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Heidelberger Zeitung — 1895 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150-176 (1. Juli - 31. Juli)
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Telephon-Anschluß Nr. 82

M. 150.

Molltag, den 1. Juli

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Politische Umschau.
Heidelberg, 1. Juli.
Der französische Admiral Menard ist auf der Rück-
fahrt von Kiel am 27. Juni in Cherbourg von einem
Journalisten über die Aufnahme der Franzosen in Kiel
ausgefragt worden. Er äußerte sich darüber folgender-
maßen: „Es war eine heikle Sendung. Wenn ich sie
glücklich vollzogen habe, so geschah es Dank meinen Offi-
zieren und Matrosen, aber auch Dank den Deutschen,
deren Höflichkeit weder unzureichend noch übertrieben war
und die mir meine Aufgabe erleichtert hat. Wir haben
alle Zwischenfälle vermieden. Man hat behauptet, Kaiser
Wilhelm habe sich auf dem Marineakademieballe gegen
mich besonders kalt gezeigt. Das ist unrichtig. An jenem
Abend hat der Kaiser sich nur mit zwei Admiralen unter-
halten, mit einem Oestreicher, der Erzherzog ist, und einem
Engländer, der in der Gruppe des Herzogs v. Connaught
stand. Außerdem sprach der Kaiser nur mit den Fürst-
lichkeiten und zog sich zeitig zurück. Inzwischen aber wurde
ich der Kaiserin vorgestellt, die mit mir 10 Minuten auf-
fällig plauderte. Tags darauf wurde ich überdies dem
Kaiser vorgestellt. Es ist auch vollständig falsch, daß man
auf einem deutschen Kriegsschiffe scherzweise gegen vor-
überrudernde Franzosen Gewehre angelegt habe. So ent-
stehen Sagen! Alle Theile waren korrekt, und es hat
gar keine Zwischenfälle gegeben."
Die Budgetberathung im österreichischen Ab-
geordnetenhause hat, wie schon kurz berichtet, am Donners-
tag zu heftigen Ausbrüchen des czechischen
Nationalbewußtseins geführt, und die Rede des
Jungczechen Eduard Gregr wird jetzt von allen Blättern
der nicht auf dem czechischen Standpunkt stehenden österr. Par-
teien für um so bedenklicher angesehen, als Gregrs Angriffe
gegen die Verfassung jetzt nach dem Sturze der Coalition
von besonderem Gewicht erscheinen können. Gregr sagte
unter anderem:
. Die entscheidenden Factoren sollten es wissen, daß Oesterreich
nicht zur Ruhe kommen kann, daß nicht zufriedene und geordnete
Zustände, daß nicht eine Consolidirung des Reiches früher ein-
treten kann, so lauge man dem böhmischen Volke seine
unbe st reitbar en, natürlichen, historischenund
verbrieften Rechte vorenthalten wird. Die einzige
Stütze der Verfassung ist noch die deutsche Linke und diese wird
fallen. Die jetzige centralistische Verfassung ist ein Verbrechen
gegen den Staat und gegen die Struktur der Völker. Welche
Verfolgungen mußte in dieser Zeit das böhmische Volk er-
dulden? Man setzte uns moderne Geßler zu Statt-!

Holtern ein (Zustimmung bei den Jungczechen), denen kein
Mittel zu schlecht, zu unsittlich und zu grausam war, um es gegen
das böhmische Volk anzuwenden. Das böhmische Volk ist heute
mehr als je erfüllt mit Widerwillen gegen diese Verfassung, ist
mehr als je durchdrungen von der Ueberzeugung, daß diese Ver-
fassung nichts anderes ist, als ein Werk des Unrechts und des
Vertragsbruches; das böhmische Volk ist mehr als je entschlossen,
nicht abzulassen von dem Kampfe gegen diese centralistische Ver-
fassung, und so lange in diesem Kampfe auszuharren, bis es
ferne Rechte erkämpft und erlangt hat. Die Verfassung hat für
das böhmische Volk die Bedeutung eines Sklavenjochs. Ein
Volk, dem seine Erträgnisse weggenommeu werden, welches die
Fußtritte eines brutalen Satrapen ertragen muß
. . . (Beifall bei den Jungzcechen, Präsident gibt das Glocken-
zerchen. Erneuerter demonstrativer Beifall bei den Jungczechen)
. . . ein solches Volk ist kein freies, sondern es schmachtet in den
Ketten der Sklaverei! Wenn das Bollwerk der böhmischen
Nationalität nicht wäre, so wäre Oesterreich längst eine Beute
seiner mächtigen Nachbarn. (Lebhafte Zustimmung bei den Jung-
czechen.) Oesterreich wird entweder sein als föderativer
S t aat oder es wird Nichtsein. (Lebhafter Beifall und
Händeklatschen bei den Jungczechen.)
Der unbefangene Beurtheiler darf übrigens nicht ver-
hehlen, daß die Entwickelung Oesterreichs zu einem Bundes-
staat der verschiedenen jetzt in Oesterreich wohnenden Na-
tionalitäten doch sehr wahrscheinlich ist. Der politische
Stimmzettel hat die Nationalitäten in Oesterreich nach und
nach aus ihrem Schlaf geweckt; sie haben mit ihm das
Gefühl, die Gewißheit erhalten, daß sie, jede für sich, eine
Macht sind, wenn jede in sich zusammen hält; keine ist so
zahlreich, daß sie ohne Weiteres für sich die Mehrheit im
Parlament zu bilden, also die Herrschaft auszuüben ver-
mag, so werden sie wohl schließlich die jetzt tobenden
Kämpfe aufgeben und sich vertragen müssen, indem sie sich,
ähnlich wie das in der Schweiz der FM ist, gegenseitig
als gleichberechtigt anerkennen. Dabei kann ja eine Sprache
— das Deutsche — aus praktischen Gründen die Staats-
sprache bleiben.
Nach dem Mailänder Blatte Commercio liegt in Rom
eine vertrauliche Mittheilung vor, wonach die franzö-
sische Regierung geneigt sei, sobald das Handels-
abkommen mit der Schweiz rechtskräftig geworden sei,
auch Verhandlungen mit Italien zu eröffnen und
zwar auf Grundlage der Einräumung der Minimaltarife,
wobei verschiedenen wichtigen italienischen Ausfuhrartikeln
besondere Ermäßigungen bewilligt werden sollen. Als Gegen-
leistung verlangt Frankreich für seine Erzeugnisse die Be-
handlung der meistbegünstigten Nation.

Deutsches Reich.
Kiel, 29. Juni. Das Befinden der Kaiserin
ist gut, wenn sie auch noch das Bett hütet. Sie hofft,
Dienstag das Bett verlassen zu können. Die Abreise nach
dem Neuen Palais ist noch unbestimmt. Vermuthlich kehrt
her Kaiser auf der „Hohenzollern" hierher morgen zurück.
Er traf gestern erst gegen 12 Uhr Nachts von der Segel-
regatta auf dem „Meteor" von Travemünde ein. Seit
gestern ist Windstille.
Kiel, 29. Juni. Der Panzer „Hagen" hat um
6 Uhr heute früh durch den Kaiser Wilhelm-Kanal die
Reise nach Marokko angetreten. Beim Abgang salutirte
er die Standarte der Kaiserin und die Mannschaft wechselte
mit der Besatzung der im Hafen liegenden Schiffe Hurrahs
aus. Das amerikanische Geschwader, die letzte
Abtheilung der fremdländischen Kriegsschiffe, verläßt
morgen früh 3 Uhr den hiesigen Kriegshafen und dampft
nach Gravesend ab, um von dort gradeswegs nach Newyork
zu steuern.
Baden. Offenburg, 26. Juni. Der sozialdemokratische
Volksfreund schreibt: Als vor etlichen Wochen die Offen-

burger Comödie aufgeführt wurde, der man den Titel
geben kann „Viel Lärm nm Nichts", stritt man sich in der
badischen Presse, ob es wahr ist, daß in Offenburg der
Landtags-Abgeordnete Muser von der Gnade der
ultramontanen Wahlmäuner abhüngt. Vielleicht
wurde irgend einem Blatt, das diese Thatsache vertrat, der
Verleumdungstitel vom demokratischen Hof verliehen. Sehen
wir uns die Wahlakten vom 27. October 1894 an. Von
den 48 Wahlmännern erschienen 46 bei der Abgeordneten-
wahl; davon wurden 40 Zettel sür Rechtsanwalt Muser
abgegeben, 6 für Redacteur Geck. Unter den Wahlmännern
der freisinn.-demokratisch-nltramontanen Liga sind 22 wasch-
echte Centrumsleute und noch ein halbes Dutzend
solcher Bürger, die keinen vollendeten Parteicharakter haben,
aber der klerikalen Partei am nächsten stehen. Bleiben
sage und schreibe vierzehn freisinn.-demokratische Wahl-
männer übrig, also keine 30 Prozent des ganzen Wahl-
körpers, und von diesen siegten zwei nur bei der Loos-
ziehung mit den beiden Sozialdemokraten, welche die
gleichen Stimmen hatten. Bei der Urwahl wurden ab-
gegeben für die freisinnig-ultramontanen Wahlmänner der
Candidatur Muser 48 Prozent aller gefallenen Stimmen.
Es kann somit kein Zweifel bestehen, daß der Häuptling
der badischen Rothhäute bürgerlicher Observanz von
Gottesgnaden, d. h. durch den Segen des katholischen
Klerus erkoren ist.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Durch Allerhöchste Kabinetsordre vom 18. d. M. ist
u. A. Folaendes bestimmt: 2. Bad. Grenadier-Regiment Kaiser
Wilhelm I. Nr. 110: Riedel v. Konsheim, Hauptmann
und Kompagniechef, mit einem Patent vom 18- November
1889 in das 7. Badische Infanterie-Regiment Nr. 142,
Genö l.. Hauptmann und Kompagniechef vom Grenadier-
Regiment König Friedrich Wilhelm IV. (I Pommer'schen)
Nr. 2 in obiges Regiment. — versetzt. Müller I.,
Prenuerlieutenant, unter Belassung in dem Kommando als
Adjutant bei der 7. Jnfantene-Brigade und unter Ver-
setzung in das Jnfanierie-Regiment Prinz Moritz von
Anhalt-Dessau (5. Pommer'schen) Nr. 42, zum Hauptmann
befördert.

Ausland.
Frankreich. Paris, 29. Juni. Der Ackerbau-
minister Gadaud, der kürzlich eine Amtsreise nach
Reims machte, empfing dort eine Deputation der soziali-
stischen Gemeinderäthe, die sich darüber beschwerte, daß man
den Deputaten von Reims, Mirman, zwinge, Soldaten-
dienst zu thun, was Reims seines parlamentarischen Ver-
treters beraube. Der Minister antwortete, früher habe es
die republikanische Partei als eine Ehre betrachtet, dem
Vaterlande als Soldat zu dienen. Hierauf schrieb Mir-
man einen Brief an den Minister, den dieser für beleidi-
gend erachtete. Gadaud gab darum im heutigen Minister-
rath seine Demission und ließ Mirman fordern. —Das
Degenduell zwischen dem Ackerbauminister Gadaud und
Mirman fand im Walde von Vincennes statt. Mirman
trug Jägeruniform. Im zweiten Gange wurde Mirman
am Handgelenk verwundet und trotz des Widerspruchs
Mirmans auf Geheiß der Aerzte der Zweikampf für beendet
erklärt. Gadaud übernimmt heute wieder das Portefeuille
des Ackerbaues.
England. London, 29. Juni. Die zurücktreten-
den Minister begaben sich heute Nachmittag nach Wind-
sor, um der Königin ihre Amtssiegel zu überreichen, welche
die neuen Minister, die kurz nachher dort eintrafen, un-
mittelbar darauf in Empfang nahmen.
London, 29. Juni. Die Königin verlieh Lord
Rosebery den schottischen Andreasorden.

86) Die Kolchierin.
Original-Roman von Gebh. SchäHler-Perasini.
(Fortsetzung.)
Heimendahl fuhr beinahe flüsternd fort:
„Trotz des Protestes einer kleinlichen, vornehmen Gesell-
schaft, ward wiederum einige Wochen darauf auf Schloß
Fernau die Hochzeit gefeiert. Ich wollte ternbleiben, mußte
jedoch dem Drängen meines Freundes nachgeben. Mit ver-
ächtlichen Blicken strafte mich die junge, schöne Schloßherrin.
Wie schwer wurde es mir, fest zu bleiben, zu lächeln,
mit keinem Worte das Vergangene erwähnend. Und schließ-
lich, im Laufe der Zeit, hielt mich Baronin Fernau für den
leichtsinnigsten, oberflächlichsten Menschen der Welt, um
defsentwillen sich's nicht einmal mehr verlohnte, zu zürnen
über seinen Verrath, den sie strafte, indem sie die Hand des
Rivalen ergriff.
Und doch — trotz dem Lachen auf den Lippen, litt ich
unsagbar all' die Jahre, da Fernau sich im Glück sonnte,
während mich so oft ein Augenpaar traf, welches mir zurief:
„O, Du erbärmlicher! Nicht Werth bist Du, daß je ein Weib
um Dich eine Thräne vergießt. Werthloser, als der lächer-
lichste Alltagsmensch!"
Und immer wartete ich, den verzweifelten Ruf hinunter-
pressend, auf das Wort Fernau's, das seinem Weibe enthüllen
würde, wie Alles kam, daß ich nicht so erbärmlich sei, als sie
mich hielt. Aber dieses Wort ward niemals gesprochen, ward
vergessen, und ich mußte immer weiter lächeln, denn Alles
kam mir ja freundschaftlich entgegen.
Viel später mußte ich erst beweisen, daß ich wirklicher
Freundschaft werth war. Fernau starb, ohne mich bei seiner
Gattin zu rechtfertigen. Dies war meine letzte Hoffnung
gewesen."
Wieder schwieg der alte Herr erschüttert. Er hatte die
Hände ineinandergelegt und den Kopf gesenkt.

Die Baronin sah ihn bestürzt an; ein Kamps spiegelte sich
in ihren Mienen ab.
„Und — was hätte mir mein Gatte anzuvertrauen ge-
habt?" fragte sie langsam.
„Er hätte, nachdem er längst den Frieden, ja, das Glück
seines Hauses befestigt sah, Ihnen sagen können, wie die Er-
eignisse einer entschwundenen Nacht sich abspielten," antwortete
Heimendahl, um dann fortzufahren:
»Ich saß an diesem verhängnißvollen Abend vor meinem
Schreibtisch, eine nothwendige Arbeit beendend und erhob mich
eben, innerlich selig, um mich zu der von mir geliebten Frau
zu begeben. Ich wollte ihr mittheilen, daß schon den Tag
darauf unsere Verlobung bekannt gemacht werden solle. Da
trat Fernau bei mir ein. Ich habe ihn nie so entschlossen,
so verstört zugleich gesehen. Mit todtbleichem Antlitz erzählte
er mir, wie er die Nächte hindurch gerungen, um diese Liebe
zu begraben. Wäre ein Anderer als ich der Rivale, er
würde ihn tödten. In den leidenschaftlichsten Worten be-
schwor er mich, zurückzutreten, ihm den Platz zu räumen.
Ich weigerte mich entschieden, so sehr er mich auch dauerte.
Da sprang er auf und schwur, sich auf der Stelle zu
tödten, wenn ich diesen Abend zu jener Dame ginge. Ich
war versucht, ihn für wahnsinnig zu halten, und entschlossen,
trotz seiner Drohung, zu gehen. An der Thür wendete ich
mich noch einmal um und ein Schauer überlief mich. Fernau
lehnte am Tische mit fahlem Antlitz, mit seinen großen
Blicken jede meiner Bewegungen verfolgend. In seiner
Hand, die schlaff herunterhing, lag ein Revolver.
Der furchtbare Ernst seines Gesichtes sagte mir genug.
Ich rief seinen Namen und da — sprach er Worte, die ich
nie vergaß. „Ich rettete Dir einstmals das Leben, rette Du
mir heute das meine; Du kannst es! Du stehst, wie ich jenes
Weib liebe, entsage ihr und ich werfe den Revolver von mir.
Andernfalls —" Dann unterbrach ich ihn. Ich war im
Innersten getroffen. „Lebe!" sagte ich ihm nach minuten-
langem Ringen, „ich entsage!" Nur ich allein weiß, was

mich diese Worte kosteten! Wie ich am L>chreibtisch zusammen-
brach, flüsterte er mir heiße Dankesworte in's Ohr.
Ich schickte ihn fort. Diesen Abend ging ich nicht zu der
Geliebten, nie mehr. Wie ein erbärmlicher Verrath sollte
es aussehen, der verletzte Frauenstolz sollte ihm zu Gute
kommen. Und so war es auch. In jener Nacht hatte ich
eine Schuld beglichen, wir waren quitt! Was darauf folgte
— nun. das wissen Sie ja, Frau Baronin."
Jetzt schaute er sie doch an mit dem alten, treuen Blick.
„Und weil ich jene längst vergangene, glückliche Zeit nicht
vergessen konnte, möchte ich Sie zur Milde stimmen. Wie
meine eigenen Kinder liebe ich Ihre Söhne. Den Einen
haben sie hinausgetragen, er unterlag. Der Andere aber
wartet auf eine versöhnende Hand der Mutter.
Ich sehe eine Thräne in Ihren Augen, Baronin —" er
sprang auf — „o wenn es dem alten Schwätzer doch ge-
lungen wäre, das Eis zu sprengen, das jedes warme Gefühl
erstickt —"
Zwei Hände streckten sich ihm entgegen, die er mit einem
beinahe jugendlichen Feuer ergriff und mit Küssen bedeckte.
„O nicht wahr, Frau Baronin," stammelte er, „ich habe
mich brav gehalten all' die Jahre! Und nicht wahr, ich darf
meinem jungen Freund sagen: Ich bringe alte Liebe, Ver-
söhnung? Schloß Fernau sieht die Mutter wieder und dann
— dann findet sich wohl auch für mich noch ein Plätzchen,
wo ich mit versöhnten, lieben Menschen verkehren kann.
Seit Fernau verlassen ist, ward es sehr einsam um mich-"
Noch immer hielt der alte Baron die zitternden Hände
in den seinigen und nun erst fand die nach Athem ringende
stolze Frau Worte. ,
„Vergebung, Vergebung!" flüsterte sie bebend. „Für all
das Leid, das ich Ihnen zufügte, daß ich damals nicht fragte,
nur grollte!"
„Und Franz? Er wartet —!" bat er. ,
„Ich — will vergeßen! Bringen Sie ihm meene Ver»
söhnung!" (Forts- folgt.-
 
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