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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 71 - Nr. 78 (4. September - 28. September)
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Heit hawe
mer die Fort-
ſetzung vum
Kapittl iwer
Wohnungs-
noth un Haus-
tyranne mit-
nanner zu ver-
daue, Leitcher.
Es heeßt alſo
weiter:
Welch ge-
meines Blut-
ſauger⸗Syſtem
dem Häuſer⸗—
ſchwindel, die-
ſem ſchreiend-—
ſten Gebrechen
der bürgerli⸗-—
chen Geſell-
ſchaft, als Ba-
ſis dient, das SSII

läßt ſich u. A. SIIN
auch aus ver⸗ ⸗
ſchiedenen öf —
fentlichen An-
geboten erken⸗ — ö ö
nen, die in letzter Zeit im Annoncentheile unſerer
Zeitungen häufig zu leſen ſind. Dieſelben meiſtens
von Bauſpeculanten ausgehend, nehmen ſich ungeſähr
folgendermaßen aus:
Capitaliſten, welche ihr Geld auf vortheilhafteſte
Weiſe im Grundeigenthum anlegen wollen, iſt Gelegen-
heit geboten, ein ſchönes neues Haus mit ſo und ſo
viel bewohnbaren Räumen zu kaufen, das in gehöriger
Weiſe vermiethet, daß der Käufer nicht nur weit mehr
als die Zinſen des zum Kaufe erforderlichen Kapitals
herausſchlägt, ſondern auch für ſeine Perſon (und Fa-
milie) ganz koſtenfrei Mitbewohner des Hauſes ſein kann.
Nun, fürwahr! verlockender kann eine Offerte
kaum ausſehen! Die ſchöne Kunſt, in 24 Stunden ein
Millionär zu werden“, bis jetzt nur an der Börſe be-
trieben, ſcheint man jetzt viel bequemer in ſeinen vier
Pfählen pflegen zu können. Es lebe der Fortſchritt!
Wie aber das Rezept zu dem „in gehöriger
vermiethen“, ſich ungefähr ausnimmt, wie man
zuſtellen hat, das ungehörig zahlende Miethvolk Her-
auszumaßregein und dafür „gehörig zahlendes“ herein-
zubugſiren, darüber ſchreibt ein deutſches Witzblatt fol-
gendes: Es iſt bekannt, daß vor Kurzem ein Berliner
Hauswirth einem ſeiner Miether, den er gern los wer-
den wollte, einen Hund ſchenkte, um Tags darauf ge-
gen den Beſchenkten „wegen Haltens von Hausthieren“
auf Exmiſſion zu klagen. Da der Kniff mit dem ge-
ſchenkten Hund, Gaul, Kameel, Rind, Goldfiſch Schwa-

ter zu klappern.

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ben, Ameiſenlöven, Elephanten oder ſonſtigen Haus-
thier vor der Hand nicht wieder glücken möchte, ſo ha-
ben wir uns an ein genaues Studium des von uns
unterzeichneten Miethcontracts gemacht: ö
1. Man ſchenkt dem Miether einen koſtbaren Bech-
ſtein'ſchen Flügel unter der Bedingung, daß derſelbe
eine Stunde lang auf der Treppe, im Gange oder
auf der Flur ſtehen bleibe. Der Miether geht natür-
lich in die Falle und läßt ſich, da nach § 6, Punkt 10,
auf Treppen, Fluren oder Gängen nichts aufgeſtellt
werden darf, einen offenbaren Contractbruch zu Schul-
den kommen. ö ö
2. Man begibt ſich in die Wohnung des Miethers
und wirft ihm vor, daß er ein Bauernfänger ſei. Der
entrüſtete Miether wird ſofort zum Stock greifen und
dem Beleidiger tüchtig den Rock ausklopfen. Da aber
nach dem bereits angeführten Paragraphen Decken und
andere Gegenſtände nur auf dem Hofe ausgeklopft

werden dürfen, ſo iſt wieder Contractbruch erwieſen.

3. Man läßt in der Nacht das Troittoir vor dem
Hauſe ſpiegelblank poliren. Die Folge wird ſein, daß
der am andern Morgen das Haus verlaſſende Miether
gleich vor der Thür ausgleiten und ſich hinſetzen wird.
Da ober nach § 6, Punkt 3, das Sitzen vor den Haus-
thüren verboten iſt, ſo kann ſofort auf Exmiſſion ge-
klagt werden.
4. Man beredet ſeine Frau ſich beim Miether als
Mädchen für Alles zu vermiethen und veranlaßt ſie am
folgenden Morgen in Holzpantoffel die Treppe herun-
Contractbruch nach § 6, Punkt 3.
5. Man bittet ſich vom Miether mit der größten
Höflichkeit für einen Augenblick den Hausſchlüſſel aus.
Sicherlich wird der Nichtsahnende den Schlüſſel her-
geben. Nach § 6, Punkt 9, darf aber der Hausſchlüſ-
ſel vom Miether an Niemand außer der Familie ge-
geben werden, und ſomit iſt wieder ein Grund zur
Exmiſſionsklage gefunden. ͤ
6. Man überſendet dem Miether anonym ein Dutzend
alter Limburger Käſe. Der Miether denkt, ſie kommen
von einem guten Freunde, und anſtatt (wozu er durch
den Miethskontrakt gezwungen iſt) die ſämmtlichen Käſe
ſofort aufzueſſen, wird er ſich ohne Zweifel einige der-
ſelben für den nächſten Tag aufbewahren. Durch das
Aufbewahren übelriechender Viktualien wird er nach
§ 6 contractbrüchig und kann ſofort verklagt werden.
7. Man wird Holzhauer u. verdingt ſich als ſolcher,
indem man ſich durch höfliches Benehmen unkenntlich
macht, bei dem Miether. Mit großer Liſt beredet man
alsdann den Miether, das Holz ausnahmsweiſe einmal
auf denHangeboden klein machen zu laſſen. Sobald
am erwähnten Orte der Haufen klein gemacht iſt, kann
man nach § 6, Punkt 3 die Exmiſſionskkage aufſetzen.
Wir ſind am Ende. Wenn es nun einen Haus-
wirth gibt, dem dieſe Anweiſungen noch nicht genügen,
ſo können wir ihm nur den dringenden Rath ertheilen,‚
ſich direct nam den Abruzzen zu begeben, wo ihm wei-
terer Beſcheid zu Theil werden wird.

Druck und Verlag von G.Geiſendörfer
 
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