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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150 - 175 (1. Juli 1898 - 30. Juli 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0084
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und Kreis in der N. Bad. Schnlztg. einen Aufruf an
sämmtliche Vereinsmitglieder, in dem mit einem ziemlich
großen Phrasenaufwand die Wahl der Herren Grimm
(Obmann), Schlechter (Obmann-Stv.)., Rödel und
Späth (Beiräthe) in den engeren Vorstand empfohlen
wird. Die Mosbacher Konferenz scheint also ganz ver-
gessen zu haben, daß die Herren Grimm, Schlechter und
Rödel seither im engeren Vorstand waren und von der
Offenburger Versammlung einstimmig zum Rücktritt aufge-
fordert wurden. Der Offenburger Beschluß müßte als
ein Possenspiel aufgefaßt werden, wenn sich die eben ein-
stimmig abgedankten Vertreter in vermehrter und ver-
besserte! Auflage wieder präsentiren dürfen, denn der
neu recipirte Herr Späth schwört, wie die anderen Kan-
didaten, in vsrbu rna-Zistri Rödel. Es liegt auf der
Hand, daß der Wahlvorschlag der Mosbacher Konferenz
lediglich den Ersatz der Herren Heyd und Ott durch
zwei Parteimänner Rödel'scher Observanz bezweckt; nur
fragt eS sich, ob die badische Lehrerschaft Herrn Rödel
wieder so unbedingt Heeresfolge leistet, wie vor einigen
Wochen, da die eben Abgedankten zum ersten Mal gewählt
wurden. Hoffentlich wird sie sich nach dem in Wort und
That von der Regierung und Volksvertretung bezeugten
Wohlwollen nicht ins freisinnig-demokratische Fahrwasser
lenken lassen, sondern ihre Führung besonnenen Männern
anvertrauen, die, über den Parteien stehend, einzig ihr
Bestreben darauf richten, das Wohl des Lehrerstandes
weiter zu fördern.
— Der Pfälzer Bote wußte kürzlich seine Leser
mit der Nachricht zu erfreuen, daß der berühmte Entdecker
Professor Röntgen eifriger Katholik sei und zu Ehren
der allerseligsten Jungfrau sogar einen weiteren Fasttag
in der Woche, den Samstag, halte, ein schlagender Beweis,
daß Wissenschaft und Religion zusammengehörten. Nun
wird aber aus Würzburg mitgetheilt, daß Professor Röntgen
Protestant sei. Den Schaden an dieser ewigen Verquickung
der Religion mit Politik, Wissenschaft und dergl. hat auch
in diesem Falle wieder die katholische Kirche, die Blamage
aber wie gewöhnlich das Centrum.
Preußen. „Ueber die Zunahme der Tobten Hand
in Preußen werden, wie alljährlich im Juli, im „Reichs-
anzeiger" Ziffern veröffentlicht, die zum Denken anregen
sollten. Im Jahr 1897 haben die im Ressort des Kultus-
ministeriums mit königlicher Genehmigung erfolgten Zu-
wendungen 9 900 000 Mark betragen. Hiervon ent-
fallen auf die evangelische Kirche 3 900 000 auf die ka-
tholische hingegen, obgleich sie der Zahl der Bekenner nach
nur etwa halb so stark ist, 4 500 000 Mk. So bleibt
für andere Zwecke von der Stiftungssumme nur sehr
wenig übrig: für Unterrichts- und Medizinal-Angelegen-
heiten zusammen genommen noch nicht der sechste Theil so
viel wie für den kirchlichen Kultus allein. Gegenüber
jenen Millionen für die evangelische und katholische Kirche
sind im Ganzen noch nicht 300 000 Mk. für Heilanstalten,
ja für Volksschulzwecke ganze 67 000 Mk. gestiftet worden.
Eine drastischere Illustration dafür, wie ziellos und rein
gewohnheitsmäßig noch immer Stiftungen gemacht und
wie wenig die Stiftungszwecke bedacht werden, die es
heute am nöthiasteu hätten, kann es kaum geben." — So
schreibt nicht etwa ein „kirchenfeindliches" nationalliberales
Blatt, sondern die mit dem Ultramontanismus von jeher
die besten Beziehungen unterhaltende Frankfurter Zeitung.
— Es liegt in der Absicht, die Schätze der öffent-
lichen Bibliotheken, insbesondere der staatlichen
Büchereien, so weit möglich, weiten Kreisen der Be-
völkerung zugänglich zu machen. In die Programme
für die Aufstellung der Pläne zu den Bibliotheksbauten,
wie solche für Berlin und für Posen in Aussicht genommen
worden, sind daher auch größere Räume ausgenommen,
welche als Volkslesehallcn dienen sollen.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Grobherzog haben den
Oberingenieur Friedrich Stotz bei der Generaloiretiion der
Staatseisenbahnen unter Verleihung des Titels Baurath zum
Kollegialmitglied dieser Stelle ernannt; den Amtsvorstand Ober-
amtmann Dr. Friedrich Nieser in Schopfheim zum Hilfs-
arbeiter im Ministerium des Innern ernannt; den Amtmann
Heinrich Freiherr von Reck in Freiburg zum Oberamtmann
mit den Bezügen eines Amtsvorstaudes und den Amtmann Eugen
Dill mann in Offenburg zum Oberamtmann und Amtsvorstand
in Boxberg ernannt, den dem Ministerium des Innern als
Hilfsarbeiter beigegebenen Amtmann Dr. Karl v on Grim m
nach Schopfheim, den Amtmann August Hofmann in Bruchsal
zum Bezirksamt Offenburg und den Amtmann Adolf Bauer in
Tauberbischofsheim zum Bezirksamt Bruchsal versetzt, ferner die
Referendare Hermann Levinger von Karlsruhe und Dr. Her-
mann Korn von Pforzheim zu Amtmännern ernannt und
Ersteren dem Bezirksamt Ueberlingen, Letzteren dem Bezirksamt
Durlach beigegeben.

diesem Institute arbeitet. Die Leistungen waren — einige
Anfangsexperimente abgesehen — recht befriedigend und theil-
wcise erhoben sie sich schon auf die Stufe künstlerischer Repro-
duktionen. So waren der Geburtstagsmarsch von H. Hofmann
und 2 Stücke von Löschhorn schöne Leistungen für Anfänger;
kecker Anschlag, gleichmäßiges Tempo und musikalisches Empfinden.
Eine Stufe höher stand das Lied an den Abendstern von Wagner-
Liszt; ganz tadellos wurde das Mendelssohn'sche Capriccio ox 22
interpretirt- Das schwierige Concertstück mit seiner unerreichbar
melodischen Erfindung bietet technisch außerordentlich große
Schwierigkeiten, die jedoch von der Spielerin mit Leichtigkeit
überwunden wurden. Das Figurenwerk klang außerordentlich
klar und prägnant. Die melodischen Momente waren fein durch-
gearbeitet. Zu dieser Leistung kann man Lehrer und Schülerin
gratuliren. Da kann was daraus werden!
Selbst der vocale Theil ist diesmal besser weggekommen.
Duett von Händel, Lieder von Farthen und Cornelius und
Terzette von Seelig erfreuten sich einer schönen und beachtens-
wcrthen Wiedergabe. Ich möchte ganz besonders die „Lockung"
von Seelig hervorheben, eine fein durchgearbeitete wirkungsvolle
Composition, die Werth wäre, einem größeren Kreise dargeboten
zu werden.
Eingeleitet wurde das Concert durch „Ouvertüre und Gavotte"
von Bach, die jedoch etwas besser hätten zusammenstimmen dürfen.
2 Chöre für Frauenstimmen von A. Lotti und H. Neal bildeten
einen befriedigenden Abschluß. Die letztere. Composition ist mit
feinem Humor durchwürzt und schön contrapunktisch durchgearbeitct
und dabei sofort verständlich. vr. U.

Karlsruhe, 21. Juli. Der Großherzog und !
die Großherzogin haben heute nach dreiwöchigem, sehr !
befriedigendem Aufenthalt St. Blasien verlassen, um sich
für etwa 14 Tage nach St. Moritz im Engadin zu be-
geben. Die Höchsten Herrschaften reisen heute bis Zürich,
morgen nach Thusis und gedenken am 23. d. Mts. in St.
Moritz einzutreffen. Im Gefolge Ihrer Königlichen
Hoheiten werden sich daselbst befinden die Hofdame Freiin
von Adelsheim, der Oberhofmarschall Graf von Audlaw,
Legationssekretär Dr. Seyb und Hofarzt Dr. Dreßler.
Nach Beendigung des Aufenthalts in der Schweiz gedenken
Ihre Königlichen Hoheiten nach Schloß Mainau überzu-
siedeln.
Zweite juristische Staatsprüfung. Auf Grund der
in den Monaten Mai bis Juli l. I. abgehaltenen zweiten ju-
ristischen Staatsprüfung werden folgende Rechtspraktikanten zu
Referendaren ernannt: Dr. Hugo Baur aus Mühlhofen,
Dr. Konrad Beyerle aus Waldshut, Rudolf Blume aus
Karlsruhe, Julius Bo lack aus Müllhelm, Alexander Brauer
aus Karlsruhe, Dr. Emil Braunagel aus Baden, Gustav
Brugier aus Karlsruhe, Karl Buzen geig er aus Gutach,
Kuno Conradi aus Karlsruhe, Karl Dauth aus Dührcn,
Heinrich Emele aus Buchen, Alois Eudres aus Unterbalbach,
Heinrich Fischer aus Freiburg, Franz Franz aus Mann-
heim, Peter Fromherz aus Freiburg, Max Fürst aus Karls-
ruhe, Oskar Graß aus Mosbach, Alfred Hanemann aus
Rastatt. Wilhelm Harrer aus Konstanz, Alfred Haug aus
Mannheim, Richard Hepp aus Pforzheim, Hermann Hilden-
brand aus Walldürn, Dr. Viktor Höniger aus Ratibor,
Dr. Erich Kleinschmidt aus Ohrdrufs, Wilhelm Krauß aus
Freiburg, Hermann Kuenzer aus Eppingen, Hermann Künzig
aus Gissigheim, Julius Lederle aus 'Neckargemünd, Dr. Otto
Levis aus Karlsruhe, Karl L in gert aus Karlsruhe, Karl
Löss aus Adelsheim, Karl Maurer aus Lahr, Heinrich
Meckel aus Opladen, Eduard Metzger aus Lahr, Eduard
Morell aus Heidelberg, Dr. Ludw. Muchow aus Seehausen,
Emil Müller aus Hilsbach, Dr. Friedrich Mü ll er aus Oldis-
leben, Heinrich Müller aus Heidelberg, Ludwig Müller aus
Mannheim, Dr. Viktor Nauen aus Mannheim, Friedrich
Netter aus Pforzheim, Franz Neukum aus Donaueschingen,
Oskar Riedel aus Breslau, Dr. Kurt Rive aus Breslau,
Dr. Walther Rößler aus Baden, Karl Rudmann aus
Meersburg, Alexander Schaible aus Freiburg, Oskar Schanno
aus Altbreisach, Fritz Schlachter aus Werbach, Karl Schmidt
aus Schmieheim, Edgar Schreiber aus Zell a./H., Fritz
Seubert aus Karlsruhe, Karl Siebert aus Niederhausen,
Otto Stuber aus Walds Hut, Friedrich Vortisch aus
Lörrach, Reinhard Vortisch aus Lörrach, Otto Weiß aus
St. Blasien, Friedrich Wielandt aus Karlsruhe, Leonhard
Winkler aus Wertheim, Karlo. Witzleben aus Berlin, Otto
Wunder aus Mannheim, Ferdinand Zuccalmaglio aus
Krefeld.

Ausland
Schweiz. Genf, 21. Jul. Infanterie- und Kavallerie-
abtheilungen bewachen die Arbeitsplätze und durchziehen
die Straßen. Die Polizei verhaftete etwa 50 Anarchisten,
darunter Berard, der alle Kugeln seines Revolvers
auf einen P o liz ei kommissär abfeuerte. Ueberall
unterstützten die Bürger die Polizei. Die Arbeiter ver-
langen eine Frist von 24 Stunden zur Beantwortung der
Vorschläge der Arbeitgeber, die ihnen durch den Staats-
rath übermittelt wurden. Wahrscheinlich werden zahlreiche
Arbeitsplätze morgen wieder eröffnet werden.
Frankreich. Paris, 21. Juli. Ein Gerichtsvollzieher
begab sich gestern nach dem Landsitze Zolas Medane, um
ihm das Urtheil des Versailler Schwurgerichtes zuzustellen.
Das Dienstpersonal weigerte sich indessen, das Schriftstück
entgegenzunehmen. Es verlautet, die Gerichtsbehörden haben
die Beschlagnahme des Mobiliars Zola's beantragt, um
die Bezahlung der Geldbuße und Gerichtskosten zu sichern.
— Den Blättern zufolge habe sich Oberst Henry geweigert,
dem Untersuchungsrichter Bertulus die Konduitenliste Ester-
hazy's mitzutheilen. Bertulus begab sich deshalb nach
dem Kriegsministerium, um die Herausgabe der Liste zu
verlangen. Der Advokat Tecenas richtete an Bertulus
das Ersuchen um einstweilige Freilassung Esterhazy's.
Rußland. St. Petersburg, 21. Juli. Kaiser
Nikolaus allarmirte gestern früh das Lager von Kras-
noje Selo. Dem sich anschließenden Manöver des Garde-
korps wohnten der Kaiser und die Kaiserin bei.
Amerika. In der Seeschlacht von Santiago de Cuba
ist das amerikanische Schlachtschiff „Indiana" zweimal,
„Oregon" dreimal und „Iowa" neunmal von spanischen
Geschossen getroffen worden. Infolge des überaus starken
Panzerschutzes hat indeß kein einziges dieser Geschosse
nennenswerthe Zerstörnngsresultate aufzuweiseu.
Die Abschiedskneipe der Abiturientinnen.
Wien, 16. Juli.
Die zehn erfolgreichen Abiturientinnen des Wiener
Mädchen-Gymnasiums veranstalteten, ganz wie es ihre
männlichen Commilitonen zu thun pflegen, unmittelbar nach der
Abiturientenprüfung eine Festkneipe, zu der sie ihren gewesenen
Director und Vicedirector, ihre Professoren und die leitenden
Persönlichkeiten des Vereines für erweiterte Frauenbildung ein-
luden. Nur die Studentinnen, weiche einzelne Nachprüfungen
zu bestehen haben, konnten sich nicht entschließen, dem fröhlichen
Feste, das im „Hotel Victoria" abgehalten wurde, beizuwohnen.
Ihre Abwesenheit wurde wiederholt laut bedauert, aber sie that
der herrschenden übermüthigen Stimmung keinen Abbruch. Von
allem Anfänge an zeigte es sich, daß Schülerinnen und Professoren
mit rührender Zuneigung aneinander hängen, und als Direktor
Hannak, der gar nichts dagegen hat, daß ihn seine Schülerinnen
als — ihre „Mama" betrachten, nur leise daran erinnerte, daß
auf die Matura naturgemäß die Trennung folgt, da fehlte nicht
viel und die Stimmung hätte umgeschlagen und wäre eine rühr-
selige geworden. Aber eine der zwei „ausgezeichneten" Abiturien-
tinnen sprach einen humoristischen Dank an die Professoren, und
bald lachte den Mädchen wieder die Helle Freude aus den Augen.
Sie sind in gesellschaftlicher Beziehung schon reifer und vorge-
schrittener, als die männlichen Schüler im gleichen Alter, und
im Gesichtsausdrucke läßt sich schon mehr vom Charakter erkennen
und mehr von der Zukunft errathen. Die Mehrheit der Abi-
turientinnen dürfte es nicht bis zum Doctor, zum Professor, zum
Direktor bringen, auch wenn diese Berufe schon recht bald den
Frauen freigegeben würden — sie werden sich schon früher mit
der Titulatur Frau Doctorin, Frau Professorin oder Frau
Direktorin begnügen. Aber sie sollen sich deßhalb nicht grämen —
die ersten Lanzen im Tournier um den Preis des Rechtes der
Frau auf selbständige Geistesarbeit haben sie doch gebrochen.
Um es nur ja in allem ihren männlichen College» gletchzuthun,
haben die Abiturientinnen des Mädchen-Gymnasiums auch eine
Bierzeitung verfaßt, redigirt und in Druck gegeben — heraus-

gegeben kann man nicht sagen, denn sie hüten die wenigen Exem-
plare derselben mit eifersüchtiger Wachsamkeit. Der Geist, in
dem diese Zeitung redigirt ist, zeigt überall männliche Reife,
ober er verräth doch in gewissem Sinne die Weiblichkeit. So
sicher ibren Professoren gegenüber haben sich noch keine männ-
lichen Studenten gefühlt — die Studentinnen machen sich mit einer
Courage über sie her, die sie doch wahrscheinlich nur aus der
Rücksicht schöpfen, welche jeder echte Mann der Frau angedeiüeir
läßt. Einige Beispiele werden die Wahrheit dieser Behauptung
beweisen. Ein Auszug aus der Schulordnung bringt folgende
Paragraphen:
8 1. Die Professoren haben sich für ihr jedesmaliges Er-
scheinen zu entschuldigen. Z 2. Die Schülerinnen durch un-
geschickte Fragestellung in Verlegenheit zu setzen, so daß es den
Anschein gewinnen könnte, als ob sie nichts wüßten, ist
strengstens verboten. Z 3 Professoren haben sich den Schüle-
rinnen gegenüber der größten Höflichkeit zu befleißigen, was
besonders von Griechisch-Professoren gilt. Z 4. Stört ein
Professor durch unnütz- Fragen die Schülerinnen in ihren
Privalbeschäftigungen, so soll er eine strenge Rüge erhalten;
im Wiederholungsfälle bekommt er das aoiwilium adsunäi.
Z 5. Jeder Professor bezahlt für jeden schlechten Witz, den er
macht, eine Krone. (Würde dieser Paragraph strenge eingehal-
ten, so konnte das Gymnasium von den Strafgeldern erhalten
werden.) 8 6. Die Professoren haben sich pünktlich eine Viertel-
stunde vor dem Glockenzeichen zu entfernen.
Ein ausgezeichnetes Gedächtniß haben die jungen Mädchen,
wenn es gilt, Aussprüche der Professoren — sogenannte Katheder-
blüthen— wörtlich anzuführen. So wird z. B. zitirt: „Wie oft
habe ich Ihnen verboten, in meiner Stunde sich mit anderen
Dingen zu beschäftigen. Ich sage es Ihnen zum letzten Mal,
wenn Sie das durchaus in meiner Gegenwart thun wollen, dann
warten Sie, bis ich draußen bin, oder unterlassen Sie es ganz!"
Ein anderer Professor sagt: „Also ich wünsche nicht, daß Sie
Fremdwörter gebrauchen; in gewisser lokaler Relation ist es ja
sehr schenial, aber es ist nicht distinguirt, und ich bin dann immer
obligirt, sie auszukorrigiren, und derlei Satzkompositionen, aus
Fremdwörtern confundirt und vroducirt, sind mir ein borrsur;
also wollen Sie sich das zur These machen und all notam nehmen".
Der Wirklichkeit abgelauscht ist wohl auch die Notiz: „Wie man
sich in einer Mädchenklasse Ruhe — nicht verschafft."
Der Latein-Professor: „Da rauscht's schon wieder in den
Schachtelhalmen . . . wer spricht, hat von vornherein nicht-
genügend."
Der griechische Professor: „Wern S' jetzt net bald Ruh
geben. Sonst sperr ich a par ein. A so a Tratsch'n!"
Der Physik-Professor: „Die Freileins müssen sich aber
ruhiger verhalten, sonst kann ich ja nicht priesen."
Der frühere Geschichtsprofeffor: „Ihr Geplauder ist sehr
anmuthig, meine Damen — aber würden Sie vielleicht gestatten,
daß ich auch — ein wenig spreche?"
Der gegenwärtige Geschichtsprofessor: „Ihr schwätzt's in-
einemfort — und dann könnt's ihr gar nix. So ist dem."
Diese Notiz in der Kneipzeitung verräth aber vielleicht mehr,
als den Verfasserinnen lieb ist, die Einstimmigkeit der Profes-
soren bezüglich des Mangels an — Schweigsamkeit bei ihre«
Schülerinnen. Das Hauptstück der Kneipzeitung ist „Die Kegel-
partie", ein neu aufgefundenes dramatisches Fragment, in dem
Weise Griechenlands handelnd auftreten und von Pallas Athene
die Rede ist. Die im Wiener Dialekt verkehrenden Weisen ent-
puppen sich als die Professoren des Mädchen-Gymnasiums, und
Frau Pallas Athene ist die Präsidentin des Vereins für erwei-
terte Frauenbildung, die durch ihren Eifer sich besonders UM
die Gründung des Mädchen-Gymnasiums verdient gemacht hat.
Auf die Maturitätsprüfung der Studentinnen anspielend, sagt
der weise Kallias: „Wem es glückt, auf Einen Schub die Neun-
zehn allesammt zu Fall zu bringen, dem erblüht ganz zweifellos
beim nächsten Avancement zum Mindesten ein Sitz im Hohen
Landesschulrathe." Im Laufe des Abends kam an die Adresse
der Abiturientinnen-Kneipe eine große Anzahl von Glückwunsch-
telegrammen, die vor der „Mama" (Direktor Hannak) zu einem
stattlichen Haufen anwuchsen. Sie waren wohl meistens von
Freunden und Verwandten der glücklichen „Zehn", aber es waren
auch einige darunter, die bewiesen, daß die Abiturientinnen bei
ihren künftigen Kollegen an der Universität die vollsten Sympa-
thieen haben. Ein solches Telegramm lautete: „Den Abiturien-
tinnen der ersten gymnasialen Mädchenschule Wien! Einige
Söhne der ^.lma matsr begrüßen ihre Schwestern und kommen
ihnen einen Ganzen vor!" Als Gast der gymnasialen Mädchen-
kneipe war vr. msä. Baronin Gabriele Possanner anwesend, der
erste weibliche Arzt von Wien. (Neue Fr. Presse.)

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 22. Juli.
88 Oberrealschult. Statt des feierlichen Schlußaktes wal>
wie bereiis mitgetheilt, zum Abschluß des Schuljahrs ein
Spielfesl in großem Maßstab auf dem Spielplatz der
Schule unterhalb der neuen Brücke in Aussicht genommen,
wozu die städtischen Behörden und die Eltern der Schüler
eingeladen waren. Dieses Spielfest, das am Mittwoch bei
sehr günstiger Witterung stattfand, gestaltete sich in jeder
Beziehung zu einem wirklichen Fest, zu einem anziehenden
Schauspiel für diejenigen namentlich, die ein solches Spiel-
fest zum ersten Mal sahen. Kurz vor der angesetzten Zeit
sammelten sich Spieler und Zuschauer auf dem sehr ausge-
dehnten und für den Zweck geichaffenen Spielfeld, und als um
5 Uhr das Glockenzeichen zum Beginn der Spiele erschallte,
da blitzten die Augen der Jungen Heller; ein munteres
Treiben begann alsbald, ein fröhliches Tummeln an alleu
Enden. Die Bälle flogen hier haushoch in die Höhe, dort
in scharfem flachem Bogen wie ein Pfeil in die Weite, und
das Auge des überraschten Zuschauers hatte im Anfang
Mühe, in dem scheinbaren Gewirr der Bewegungen die ein-
zelnen Gruppen genau zu unterscheiden. Erst, wenn man
von Gruppe zu Gruppe gehend, dem Spiel der Einzelab-
theilungen zuschaute, da zeigte sich der Plan, der Gedanke,
der dem Ganzen zu Grunde lag; es zeigte sich auch alsbald,
wie hier in den einzelnen Spielen Regel und Freiheit, Ord-
nung und Ungebundenheit in so glücklicher Vereinigung er-
zielt waren, daß bei dem einzelnen Spieler nur die völlig
freie, durch den Augenblick gegebene Bewegung zur Erschei-
nung trat. Und welche Abwechslung! — Hier die Kleinen
bei Ball- und Gesellschaftsspielen: bei Thurmball, Reirerball.
Tambourinball; bei Dreimannhoch, Katz und Maus, bei all
den schönen Spielen, deren sich der gereifte Mann noch mü
Lust aus seiner äugend erinnert; dort die Schüler der
höheren Klassen bei Schlag-, Faust- und Schleuderball, die
zum Theil schon eine volle Jünglingskraft nnd vor alle»
Gewandthett, Umsicht und stete Aufmerksamkeit erfordern-
Bei allen Spielen sind natürlich feste Regeln zu beobachten;
aber so gut waren alle Spieler in diese eingeweiht, daß alles,
wie schon angedeutet, ohne jeglichen Zwang, trank und frei
vor sich ging, daß Anlage und Eigenart des Einzelnen voll
und ganz zur Geltung kam: hier der phlegmatisch angelegte
Junge etwas langsamer, dort die äußerste Lebhaftigkeit, bei
vollem Hingeben an die Sache der entsprechende Erfolg-
Natürlich war auch, da zum ersten Mal alle Lehrer der An-
stalt einem solchen Spielfest beiwohnten, der einzelne Schüler
bemüht, seine ganze Geschicklichkeit zu zeigen mit dem ge-
heimen Gedanke: „Siehst Du, gestrenger Herr so und so, hier
bin ich nicht der Schlechteste." — Es war schwer, eine Wam
zu treffen und dem einen oder anderen Spiel den Vorzug
zu geben, denn jedes hat seine eigenen Vorzüge; aber Faust-
und Schleuderball schienen ganz besonders die Aufmerksam-
keit der Zuschauer auf sich zu lenken, Nicht zu vergessen ist
das Speer- oder Verwerfen, an dem sich am Ende Groß
und Klein betheiligte, um die Kraft des Arms und die Sicher-
 
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