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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 88 - Nr. 96 (2. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44618#0379

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Stunde in der Geſellſchaft dieſes trotz der Ungleichheit
der Jahre doch ſo unendlich glücklichen Paares. Dann
entfernte ſie ſich, an ihre eigene traurige Ehe denkend,
mit ſchwerem Herzen. Doch ehe die heutige Trennung
ſtattfand, hatte die Gräſin ihr das Verſprechen abge-
nommen, ihren Beſuch recht bald wieder zu erneuern,
und die Bitte hinzugefügt, in Begleitung ihres Ge-
mahls zu erſcheinen, den ihr Gatte mit Vergnügen em-
pfangen würde.
Was Frau von Barikoff gewünſcht, erfüllte ſich
nicht. Die junge Frau ſtattete ihr im Verlaufe der
nächſten Wochen noch einige Male ihren Beſuch ab
doch ohne daß ſie von ihrem Gatten begleitet wurde.
Die Frage der Gräfin, was Herrn von Handorf abge-
halten, wurde damit erwidert, daß derſelbe eine Reiſe
nach ſeinen Gütern in der Provinz angetreten und ſeine
Rückkehr noch nicht feſtgeſetzt habe. Der Ton aber,
mit dem die Baronin dieſe Antwort gab, klang ſo un-
gewiß, auch ſprach ſie dieſelbe mit ſo trauriger Miene
aus, daß die Gräfin nicht mit Unrecht vermeinte, es
müſſe hinter dieſer Reiſe irgend ein für die junge Frau
bedrohliches Geheimnitz ſich verbergen. Was die Gräfin
mit Sgge für ihre Freundin erfüllte, war, daß ihr

Antlitz Rit jedem neuen Beſuche immer bleicher erſchien,‚

daß ſie oft, wenn ſie ſich unbemerkt glaubte, ſchwer
aufſeufzte, und für den heitern Ton, den die Gräfin
anſchlug, nur ein erzwungenes, offenbar ſchmerzliches

Lächeln hatte.
(Fortſetzung folgt.)

Mannichfaltiges.

(Wie Sebaſtian Frank die Pſfaffen ſeiner Zeit
ſchildert.) Ein hochbegabter, wenngleich in der Form
etwas ungelenkter Hiſtoriker der Reformationszeit iſt
Sebaſtian Frank, geboren 1500 zu Donauwörth, ge-
ſtorben vermuthlich zu Baſel um die Mitte des 16.
Jahrhunderts. Die bis auf's Jahr 1531 herabgehende
„Chronica des gantzen teutſchen Lands“ bringt uns
aus der Feder dieſes ebenſo begabten als kühnen Man-
nes eine äußerſt lebendige Schilderung der damaligen
„Pfaffheit“. Zu ſeiner Zeit trugen die „Pfaffen“ lange
weite Röcke, runde Cirkelpareth (Barette), Käppen-
zipfel (d. h. Kapuzen) von Seyden und wullinen Tuch.
„Sie geen gemeiniglich auff Pantoffel, ſind müſſig,
erlos, niemand nutze Leut, die wenig ſtudieren, die ihr
Zeit faſt mit ſpielen, eſſen, trinken, und ſchönen Frawen
hinbringen. Dieſe haben große Freiheit von Bapſten

in geyſtlichen Rechten eingeleibt, alſo daß ſy nymand

von eynicher Sachen wegen weder ſtraffen noch für
rechtziehen oder antaſten darff, denn ir Oberkeit der
Biſchoff, und den Biſchoff der Bapſt. Nun aber der
gemeyne Man in Germania iſt faſt allen rechten und
falſchen Geyſtlichen feind, den rechten, das ſy ein Salz
und Rut ſeind des Volkes .. . den vermeynten Geyſt-
lichen, . . . das ſy teglich durchtrieben böſe Schalk-

heit, Geitz, Bosheit und allerley verwegene böſe Fi-
nanz, Laſter, Untrew, Betrug und Bubenſtück bei den
trewloſen mit yhrem Schaden erfare“ u. ſ. w. Wie
wir aus Frank's Sprichwörtern entnehmen, waren da-
mals Ausfälle gegen den Clerus allgemein, wie: Pfaf-
fen machen Affen, — es iſt kein Pfaff frum, er hab
denn Har auf der Zungen, — wer ſein Haus will
haben ſauber, der hüt ſich für Paffen und Tauben.“
Ja die Pfaffen wurden damals, was viel ſagen will,
mehr als die Juden gehaßt!

(Butterſtrafen.) Die Klage, daß die Verkäu-
fer von Butter ihre Kunden in jeder möglichen Weiſe
an Gewicht und Güte ihrer Waaren zu ſchädigen und
zu betrügen verſuchen, iſt faſt eben ſo alt, wie dieſes
Nahrungsmittel ſelbſt und ſehr draſtiſch ſind zum Theil.
die Strafen, mit welchen das hintergangene Publikum
und die über deſſen Wohlfahrt wachende Gerechtigkeit
den in dieſer Beziehung begangenen Frevel zu ahnden
wußte.
So hatte man in Cambray eine Art von Stuhl,
der auf offenem Markte ſtand und auf welchen man
die auf friſcher That ergriffenen betrüglichen Butter-
verkäufer ſich niederzuſetzen zwang. Hierauf wurden
ihnen die Hände gefeſſelt, dann legte man ihnen das
Halseiſen um und häufte auf ihr ſchuldiges Haupt
alle diejenigen Stücken Butter, welche zu leicht befun-
den worden waren, oder in denen man Surrogate
von Kartoffeln, Mohrrüben u. f. w. entdeckt hatte.
Die heiße Mittagsſonne that das Uebrige. Die flüſſig
gewordene Butter lief den Ausgelachten über Geſicht
und Hals hinab, was um ſo peinlicher war, als ſie
keine Hand frei hatten, den unwillkommenen Guß ab-
zuwiſchen und außerdem noch den Hohn und Spott
wehl auch einen gelegentlichen Steinwurf des Pöbels
und der lieben Straßenjugend mit in den Kauf neh-
men mußten. —
Unſere Vorfahren waren in ihrer Strafe indeß kei-
neswegs ſo monoton wie die Neuzeit; ſie bildete einen
Theil der Volksbeluſtigung und mußte in Anbetracht
deſſen auch mit den nöthigen Abwechſelungen in Scene
geſetzt werden. So leſen wir in einem alten Manu-
ſtripte, daß am 27. April 1521 eine Butterhändlerin
in einem Korbe über ein Waſſerbaſſin aufgehängt und
ihr die Wahl gelaſſen wurde, dort hängen zu bleiben,
oder den Strick zu zerſchneiden und mit dem Korbe
in's Waſſer zu ſtürzen. Tauſende von Menſchen hat-
ten ſich verſammelt, um dem Schauſpiele zuzuſehen;

der Tumult war ſehr arg und »dies benutzte die Be-
ſtrafte, zerſchnitt den Strick, ſtürzte in's Waſſer und

erreichte ohne handgreifliche Inſulte des Trockene.
Unſere Zeit iſt in ihren Strafen milder geworden,
wenn man aber ſieht, wie ſehr noch heute das Publi⸗—
kum an Geſundheit und materiellem Wohlſtande durch
gewiſſenloſe Verfälſchungen von Lebensmitteln geſchä-
digt wird, ſo kann man ſich in der That zuweilen ei-
nes Stoßſeufzers nach „der guten alten Zeit“ nicht ganz
enthalten. ö
 
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