Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Volksblatt (7) — 1874

DOI Kapitel:
Nr. 1 - Nr. 9 (3. Januar - 31. Januar)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44620#0023
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
jungen Malers den Frauen gegenüber war ihr neu —

es erwachte der Wunſch in ihr, dieſen jungen Bären,

wie ſie ſich ausdrückte, zu kultiviren. — Ich lachte zu
ihren Bemühungen um ſeine Gunſt und ſtimmte ihrem
Wunſche bei, den Freund etwas mehr für die zarten
Seiten des Lebens zu intereſſiren. — Conſtanze war
noch nie portraitirt worden, ſie fragte eines Dages
Hubert ſcherzend, ob es ihm, der die hohe Kunſt kulti-
vire, nicht etwas zu Untergeordnetes ſei, zu portraiti-
ren. Er ſah ſie fragend an — ö
„Ich ſcherze nicht!“ ſagte ſie — „es iſt mein voller
Ernſt — ich möchte gar zu gerne mich ein nal auf der
Leinwand ſehen, würden Sie ſich wohl dazn entſchlie-
ßen, mich zu malen?“
Sie warf mir dabei einen bezeichnenden Blick zu;
ich verſtand ſie ſogleich. Ich hatte ihr erſt den Tag
vorher meinen Wunſch mitgetheilt, Hubert wieder durch
irgend einen Auftrag zu unterſtützen, da mir Geldman-
gel bei ihm eingetreten zu ſein ſchien.
„O, Hubert, wenn Du das thäteſt!“ rief ich. „Wer
weiß, wo das Schickſal mich bald hinwirft, vielleicht
weit, weit fort von meiner Conſtanze — dann hätte
ich doch wenigſtens ihr Vild!“
Hubert hatte noch immer nicht geantwortet. Con-
ſtanze ſah ihm mit ihrem ſüßen halbverſchleierten Blick
in's Auge:
„Nun, werden Sie es thun?“ fragte ſie noch
einmal. ö
Er blickte ſie an und es war, als wenn er ſie zum
erſten Male ſo recht anſchaute — wenigſtens mit dem
Auge des Künſtlers — denn ſein Blick vertiefte fich
faſt in ihr ſchönes Antlitz und ſchien ſich gar nicht mehr
von demſelben losreißen zu können. Dann ſeufzte er
tief auf, wandte ſich zu mir und ſagte finſter: ö
„Es thut mir Leid, aber ich kann das Fräulein
nicht malen.“ ö
„Warum nicht?“ fragte ich erſtaunt.
Er ſah mich ſcharf an. „Sie iſt zu ſchön für mei-
nen Pinſel!“ rief er und lachte wie im Scherze auf.
Ich ſtimmte in das Lachen Hubert's ein; Conſtanze ſah
erröthend zu Boden. ö ö
„Er wird Dich malen!“ rief ich, „er wird Dich ma-
len, mir zu Liebe! Habe keine Sorge!“
Und wie ich vorausgeſetzt, ſo kam es. — Hubert
begann ſein Werk mir zu Liebe und täglich mußte Con-
ſtanze in Begleitung Fräulein von Altheim's zu uns
herüberkommen, um dort Hubert zu ſitzen. Noch war
das Bild nicht halb vollendet, als mich ein Brief zum
Regiment in eine entfernte Provinzialſtadt rief, wie ich
vorausgeſehen hatte. — Es wurde mir diesmal ſehr
ſchwer, von Conſtanzen zu ſcheiden. Hubert und meine
Mutter blieben noch in dem Landhauſe, und Hubert
mußte mir bei meiner Abreiſe das heilige Verſprechen
geben, das Bild Conſtanzens bald zu vollenden und es
mir nachzuſenden. Mit Thränen, Küſſen und Schwü-
ren ewiger Treue ſchied ich von Conſtanzen und reiſte
nach meiner Garniſonſtadt ab.
Mit Sehnſucht erwartete ich dort das verſproͤchene
Bild, es kam nicht — Conſtanze ſchrieb zwar häufig

und in den zärtlichſteu Ausdrücken, aber nie erwähnte
ſie des Bildes. Ich ſchrieb an Schubert — er ant-
wortete gar nicht — und auch meine Mutter ſchwieg
ſtandhaft darüber. Ich war beunruhigt. So rückte
Weinachten heran, ich hatte mir Urlaub genommen, um
auf einige Tage während des Feſtes nach Hauſe zu
reiſen. Zum erſten Male betrat ich das Haus, die
Räume, in denen wir uns jetzt befinden. Meine Mut-
ter hatte Alles feſtlich zum Empfange für mich herge-
richtet. Nachdem ſie mich durch die anderen Räume
des Hauſes geführt, öffnete ſie auch dieſes Zimmer mit
den Worten:
„Dein alleiniges Eigenthum, Bodo!“ ö
Einen Augenblick ſtand ich in freudiger Ueberra-
ſchung ſtill vor der Fülle reicher Spenden an Kunſtge-
genſtänden, mit denen meine Mutter, meinem Ge-
ſchmacke Rechnung tragend, mich erfreut hatte. — Dank-
bar drückte ich der Mutter die Hand, während mein
Auge über die Gegenſtände glitt; ſie zog mich hinein
doch plötzlich blieb ſie überraſcht ſtehen, mein Blick
folgte dem ihren, mit einem Freudenſchrei ſtürzte ich
vor — ſeitwärts vom Fenſter, von einem vorgerückten
Fauteuil ſo verdeckt, daß man es nicht gleich bemerken
konnte, ſtand jenes Bild. — Bodo deutete auf das
Portrait der Gräfin. ö ö
Es war von Hubert. — Sprachlos vor Freude,
nicht wiſſend: ſollte ich mich mehr über das ſchöne We-
ſen, das von der Leinwand mir ſo lebendig entgegen-
lächelte, oder mehr über den Künſtler freuen, der in
Auffaſſung und Colorit etwas ganz Arßerordentliches
geleiſtet hatte, ſtand ich vor dem Gemälde und ver-
ſenkte mich in deſſen Anſchauung. Meine Mutter ſtand
ſtumm neben mir. ö
„Iſt es nicht wunderbar ſchön?“ wandte ich mich
endlich an ſie — „o Mutter wie danke ich Dir für
dieſe herrliche, dieſe ſchönſte Ueberraſchung, die Du mir
im Verein mit Hubert bereitet haſt.“

Nachruf
an die Todten des Pfälzer Boten.

Wohl euch, ihr altkathol'ſchen Todten,
Ihr ſeid vom ſchwarzen Bann befreit,
Obgleich ihr todtgeſagt vom Boten,
Ihr lebt zu ſeinem Herzeleid!

Er wirft euch zu den geiſtlich Todten,
Weil ihr nicht ſchwört zum Pfaffenthum.
Den Seinen iſt der Geiſt verboten,
Drum bleiben ſie auch geiſtig dumm.

Ihr ſeid der Geiſtlichkeit erſtorben,
Wie es uns ſchreibt der Pfälzer Bot',
Und habt den beſten Geiſt erworben:
Die Schwarzen nur ſind geiſtig todt!
 
Annotationen