während ſie große warme Pelzſtiefel anzuziehen begann,
wie man ſie nur auf Reiſen zu tragen pflegte: „Ich
habe Dich zuweilen gekränkt, Benigna, aber ich weiß,
Du trägſt es mir nicht nach und biſt bereit, mir einen
Gefallen zu erweiſen?“ „Gern.“
„Verſprich mir erſt Verſchwiegenheit.“
„Ihr wißt, daß ich nicht plauderhaft bin; auch iſt
es hoffentlich nichts Unrechtes.“
„Weißt Du, was eine Enthüllung iſt?“ Brechta
zwang ſich zu einem ſcherzheften Ton.
„O ja, den Mann trifft die Acht, das Mädchen Ent-
erbung. Ich kann mir nicht denken, daß eine Jungfrau
dem Entführer freiwillig folgt. Auf gewaltſamer Ent-
füzrung — Jungfrauenraub — ſteht der Tod.“
„Welche Albernheiten Du da zuſammenſchwatzeſt.
Wer denkt an dergleichen? Siehſt Du vielleicht eine
Maske einen — Teufel?“
Gehorſam blickte Benigna aus dem Fenſter. „Eben
geht einer vorüber und ſchaut herauf. Mir gefällt ſolche
Mummerei nicht; kann, wer ſich verkleiden will, nicht
lieber etwas Schänes wäylen? Aber mein Gott —“
Sie zuckte zuſammen. Der Vermummte hatte herauf-
gewinkt, übermüthig, mit der Freiheit des Faſchings und
ſie meinte, ihn zu erkennen.
Engelbrechta nahm ihre Hilfe in Anſpruch. Sie
hatte den ſchlechteſten Mantel hervorgeſucht, was in An-
betracht des ſchlechten Wetters nicht zu verwundern,
Aber darüber wunderte ſich Benigna, daß ſie ein Päck-
chen und ein großes Wollentuch unter den Mantel nahm.
„Es handelt ſich um eine Verkleidung.“, warf ſie auf
den fragenden Blick der Andern hin und lehnte es ab,
ſie die Sachen tragen zu aſſen.
„Aber den Brief ninen mit, den Brief dort auf
dem Tiſche. Bewahre ihn ſorgfältig. Morgen früh, um
Tagesanbruch ſchon bringe ihn hierher und gib ihn mei-
nem Großvater. Das iſt der Dienſt, um welchen ich
Dich bitten wollte.“ ö
Sie ſchloß die Thür ihres Gemaches, eilte hinab auf
die Gaſſe. Ihre Begleiterin ül erkase ein eigenthümlicher
Gedanke. Der Teufel, den ſie vorhin geſehen hatie,
ging an ihnen vorüber und tau'chte mit dem Fraulein
ein Zeichen des Einverſtändniſſes. Beklommen fragte
ſie: „Was bedeutet das. Ihr werdet doch nicht gar —“
„Gewiß, emen Faſchingsſtreich ausführen“, ſagte
Brechta lachend. „Das gewöhnliche Leben und gar das
gewöhnliche Freien gefällt mir nicht, langweilt mich, —
da laſſe ich mich denn entführen.“
Benigna war wie gelähmt. „Scherzt nicht ſo furchter-
lich“, bat ſie.
„Ich denke nicht daran zu ſcherzen“, war die unge-
duldioe Antwort.
Ihre Begleiterin klammerte ſich an ſie. „Ich dulde
es nicht, und müßte ich um Hilfe rufen!“
„Das iſt ein Scherz. Du wirſt meinen guten Leu-
mund nicht vernichten.“
Hierin hatte ſie freilich Recht. „So wollt, ſo könnt
Ihr dem Hauſe den Rücken wenden, in dem Euch ſo
allerdings ſtets geherrſcht.
viele, ſo große Liebe umgab? Es iſt ja nicht möglich,
befinnt Euch doch nur!“ flehte das Mädchen. „Das
Herzeleid werdet Ihr —“ ö ö
„Genug — ich weiß ſelber, was ich werde!“ Engel-
brechta machte ſich ungeſtuüm los. „Mein Vater will
mich mit einem Mann verheirathen, den ich nicht mag.
Iſt es denn etwas Schlimmes, daß ich mit Einem da-
vongehe, den ich mag? Auch werden Engernſteins ſchnell
verſöhnt ſein — ſchon durch dieſen Brief, da ich ſie
darum bitte. Sie werden mir ſogar den Vater ver-
ſoͤhnen heifen, wenn er Schwierigkeiten machen ſollte.“
„Warum denn aber die Flucht aus einem Hauſe,
in dem Alle Euch ſo ſehr lieben?“ Benigna fühlte,
daß Bitten und Beſchwörungen umſonſt ſeien, wollte es
alſo mit Vernunftgründen verſuchen. „Euer Vater iſt
nicht da und Ihr habt vollkommen Zeit, den Großvater
wie die Andern für Eure Neigung zu gewinnen. Wenn
dieſe nicht auf einen Unwürdigen fiel, wenn es ſonſt
möglich iſt, daß Ihr ihm angehört, dürft Ihr Euch
wahrlich offen den Eurigen —“
„Wenn und kein Ende!“ rief Engelbrechta zornig.
„Schwatze nicht läͤnger — es iſt unnütz. Halt, wohin?“
Sie erfaßte ihren Arm.
„Zu den Eurigen, damit ſie Euch zurückhalten von
ſo freventlichem Unternehmen. Ich kann es ja nicht.“
„Und ich weiß auch, warum Du es willſt!“ hohn-
lächelte Engelbrechta. „Weil der ſchöne Mann auch
Dein Herzchen in Flammen geſetzt hat — ſo fromm und
heilig Du immerhin thuſt. Darum dir ſer Dein Eifer.
Aber derſelbe iſt entweder nutzlos, oder er würde doch
nicht mir, ſondern nur einem Andern ſchaden — ihm.
Er widerſetzt ſich natürlich, wird getödet oder geächtet,
wenn es ihm zu entkommen gelingt. Mich lieben die
Meinen, mich würden ſie es ſelbſt im erſten Zorn nicht
allzu ſehr entgelten laſſen. Und ich trotzte ihrem Zorn,
bin überhaupt nicht gewöhnt, mich vor irgend etwas zu
ſcheuen!“
„So ſcheut Euch wenigſtens davor, daß er geächtet
werden kann“, flehte Benigna. „Es iſt eine entſetzliche
Beſchwerung, deren bloßer Laut Einen ſchaudern macht.
Man theilet das Weib des Geͤchteten zu den Wi twen,
ſeine Kinder zu den Waiſen. Er wird ſeinen Freunden
genommen und ſeinen Feinden gegeben, wird rechtlos ge-
macht im Leben und im Tode. Ob er das Recht auch
anrufet, es kommt ihm nicht zu Hilfe! — Oh, meine
Mutter hat mir entſetzliche Dinge von der Acht und
ihren Folgen erzählt. Bleibt hier, ich laſſe Euch nicht.“
Sie befanden ſich auf dem Obermarkt, am Salzhauſe,
an der Treppe deſſelben, von welcher früher fremde Pre-
diger, wenn die Hauptkirche zu enge war, die Andächti-
gen zu faſſen, Buße gepredigt hatten, Bekehrung von
dem Laſter der Ueppigkeit, das in der reichen Stadt
Einſt redete hier auch der
päpftliche Legat, Kardinal Engiſtrano, lateiniſch. Ein
Mönch überſetzte es den zahlloſen Zuhöͤrern und die-
ſelben waren davon ſo ergriffen, namentlich die dem
ſchönen Geſchlecht Angehörigen, daß ſie ſofort all die
wie man ſie nur auf Reiſen zu tragen pflegte: „Ich
habe Dich zuweilen gekränkt, Benigna, aber ich weiß,
Du trägſt es mir nicht nach und biſt bereit, mir einen
Gefallen zu erweiſen?“ „Gern.“
„Verſprich mir erſt Verſchwiegenheit.“
„Ihr wißt, daß ich nicht plauderhaft bin; auch iſt
es hoffentlich nichts Unrechtes.“
„Weißt Du, was eine Enthüllung iſt?“ Brechta
zwang ſich zu einem ſcherzheften Ton.
„O ja, den Mann trifft die Acht, das Mädchen Ent-
erbung. Ich kann mir nicht denken, daß eine Jungfrau
dem Entführer freiwillig folgt. Auf gewaltſamer Ent-
füzrung — Jungfrauenraub — ſteht der Tod.“
„Welche Albernheiten Du da zuſammenſchwatzeſt.
Wer denkt an dergleichen? Siehſt Du vielleicht eine
Maske einen — Teufel?“
Gehorſam blickte Benigna aus dem Fenſter. „Eben
geht einer vorüber und ſchaut herauf. Mir gefällt ſolche
Mummerei nicht; kann, wer ſich verkleiden will, nicht
lieber etwas Schänes wäylen? Aber mein Gott —“
Sie zuckte zuſammen. Der Vermummte hatte herauf-
gewinkt, übermüthig, mit der Freiheit des Faſchings und
ſie meinte, ihn zu erkennen.
Engelbrechta nahm ihre Hilfe in Anſpruch. Sie
hatte den ſchlechteſten Mantel hervorgeſucht, was in An-
betracht des ſchlechten Wetters nicht zu verwundern,
Aber darüber wunderte ſich Benigna, daß ſie ein Päck-
chen und ein großes Wollentuch unter den Mantel nahm.
„Es handelt ſich um eine Verkleidung.“, warf ſie auf
den fragenden Blick der Andern hin und lehnte es ab,
ſie die Sachen tragen zu aſſen.
„Aber den Brief ninen mit, den Brief dort auf
dem Tiſche. Bewahre ihn ſorgfältig. Morgen früh, um
Tagesanbruch ſchon bringe ihn hierher und gib ihn mei-
nem Großvater. Das iſt der Dienſt, um welchen ich
Dich bitten wollte.“ ö
Sie ſchloß die Thür ihres Gemaches, eilte hinab auf
die Gaſſe. Ihre Begleiterin ül erkase ein eigenthümlicher
Gedanke. Der Teufel, den ſie vorhin geſehen hatie,
ging an ihnen vorüber und tau'chte mit dem Fraulein
ein Zeichen des Einverſtändniſſes. Beklommen fragte
ſie: „Was bedeutet das. Ihr werdet doch nicht gar —“
„Gewiß, emen Faſchingsſtreich ausführen“, ſagte
Brechta lachend. „Das gewöhnliche Leben und gar das
gewöhnliche Freien gefällt mir nicht, langweilt mich, —
da laſſe ich mich denn entführen.“
Benigna war wie gelähmt. „Scherzt nicht ſo furchter-
lich“, bat ſie.
„Ich denke nicht daran zu ſcherzen“, war die unge-
duldioe Antwort.
Ihre Begleiterin klammerte ſich an ſie. „Ich dulde
es nicht, und müßte ich um Hilfe rufen!“
„Das iſt ein Scherz. Du wirſt meinen guten Leu-
mund nicht vernichten.“
Hierin hatte ſie freilich Recht. „So wollt, ſo könnt
Ihr dem Hauſe den Rücken wenden, in dem Euch ſo
allerdings ſtets geherrſcht.
viele, ſo große Liebe umgab? Es iſt ja nicht möglich,
befinnt Euch doch nur!“ flehte das Mädchen. „Das
Herzeleid werdet Ihr —“ ö ö
„Genug — ich weiß ſelber, was ich werde!“ Engel-
brechta machte ſich ungeſtuüm los. „Mein Vater will
mich mit einem Mann verheirathen, den ich nicht mag.
Iſt es denn etwas Schlimmes, daß ich mit Einem da-
vongehe, den ich mag? Auch werden Engernſteins ſchnell
verſöhnt ſein — ſchon durch dieſen Brief, da ich ſie
darum bitte. Sie werden mir ſogar den Vater ver-
ſoͤhnen heifen, wenn er Schwierigkeiten machen ſollte.“
„Warum denn aber die Flucht aus einem Hauſe,
in dem Alle Euch ſo ſehr lieben?“ Benigna fühlte,
daß Bitten und Beſchwörungen umſonſt ſeien, wollte es
alſo mit Vernunftgründen verſuchen. „Euer Vater iſt
nicht da und Ihr habt vollkommen Zeit, den Großvater
wie die Andern für Eure Neigung zu gewinnen. Wenn
dieſe nicht auf einen Unwürdigen fiel, wenn es ſonſt
möglich iſt, daß Ihr ihm angehört, dürft Ihr Euch
wahrlich offen den Eurigen —“
„Wenn und kein Ende!“ rief Engelbrechta zornig.
„Schwatze nicht läͤnger — es iſt unnütz. Halt, wohin?“
Sie erfaßte ihren Arm.
„Zu den Eurigen, damit ſie Euch zurückhalten von
ſo freventlichem Unternehmen. Ich kann es ja nicht.“
„Und ich weiß auch, warum Du es willſt!“ hohn-
lächelte Engelbrechta. „Weil der ſchöne Mann auch
Dein Herzchen in Flammen geſetzt hat — ſo fromm und
heilig Du immerhin thuſt. Darum dir ſer Dein Eifer.
Aber derſelbe iſt entweder nutzlos, oder er würde doch
nicht mir, ſondern nur einem Andern ſchaden — ihm.
Er widerſetzt ſich natürlich, wird getödet oder geächtet,
wenn es ihm zu entkommen gelingt. Mich lieben die
Meinen, mich würden ſie es ſelbſt im erſten Zorn nicht
allzu ſehr entgelten laſſen. Und ich trotzte ihrem Zorn,
bin überhaupt nicht gewöhnt, mich vor irgend etwas zu
ſcheuen!“
„So ſcheut Euch wenigſtens davor, daß er geächtet
werden kann“, flehte Benigna. „Es iſt eine entſetzliche
Beſchwerung, deren bloßer Laut Einen ſchaudern macht.
Man theilet das Weib des Geͤchteten zu den Wi twen,
ſeine Kinder zu den Waiſen. Er wird ſeinen Freunden
genommen und ſeinen Feinden gegeben, wird rechtlos ge-
macht im Leben und im Tode. Ob er das Recht auch
anrufet, es kommt ihm nicht zu Hilfe! — Oh, meine
Mutter hat mir entſetzliche Dinge von der Acht und
ihren Folgen erzählt. Bleibt hier, ich laſſe Euch nicht.“
Sie befanden ſich auf dem Obermarkt, am Salzhauſe,
an der Treppe deſſelben, von welcher früher fremde Pre-
diger, wenn die Hauptkirche zu enge war, die Andächti-
gen zu faſſen, Buße gepredigt hatten, Bekehrung von
dem Laſter der Ueppigkeit, das in der reichen Stadt
Einſt redete hier auch der
päpftliche Legat, Kardinal Engiſtrano, lateiniſch. Ein
Mönch überſetzte es den zahlloſen Zuhöͤrern und die-
ſelben waren davon ſo ergriffen, namentlich die dem
ſchönen Geſchlecht Angehörigen, daß ſie ſofort all die