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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 62 - Nr. 70 (3. August - 31. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44618#0274

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aber beruhige mich darüber, daß die Neigung der Bei-
den keine Veränderung erlitten oder wohl gar in Gleich⸗—
gültigkeit ausgeartet ſei, denn ich geſtehe Dir, daß ich
darüber im Zweifel bin.“ ö
„Beruhigt Euch vollkommen über dieſen Punkt, Va-
ter,“ verſetzte der Prieſter lächelnd: „nie haben zwei
Menſchen ſich treuer, heißer und inniger geliebt, als
meine Schweſter und Schöffer, und wie ſie ſich lieb-
ten, ſo lieben ſie ſich noch.“
„So haben ſie, trotz meiner Wachſamkeit, heimliche
Zuſammenkünfte gehalten? und wo?“ fragte Fuſt mit
Erſtaunen.
„Nein, ich gebe Euch mein Wort darauf, daß dies
nicht geſchah.“
„Wie aber dann?“ ...
„Sie ſchrieben einander,“ verſetzte der Prieſter, „und
Euer Bruder Jacob und ich, wir waren ihre Vertrau-
ten, ihre, Liebesboten; ich darf Euch dies ja jetzt wohl
ſagen, da Ihr ihre Liebe nicht mehr mißbilligt.“
„O ihr Verräther ſammt und ſonders,“ rief Fuſt,
aber ohne Zorn, denn er hatte ja ſeine Abſicht erreicht.

11.

Wer vermöchte das Glück der Liebenden zu beſchrei-
ben, als jetzt alle Hinderniſſe verſchwunden waren, die

ſich früher ihrer Verbindung entgegengeſtellt hatten,

und ſelbſt der Vater Chriſtinens ſich, ſcheinbar wenig-
ſtens, derſelbe erfreute; denn recht trauten ihm Beide
noch immer nicht, und in manchen Augenblicken be-
ſchlich ſogar eine geheime Furcht ihre Herzen, daß ir-
gend ein Unheil im Hintergrunde lauern und die Wonne
dieſer Tage feindlich bedrohen möge.
Der Uebergang von Furcht und Verzagtheit zum
höchſten Glücke und zur ſchönſten Crfüllung ihrer Wün-
ſche war zu raſch vor ſich gegangen, als daß ſie dem
Glücke hätten feſt vertrauen können. ö
Beſonders war Schöffer nicht frei von Beſorgniß,
da Fuſt's ihm nur zu bekannter Charakter wohl dazu
geeignet war, ihm eine ſolche einzuflößen; er argwohnte
— ob mit Recht, wird die Folge zeigen — irgend einen
hinterliſtigen Plan von Seiten deſſelben, der, gleich
einer ſchweren Gewitterwolke, den jetzt ſo heitern Ho-
rizont ſeines Lebens mit drohenden Wolken überziehen
würde. ö
Fuſt, von ſeiner Seite, gieng jetzt ruhig ſeinen Weg
fort und ſah ihn die Anſtalten zu einer feierlichen
Verlobung der Liebenden mit Eifer betreiben.
Der heißerſehnte, glückliche Tag war endlich da,
und der reiche Mainzer Bürger ließ es an Prunk nicht
fehlen, um ihn auf ſeine Weiſe zu verherrlichen. Die

ganze Familie des Fuſt'ſchen Hauſes, die ſehr ausge-

breitet und angeſehen war, ſo wie die nähern Bekann-—
ten wurden zur Verlobung eingeladen, und auch der
Junker von Guttenberg war dabei nicht vergeſſen
worden. ö ö ö
Letzterer fand ſich zwar ein, weil Schöffer es drin-
gend gewünſcht hatte; allein man ſah es ſeinen Ge-
ſichtszügen an, daß er nicht ganz heiter und unbefan⸗—

gen war. Auf ſeiner ſonſt ſo ſchönen und glatten

Stirne zeigte ſich eine Wolke des Unmuths, die ſelbſt
durch das Glück des theuern Freundes nicht davon
verwiſcht werden konnte.

In der That war es ihm nicht recht, daß er und

die Kunſt Schöffer an die Liebe verlieren ſollte, denn

nach ſeiner Anſicht paßte ein ſtilles, ruhiges und be-

glückt abgeſchloſſenes Eheleben nicht für den Künſtler,

den er dadurch der hohen Göttin abwendig gemacht zu
ſehen glaubte, der er mit ſo begeiſterter Seele aus-

ſchließlich die Opfer und die Huldigungen ſeines Her-

zens darbrachte.
Schöffer bemerkte, trotz der Befangenheit, worin
ihn das Glück verſetzte, die Wolke des Unmuths auf
der Stirne des Freundes, und da ihn dieſer Anblick

ſchmerzte, zog er ihn in den Garten hinab, um dort

einige Augenblicke ungeſtört mit ihm zu plaudern, und
ihn nach der Urſache ſeiner Verſtimmung zu befragen.
„Ihr thut mir Uuẽrecht, Schöffer,“ verſetzte der
Junker auf die Anrede deſſelben, „wenn Ihr mich ohne
Sympathie für Euer Glück glaubt, das ich Euch von
Herzen gönne; allein ich bin nicht nur Euer Freund,
ſondern auch Menſch und Künſtler, und ſo ſchmerzt es
mich tief, Euch für mich und für die Kunſt verloren
zu ſehen. Ihr werdet durch die Verbindung mit Jung-
frau Chriſtinen ein wohlhabender Mann, ein Bürger
werden, der im behaglichen Beſitze der Güter des Le-
bens nichts mehr zu erſtreben braucht; die Liebe wird
Euch erſt ganz hinnehmen, und wenn ihr flüchtiger
Rauſch verflogen ſein wird, werdet Ihr der Bequem-
lichkeit zur Beute anheim fallen; ſomit wird Euer
Streben matter und immer matter, die wahre Kunſt
Euch immer gleichgültiger werden. Ich ſehe das Alles
köommen, Schöffer, ſehe auch voraus, daß wir getrennt
werden, denn wenn Ihr, wie jetzt zu erwarten ſteht,
zur Fahne des Philiſterthums ſchwört, wenn Ihr Euer
Weib lieber haben werdet als die göttliche Kunſt —
und dies wird nicht ausbleiben — dann zerreißt das
Band zwiſchen uns, und ich, Schöffer, ich bin wieder
arm wie zuvor, wo meine Seele nach einem Freunde
lechzte, nach einem gleichgeſtimmten, den ich in Euch
fand, nach einem Menſchen, der mich ganz verſtünde
und der mit mir nach dem gleichen Ziele ſtrebte. Eines
ſolchen bedurfte mein Herz, wenn es ſich gleich vom
Getändel der Weiberliebe, die es nur flüchtig berührte,
mit Eckel und ſchnell abwandte, weil ich fühlte, daß
ſie mich dem mir angeborenen Berufe entfremden würde.

Mögt Ihr das Gefühl, das mich jetzt erfüllt, Neid nen-

nen, ich kann's nicht erwehren; aber in meiner Seele
ſollt Ihr immer wie in einem reinen, ungetrübten
Spiegel leſen und mir nie eine Falſchheit nachſagen
können.“ ö
Er reichte dem Freunde bei dieſen Worten die Hand,
und zwar mit noch getrübterem Geſichte, als zuvor
ſchon; auch fühlte er ſich von einer Wehmuth und
Weichheit erfaßt, die ſeiner ſtarken Seele ſonſt fremd
waren. ö ö
(Fortſetzung folgt)
 
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