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Heidelberger Volksblatt (7) — 1874

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Nr. 10 - Nr. 17 (4. Februar - 28. Februar)
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Nr. 14.

Mittwoch, den 18. Februar 1874.

7. Jahrg.

erſcheint Mittwoch und Sam ſtag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt beim Verleger, Schiffgaſſe 4
uynd bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten. ö

Die Freunde der Kaiſerin.
ö Hiſtoriſche Skizze von Th. Juſtus.
(Fortſetzung.)

Auch in dem Daſchkow'ſchen Palais in der Alexan-

der⸗Newski⸗Perſpektive waren ſämmtliche Jalouſien ge-
ſchloſſen, ſo daß es für die Vorübergehenden den An-⸗
ſchein hatte, als ob die Herrſchaft verreiſt ſei. In
Wahrheit jedoch war es nur der Fürſt, der, mit einer
diplom atiſchen Miſſion nach Conſtantinopel entſandt,
die Hauptſtadt verlaſſen hatte, während die Fürſtin
zurückgeblieben war, um bei einer etwa eintretenden
entſcheidenden Wendung auf ihrem Poſten zu ſein.
Nur die näheren Freunde des Hauſes jedoch wußten
um ihre Anweſenheit in der Stadt.
In einem nach der Gartenſeite zu belegenen Kabi-
net ihrer Wohnung ſaß an jenem Sommerabend die
Fürſtin, die leicht in einander verſchränkten Hände vor
ſich auf die Tiſchplatte gelegt, während ſie in tiefes
Nachſinnen verloren vor ſich hin blickte. Ihr gegen-
über ſaß in einem Fauteuil die ſchmächtige, zierliche
Figur eines Mannes mit feinen, klugen, jedoch kränk-
lichen Zügen. Es war Herr von Panin, der Erzieher
des jungen, achtjährigen Großfürſten und Oheim des
Fürſten Daſchkow, welcher ſtets eine beſondere Vorliebe
für ſeines Neffen geiſtvolle und thatkräftige Gemahlin
gezeigt hatte.
„Aber ich begreife bei alledem nicht, meine Nichte“,
beendigte derſelbe eine Pauſe, die ſeit etwa einer hal-
ben Minute eingetreten war, „ich begreife in der That

nicht, wie dieſe Nachricht Sie ſo ſehr alteriren konnte.

Geſetzt, es hätte wirklich ſeine Richligkeit mit der Ver-
haftung der Hauptleute Paſſik und Bredichin — ein
on dit, das ich, wie geſagt, indeß noch keineswegs ver-
bürgen will — wie leicht möglich iſt es nicht, daß ir-

gend ein militäriſches Vergehen dieſe Maßregel hervor-

gerufen hat.“ ö
„Ein militäriſches Vergehen? Die Fürſtin ſchüttelte

mit großer Entſchiedenheit den Kopf. „Der Zufall,
„wenn wir endlich zum Handeln gedrängt werden, ſo

mein Oheim, wäre ein zu wunderbarer! Geſtern Abend
noch habe ich Beide, Paſſik wie Bredichin, bei mir em-

pfangen; ſie kamen, um mir zu ſagen, daß überall un-

ter den Regimentern eine dumpfe Gährung herrſche,

daß man die Kaiſerin in Gefahr glaube und daß, wenn
nicht ſchleunig von unſerer Seite irgend etwas geſchehe,

ſind zu raſch!

der Ausbruch ohne unſer Zuthun erſolgen werde.

Und von dieſer Stimmung ſollte unſere Gegenpartei
ganz ohne Kenntniß geblieben, die Verhaftung der bei-
den einflußreichen Offiziere ſollte aus irgend einer zu⸗—
fälligen, gleichgültigen Urſache erfolgt ſein? Nimmer!“
„Wäre doch der Fürſt hier, er würde uns ſofort
die nöthige Klarheit verſchaffen!“ bemerkte Herr von
Panin, in deſſen Zügen nach den Worten der Fürſtin
ſich eine unverkennbare Unruhe ausbrägte.
„Ja wohl!“ ſtimmte ſie mit einer gewiſſen Bitter-
keit bei, „wäre er hier — es würde mit dem Zaudern
und Bedenken bald ein Ende haben!“ ö
„Graf Orlow bittet um die Erlaubniß, eintreten zu
dürfen“, meldete ein Diener, die Flügelthüren des an-
grenzenden Vorſaales öffnend. ö
„Er iſt willkommen!“ ſagte die Fürſtin lebhaft und
dem Eintretenden einige Schritte entgegengeheyd, rief
ſie, nachdem ſich die Thüren hinter dieſem wieder ge-
ſchloſſen: „Sie ſendet uns der Himmel, Graf Orlow!
Ich ſehe es Ihrem Geſicht an, Sie haben Nachrichten.“
„Aber keine guten, Fürſtin!“ entgegnete Orlow mit
ernſtem Ton. „Kapitän Paſſik und Major Bredichin —“
„Sind gefangen geſetzt. Wir wiſſen es. Aber ſa-
gen Sie uns, welches iſt der Grund ihrer Verhaf-
tung?“ ö
„Das fragen Sie noch, gnädige Frau?“ gab Orlow
in unverhohlenem Erſtaunen zurück. „Kann denn dar⸗—
über noch ein Zweiſel ſein, nachdem Sie wiſſen, wie
weit ſich die Beiden bereits kompromittirt haben??ꝰ?
„Herr von Panin meinte“, entgegnete die Fürſtin,
mit einem leichten Lächeln ſich dieſem zuwendend, „daß
immerhin noch die Möglichkeit eines militäriſchen Ver-
gehens denkbar ſei.“
Der Graf zuckte ungeduldig die Achſeln. „Spiegeln
wir uns keine vagen Möglichkeiten vor, um uns ſelber
in Sicherheit zu lullen. Ich ſage Ihnen, Herr von
Panin, Paſſik und Bredichin ſind nicht militäriſche,
ſie ſind Staatsgefangene; oder hätte man ſonſt die
Thür ihrer Zellen mit je vier Schildwachen verwahrt,
während vor ihren Fenſtern ein Doppelpoſten mit ſcharf
geladenem Gewehr aufgeſtellt iſt?“ ö
„Und wenn es denn ſo iſt“, brach die Fürſtin aus,

ſegne ich die Stunde, in der dies geſchieht.“
Befremdet blickte der Graf ſie an. „Fürſtin, Sie
Es iſt noch zu wenig vorbereitet, die
ganze Organiſation noch viel zu locker —“ **
„„Wollen Sie etwa warten“, unterbrach ſie ihn, „bis
 
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