte das Fließen der Quellen und Bäche
mehr, an deren Ufern Tauſende von Kräutern und Blu-
men dem goldenen Lichte und dem nahenden Frühling ſich
entgegen drängten, um baldigſt ihre volle Farbenpracht zu
entfalten. In den waſſerreichen Vertiefungen wucherte ſchon
üppig die Brunnenkreſſe und auf den Angern und Wieſen
hatten bereits die Magarethenblümchen mit ihren weißen,
röthlich geſäumten Blüthenblättern, ſo wie an geſchützten
Stellen die Veilchen ihre Kelche erſchloſſen. Auch die Man-
delbäume trieben an den Spitzen ihrer ſchlanken, weiden-
artigen Zweige bereits zarte hellgrüne Blätter und ihre
hochrothen Blüthenknospen ſchwellten ſichtbar. Aus den
grünen Saatfeldern jubelte die Lerche zum azurblauen Him-
mel empor und belebte die ſtille feierliche Natur, die ſonſt
ſo geheimnißvoll in ihrer großen Werkſtätte arbeitete, durch
ihre fröhlichen Geſänge, gleichſam als könne ſie allein von
allen andern Kreaturen es nicht laſſen, der Welt zuzuru-
fen: er kommt, er kommt, der holde Freudenbringer, der
Lenz, er kommt mit allen ſeinen Wonnen! Auf ihn zu
begrüßen!
An dieſem wonnevollen Tage ſchritt ein junger Mann
mit ſchönem, aber ernſtem Antlitze, durch die das reiche,
weltberühmte Mainz umgebende Fluren. Er war nach da-
maliger Sitte, nicht nur' zierlich, ſondern für ſeinen Stand
ſogar reich gekleidet: auf dem Kopfe trug er einen ſchwar-
zen Filzhut, von der Art, wie man ſie zu Nürnberg da-
mals ſchon verfertigte und weithin verſandte, mit einem
breiten, vorn aufgeſchlagenen Rande, der durch eine gol—⸗
dene Agraffe zurückgehalten war, mit ziemlich hohem ſpitzi-
gem Kopfſtücke, von dem ſchlanken, etwas gebräunten Halſe
fiel ein feiner Spitzenkragen auf das ſchwarzſammetne
Wamms herab; die Beine ſteckten in jenen unförmlichen,
damals aber unerläßlichen Pluderhoſen und an den Füßen
erblickte man die nicht minder berühmten Schnabelſchuhe,
deren Spitze mit einem ſilbernen Glöckchen verziert war,
das bei jedem Tritte einen hellen feinen Klang von ſich

gab. Den Rückeu bedeckte ein kurzes Mäntelchen von ſchwar-
zem Seidenzeug, das mit einer ſchmalen Goldborte einge-
faßt war; ein zierlicher Degen mit hellpolirtem Stahl-
knaufe, hing von der linken Seite herab.
Trotz dieſer reichen und zierlichen Kleidung ſchien der
junge Mann doch nur leicht an einem Bündelchen zu tra-
gen, das ſeine ganze Habe enthielt, die er in ein feines
weißes Tüchelchen geknüpft, auf einem über die rechte
Schulter gelegten Haſelſtocke mit ſich führte. In der That
war ihm von irdiſchem Beſitzthume nur wenig zugefallen,
und was er durch ſeine Kunſt, die ihn ernährte, gewann,
verwendete er meiſt auf ſeine Kleidung, die er nicht zier-
lich und reich genug haben konnte.
In Paris, woher er eben kam, nannte man ihn ſo-
wohl wegen ſeiner Wohlgeſtalt, als wegen ſeines zierlichen
Anzuges den ſchönen, deutſchen Schreiber, und manches
weibliche Auge ſah ihm voll Sehnſucht und Verlangen
nach, wenn er, mit ſeinen Pergamentrollen unter dem Arm,
durch die Gaſſen ſchritt; allein er ſchaute weder Rechts
noch Links, denn ſein Herz war noch noch frei und ſeine
Seele ganz nur noch auf die Kunſt gerichtet, der er ſein
Leben widmete und die ihm ſeinen Unterhalt verſchaffte.
So dankte er zwar, wenn ein ſchöner Frauenmund ihn
grüßte, mit derjenigen Courtoiſie, die jungen Männern ſo
wohl anſteht; allein ſein dunkles durchdringendes Auge,

das ſeinem ſchön geformten friſchen Geſichte einen ſo geiſt-⸗

reichen Ausdruck gab, glitt nur flüchtig über die Geſtalt
der ihn Grüßenden hin, und er ſetzte ſchnell ſeinen Weg
weiter fort, indem er ein luſtiges deutſches Lied vor ſich
hinträllerte, das ihm noch aus ſeiner Kindheit her im Ge-
dächtniß geblieben war. ö
Oft machtee in ſolches Lied ihn aber wehmüthig, in-
dem es ihm ſeine frohen Jugendjahre im geliebten Hei-
mathlanbe in die Erinnerung zurückrief: das freundliche
Städtchen am rechten Rheinufer, in dem er geboren wurde,
das kleine, grün angemalte Häuschen, von Reben hoch
überrankt, in dem er die erſten Spiele ſeiner Kindheit
ſpielte; die theuren Eltern, die nun ſchon ſeit vielen Jah-
ren unter dem grünen Hügel des Kirchshofs ſchliefen; den
guten frommen Mönch Anſelm, der ihn aus chriſtlicher
Liebe in der damals noch ſo ſeltenen Kunſt des Schön-
ſchreibens unterrichtete und ihn, nachdem er ſich darin her-
vorgethan hatte, und beide Eltern ihm geſtorben waren,
nach Paris geſandt, wo er von dem Prior der Abtti Saint-
Germain⸗-des⸗Préès mit Freuden aufgenommen wor-
den war und von ihm eine ehrenvolle Beſchäftigung als
Clerc oder Schönſchreiber angewieſen erhalten hatte. Alle
dieſe Gegenſtände und Perſonen ſtanden dann oft, wie durch
 
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