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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 71 - Nr. 78 (4. September - 28. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44618#0315

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nicht in Berührung, was ihr den Gang angenehmer
machte.
S verging ein ganzes Jahr. Als der Frühling
wieder Knoſpen und Blüthen trieb und die dem ver⸗—
ſtorbenen Fräulein gewidmete Trauerzeit beendet war,
wurde Emiliens Hochzeit mit dem Grafen von Herbſtau
auf Handorf ſolenen gefeiert. Dann nahmen die jun-
gen Gatten, deren Bund wahre Liebe geſchloſſen, Ab-

Rahe
ſis erſt nach drei Monaten zurückzukehren gedachten.
Frau von Handorf, die nicht zu den tieffühlenden
Naturen zählte, nahm die Trennung, da ihr Stolz
durch dieſe glänzende Heirath befriedigt war, ziemlich
leicht und ihrem Sohne Alfred war die Entfernung
der Schweſter aus dem elterlichen Hauſe ſogar will-
kommen, da ſein ſinnliches Weſen mit dem reinen ſanf-
ten Gemüthe Emiliens in keiner Weiſe ſympathiſirte.
Der Einzige, der die Trennung ſchmerzlich empfand,
war der alte Freiherr. Emilie hatte ihm in mancher
verdrießlichen Stunde, die theils aus der Verwaltung
der Güter, theils aus dem ſchroffen Weſen ſeiner Gat⸗—
tin und der Wildheit des Sohnes hervorgegangen, mit
ihrem ſanften Lächeln die Falten von der Stirn weg-
geſcheucht. Mit ihr hatte der Friedensengel des Hau-
ſes ihn verlaſſen, und er hätte ſich wohl ganz verein-
ſamt gefühlt, wäre Marie nicht geweſen. Mit jedem
Tage in dem verfloſſenen Jahre hatte er die Kleine

lieber gewonnen Aund die Stunde zu ſeinen glücklichen

gerechnet, wo ſie im Schloſſe, oder im Häuschen ihres
Vaters an ſeiner Seite ſaß und kindlich zutraulich mit
ihm plauterte.
Wenig Stunden, nachdem Emilie mit ihrem Gatten
Schloß Handorf verlaſſen hatte, traſ eine ſchmerzliche,
wenn auch längſtgefürchtete Nachricht das Ohr des
Freiherrn. ö

Der Arzt, der Reiner bis jetzt behandelt, erſchien

im Herrenhauſe und verlangte ihn allein zu ſprechen.
(Fortſetzung folgt.)

Mannichfaltiges.

(Eine treffliche Antwort.) Als Beaumar-
chais' „Hochzeit des Figaro“ in Paris dargeſtellt wurde,
ſuchte eine Partei das Stück zu verſchreien und na-
mentlich als höchſt unſittlich zu verdammen. Deſſen-
ungeachtet war das Theater bei jeder Aufführung bis
auf den letzten Platz ausverkauft. Ein reicher Herzog
ſchrieb an den Verfaſſer und
men, die das Stück nicht öffentich fehen möchten, ihm
eine Gitterloge zu überlaſſen. Beaumarchais antwor-
tetete: „Mein Herzog! Ich kann keine Rückſicht auf
Damen nehmen, die ſich erlauben, ein Schauſpiel heim-
lich zu ſehen, das ſie für unanſtändig halten. Solchen

Eigenſinn kann ich nicht unterſtützen. Ich habe mein 1

das Beſtreben und Endziel ſolcher Damen!

ſchied von den Eltern, um eine längere Hochzeitsreiſe
Schweiz und Italien anzutreten, von wo aus“

Stück dem Publikum preisgegeben, um es zu unter-
halten, ihm damit nützlich zu ſein, und nicht um Bet-ͤ

ſchweſtern das Vergnügen zu machen, in einer vergit-
terten Loge Gutes davon zu denken und in Geſellſchaf-
ten Böſes davon zu ſprechen.

. Die Freude am Laſter
und der Vortheil, den die Tugend gewährt — das iſt

Ich em-
pfehle mich Ihnen und behalte meine Loge!“

(Walter Scott) der berühmte Romanſchriftſteller,

gab einer ſeiner Töchter einſt ein eigenthümliches Hei⸗—
rathsgut mit.

Er ſtellte ihr nämlich die Wahl zwi-
ſchen 4000 Pfund Sterling oder ſeinem neueſten Ro-
man. Die junge Dame wählte nach einigen Tagen
Bedenkzeit, die ſie ſich erbeten, zu des Vaters großem
Vergnügen den Roman. Sie hatte ſich nämlich inzwi-
ſchen mit einem Verleger in Verbindung geſetzt und
dieſer ihr für das Manuſkript 4500 Pfund Sterling

geboten.

(Zur Geſchichte des Rüdesheimers.) Die
im 11. Jahrhundert, die einzelnen von Karl den Gro-
ßen angelegten Weinberge ausgenommen, noch unbe-
baute Gegend von Rüdesheim wurde durch den Bi-
ſchof Sifrid von Mainz durch Ueberlaſſung an dortige
Einwohner in einzelnen Abtheilungen zur Weinkultur
gebracht, wobei er ſich gegen Erlaß aller Frohndienſte
einen Weinzins ausbedang, welcher nach einer genauen
Schätzung 40 Karren Wein betrug, für deren richtige
Lieferung alle für einen ſtehen mußten. Das Fuder
oder der Karren ward auf 6 Ohm berechnet. Auf die-
ſelbe Weiſe führte der Abt Erfo in Neuweiler 1157
den Weinbau ein. Den Dünger mußten überall die
Grundbeſitzer liefern. — Eine Anordnung der Bürger
und des Rathes zu Dresden vom Jahre 1308 über den
Weinſchank und deſſen Steuer beſtimmt ſchon ein poli-
zeiliches Maß der Gefäße und bezeichnet zuerſt die
Geſtellung verpflichteter „Weinviſirer“ oder „Setzer“.

(Jean Paul) fragte einen jungen Mann in einer
Geſellſchaft: „Was haben Sie ſtudirt?“ „Theologie;
ich bin aber wieder davon abgegangen.“ „Warum
denn?“ meinte Jean Paul. Verlegen antwortete der
Gefragte: „Krankheitshalber.“ „Ei, ei,“ lachte Jean
Paul, „das iſt ſonderbar! Ich habe auch Theologie
ſtudirt, bin auch nachher davon abgegangen, aber gem
ſundheitshalber!“ ö ö ö

„Gelehrte Frauen“, äußerte Kant einſt, „brau-
chen ihre Bücher ſo wie ihre Uhren; ſie tragen ſie,

damit man ſieht, daß ſie eine haben, obſchon ſie ge-
wöhnlich ſtille ſteht oder doch nicht richtig geſtellt iſt.“
ihn, für einige Da⸗ ö ö
 
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