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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 77-100 (1. April 1901 - 30. April 1901)
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MöllLüß, 1. April IM.

Westes BLE.

L3. JchMUg. — ^sr. 77.



Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 60 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. DurWdiehPost de»
zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung
und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

De» Entwurf der Bestimmungen über die Be-
schäftigung von Gehilfen nnd Lehrlingen in
Gast- «nd Schankwirtschaften.
Der dem Buridesrat unterbreitete Entwurf von Be-
stimmungen über die Beschäftigung von Gehilfen
und Lehrlingen in Gast und Schankwirt schäften
hat folgenden Wortlaut:
1) In Gast- und Schankwirtschaften ist jedem
Gehilfe» und Lehrling über 16 Jahre innerhalb der
auf den Beginn seiner Arbeit folgenden vier-
undzwanzig Stunden eine ununterbrochene Ruhezeit von
mindestens acht Stunden zu gewähren. Für Gehilfen und
Lehrlinge unter 16 Jahren sowie in Gemeinden, welche
»ach der jeweilig letzten Volkszählung mehr als 20 000 Ein-
wohner haben, muß die Ruhezeit mindestens 9 Stunden
betragen. Für kleine Ortschaften kann diese längere Ruhe-
zeit für Gehilfen und Lehrlinge über 16 Jahren durch
Polizeiverordnungen der zum Erlaß solcher Verordnungen
berechtigten Behörden vorgeschrieben werden. Die Zahl
der Ruhezeiten darf für die Woche nicht weniger als sieben
betragen.
2) Bis zu sechzig Mal im Jahre darf die aus den
Bestimmungen unter Ziffer 1 Abt. 1, 2 sich ergebende
Höchstdauer der Arbeitszeit für den einzelnen Gehilfen und
Lehrling überschritten werden, jedoch muß in allen Fällen
nach dem Abschlüsse der Arbeit eine Ruhezeit von der in
Ziffer 1 Abs. 1, 2 vorgeschriebenen Dauer gewährt
werden. Auch behält es bei der Bestimmung der Ziffer 1
Abs. 3 sein Bewenden.
3) An Stelle der nach Ziffer 1 Abs. 1, 2 zu ge-
währenden ununterbrochenen acht- oder neunstündigen Ruhe-
zeit ist den Gehilfen und Lehrlingen alle drei Wochen
Mindestens einmal eine ununterbrochene Ruhezeit von min-
destens vierundzwanzig Stunden zu gewähren. In Ge-
meinden, welche nach der jeweilig letzten Volkszählung mehr
als 20 000 Einwohner haben, ist diese Ruhezeit mindestens
alle zwei Wochen zu gewähren.

Enthüllung von Standbilder« in Berlin.
Berlin, 30. März. Heute Vormittag fand die
Enthüllung der Denkmalsgruppe des Großen Kur-
fürsten, des Königs Friedrich Wilhelm HI. und des Kaisers
Wilhelm I. in der Siegesallee statt. Anwesend waren:
Der Kaiser, in der Uniform des 1. Garderegiments, die
Kaiserin, die Prinzen Eitel Friedrich, Adalbert, August
Wilhelm, Oskar und Friedrich Leopold, der Erbprinz von
Weiningen, das Hauptquartier des Kaisers, die Kabinet-
chefs, der Reichskanzler, mehrere Minister, der Oberbürger.
Geister, sowie die Offizierskorps verschiedener Garderegi-
wenter. Am Standbild des Großen Kurfürsten legten die
Lribkürassiere und eine Abordnung der hiesigen französischen
Kolonie Kränze nieder. Der Kaiser und die Kaiserin unter-
selten sich namentlich mit den zu der Feier geladenen
Nachkommen der Nebenfiguren der Denkmäler, darunter
^raf Ziethen-Schwerin und Fürst Bismarck. Ein Parade-
marsch der sämtlichen Truppenteile beschloß die Feier.
Professor Begas, der Schöpfer des Denkmals Kaiser
Wilhelms, Pofessor Schaper, Professor Eberlein und Di-

rektor Koser erhielten Ordensauszeichnungen. Im Anschluß
an die Enthüllungsfeier fand im Elisabethsaale des Schlosses
Frühstückstafel statt. _

Der Stapellanf des Lloyddampfers Kronprinz
Wilhelm.
Stettin, 30. März. Der Stapellauf des Lloyd-
Dampfers Kronprinz Wilhelm fand in Anwesenheit des
Kronprinzen heute Vormittag 11V, Uhr auf der Werft
des Vulkan statt. Es waren nur geladene Gäste zugelassen.
Bei dem Ablauf des Dampfers stimmte die Kapelle des
1. Pomm. Gren.-Reg. Nr. 2 die Nationalhymne an. Nach
dem Stapcllauf bestieg der Kronprinz den Dampfer Dresel
und begab sich nach Stettin zurück, um mit den Spitzen
der Behörden bei dem kommandierenden General v. Langen-
bcck das Frühstück cinzunehmen, worauf er nach Berlin
zurückfuhr.
Der „Kronprinz Wilhelm" ist der neueste Schnelldampfer
des Norddeutschen Lloyds. Er hat eine Länge von
202,17 w, eine Breite von 20,10 na und eine Tiefe von
13,10 na, der Raumgehalt des Schiffes wird etwa 15 000
Brutto-Register-Tonnen betragen, das Deplazement etwa
21000 Tonnen. Der Dampfer ist als Fünfdeckcr ganz
aus Stahl unter Spezialaufsicht erbaut und wird die höchste
Klasse erhalten. Die äußere Erscheinung des Schiffes ist
dieselbe wie die des „Kaiser Wilhelm der Große," ebenso be-
sitzt es wie dieser vier mächtige Schornsteine. Der „Kron-
prinz Wilhelm" hat Einrichtungen für die Beförderung von
etwa 650 Passagieren erster, 350 zweiter Klaffe und 700
Zwischendecken«. _

Zur Kräftigung des Deutschtums im Oste».
Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Der bedenkliche
Rückgang des deutsche« Bolkstnms in den Ostmarken
bildet fortgesetzt den Gegenstand ernstester Sorge der
leitenden Kreise Preußens. Der Ministerpräsident ist ent-
schlossen, nach eingehender Prüfung aller praktischen Vor-
schläge ein möglichst einheitliches Vorgehen aller beteiligten
Dienststellen zur Abwehr der Gefahr der fortschreitenden
Polonisierung deutscher Stadt- und Landgemeinden sicher-
zustellen. Es wird eine Reihe von Punkten erneut zur
Erörterung gestellt weiden, die für die Kräftigung des
Zusammenhaltens der Deutschen in der Stadt und Provinz
erheblich sind. Es sei namentlich auf die Begründung
deutscher Vereinshäuser in der Hauptsache in größeren
Städten der Provinz hingewiesen, wobei erforderlichen
Falles mit staatlichen Beihilfen nicht zu kargen ist. Auch
die Wiederbelebung einer Anzahl geeigneter Ortschaften mit
Garnisonen, welche seit 1867 in elf Fällen eingezogen
wurden, wird für die Zukunft in betracht kommen. Das
besondere Interesse, das der Ministerpräsident den schwie-
rigen Verhältnissen der Landesteile mit polnischer Bevöl-
kerung zuwendet, trägt hoffentlich zur baldigen Lösung dieser
und anderer Fragen in deutschnationalem Sinne bei.

Deutsches Reich.
— Das Garde-Füfilierregiment in Berlin feierte am

Samstag das 75jährige Bestehen in Anwesenheit zahl-
reicher ehemaliger Regimentsangehöriger, darunter des Erb-
prinzen von Sachsen-Meiningen, der 1873 als Oberleut-
nant in das Regiment eintrat und dann die 1. Kompagnie
geführt hatte.
— Es verlautet, daß der jetzige Gouverneur von Ber-
lin, v. Bomsdorff, krankheitshalber den Abschied nehmen
und durch den General v. Hahnke ersetzt werden wird.
An Hahnkcs Stelle als Chef des Militärkabiuets würde
Generalmajor Graf v. Hülsen-Haeseler treten, der
am 26. März d. I. zur Dienstleistung bei dem Militär-
kabinet kommandiert worden ist und früher bereits mehrere
Jahre als Flügeladjutant und zwar von 1890 bis 1894
zum Militärkabinet kommandiert gewesen ist.
Bade».
L. 6. Karlsruhe, 31. März. Auf dem letzten
Landtag wurde bekanntlich von mehreren Rednern und
später auch in der Presse die Statistik über die Personalien
und Einkommensverhältnisse der Lehrer bemängelt. Um
nun für die kommenden Verhandlungen im Landtag ein
absolut zuverlässiges Material zu erhalten, läßt
der Vorstand des badischen Lehrervereins zur Zeit
eine genaue Statistik über Personalien und Einkommens-
Verhältnisse der Lehrer, über Organistendienst und über
Schulverhältnisse ausarbeiten. Auf die Ergebnisse dieser
Statistik darf man gespannt sein; auf alle Fälle dürfte
sie der Regierung und den Landständen ein untrügliches
Bild über die Lehrerverhältniffe bieten. — Die An-
tisemiten Badens hielten kürzlich in Mannheim ihre»
Parteitag ab. Zum ersten Vorsitzenden wurde Buchbinder-
meister Walter-Mannheim gewählt.
L. 0. Karlsruhe, 31. März. Ein Duell wurde
heute Nachmittag im benachbarten Malsch ausgefochtcu,
zwar kein blutiges auf Säbel oder Pistolen, sondern ein
Rededuell zwischen den Redakteuren des „Volksfreund"
(Soz.) und des „Bad. Landmann" (Zentr.) über die
Getreidezollfrage. Die Herausforderung ging vom
„Volksfreund" aus, der vor einigen Tagen den „Bad.
Landmann" hänselte, daß die Zenlrumsstrategen nur hinter
dem Redaktionstisch schimpfen können, in den Versamm-
lungen der Sozialdemokraten aber nicht aufzutreten wagen.
Das ließ sich der schneidige Redakteur des „Landmann"
nicht zweimal sagen: er nahm die Forderung an und
fand sich pünktlich zur festgesetzten Zeit im großen Saal
der „Rose" zu Malsch ein, wo eine Kopf an Kopf ge-
drängte Menge, Arbeiter und Landwirte, mit Spannung
dem Beginn des Wettstreits entgegensah. Um 3'/. Uhr
setzte Redakteur Kolb („Volksfreund") mit einer groß
angelegten, die Argumente der Zollgegner völlig erschöpfen-
den Rede ein, wobei er es meisterhaft verstand, die zahl-
reichen Arbeiter durch kräftige Schlager und packende
Anmerkungen allgemein politischer Natur zu tosendem
Beifall hinzureißen. In Herrn Häfner („Landmann")
hatte er einen gewandten, ungemein schlagfertigen Gegner,
der in seinem wohldurchdachten, tiefgründigen Vortrag
die Notwendigkeit einer mäßigen Erhöhung der Getreide-
zölle überzeugend darlsgte, so daß die anwesenden Land-

Stadt-Theater.
^ Heidelberg, 30. März.
„Galeotto". Drama in 3 Akten und 1 Vorspiel
kach dem Spanischen des JosL Echegaray für die deutsche
Pühne bearbeitet von Paul Lindau.
. Es thut nicht gut, wenn ein älterer Mann neben seiner
Age» Frau einen jungen Freund ins Haus nimmt; das
sk eine Erfahrung, die in den verschiedensten Lesarten von
Amatischen wie von epischen Dichtern bearbeitet worden
Das Drama des spanischen Dichters demonstriert die
, »Haltbarkeit eines solchen Dreibundes hervorragend fein
2»d kunstvoll. Es führt keine Verschuldung vor, die
sstzen der drei Personen sind edel und rein; aber dann
At Galeotto, „das Gerede der Leute", in Thätigkeit,
ein wenig Unbesonnenheit und die Katastrophe schleicht
^kgsam, Schritt für Schritt, aber mit unheimlicher Sicher-
et näher. Der brave Ehrenmann stirbt an den Folgen
As Duells in dem Wahne, hintergangen worden zu sein.
. eine Verwandten weisen jenen Beiden die Thüre und
» ki't find die jungen Leute richtig so weit gebracht, wie
das Gerede der Leute haben wollte.
Es ist auffallend, daß dieses so sorgfältig und dabei
ko>? künstlerischer Freiheit und mit künstlerischer Reife
lAkonierte, wirkungsvoll durchgeführte Stück in Deutsch-
H d nicht den Anklang gefunden hat, den es verdient,
trifft hat es gestern, was die Zahl der Besucher be-
tei^t' nur eine schwache Anziehungskraft ausgeübt. Viel-
st schämt sich das liebe Publikum in dem Bewußtsein,

eben jener „Galeotto" zu sein, der vom Dichter verurteilt
und gerichtet wird.
Der würdige Don Manuel und seine junge Frau
Julia wurden von Herrn Rudolph und Fräulein
Herter gespielt. Es ist sehr anerkennenswert, wie Herr
Rudolph sich auch in solche alten Rollen hincinfindet.
Schon seine Maske war sehr gut gewählt. Er gab den
wohldenkenden, fein empfindenden Ehrenmann in allen
Situationen glaubwürdig und echt wieder. Der Ton
väterlichen Wohlwollens, der Ton des Zweifels wie der
Eifersucht und des tötlich verwundeten Ehrgefühls gelangen
ihm gleich gut. Auch Fräulein Herter hielt sich in ihren
Part, der eine ganze Skala von Gefühlsäußerungen um-
faßt, recht wacker und bot eine hübsche künstlerische
Leistung. Der Ernesto soll ein heißblütiger, leidenschaft-
licher Jüngling sein. Herr Bernau ließ diese Eigen-
schaften im Anfang vermissen. Er muß auch mehr auf seine
Stimme achten und den Ton klagender Resignation aus
ihr herauszubringen suchen. Ganz am Schluffe hob sich
seine Leistung, so daß er einen guten Abgang hatte. Als
Don Severo war Herr Weinmann wieder recht be-
friedigend. Er gehört zu den denkenden Künstlern, die sich
ihre Rollen zuerst genau verständnismäßig zergliedern,
womit schon die Hälfte gewonnen ist. In der Rolle seiner
Frau, der Donna Mercedes, genügte Fräulein Jelly.
Herr Birnbaum als Miguel frappierte beim ersten Auf-
treten stark. Sein junger beschränkter Dandy blieb auch
fernerhin in Kostüm und Auftreten eigenartig; aber daß
er das Wesen der Rolle erschöpft oder richtig aufgefaßt

1 hätte, kann man nicht sagen. Keines der Mitglieder des
diesmaligen Ensembles ist in seinen Gaben so wechselvoll;
bald bietet er Vorzügliches, bald fällt er ganz ab. Die
kleine Rolle der Wirtin war bei Fräulein Saldern
bestens aufgehoben. _ IV dl.
— Heidelberg, 1. April.
„Die Hochzeit des Figaro", Oper in 4 Aufzügen
von W. A. Mozart.
Eigentlich sollte unserm Theaterpublikum als
Abschiedsvorstellung der Oper Gounods „Margarethe"
vuiAo „Faust" geboten werden. Doch die bekannte Tücke
der letzten Vorstellung ließ nicht auf sich warten! Herr
San den, der den Faust singen sollte, wollte nicht und so
wurde denn die „Hochzeit des Figaro" eingeworfen, eine
Oper, bei der ebenfalls fast das gesamte Personal be-
schäftigt werden konnte. Dieser Tausch war eigentlich
nicht einmal ein schlechter, denn die beabsichtigte Besetzung
des Faust konnte schwere Bedenken erregen. Doch auch
die Aufführung des „Figaro" war nur durch Inanspruch-
nahme fremder Kräfte möglich, da Frl. He sch, die bisher
die Partie der Susanne vertreten hatte, durch starke Heiser-
keit am Auftreten verhindert war. Als Rettungsengel in
der Not erschien die Kammersängerin Mella Fiora aus
Mannheim, welche in dankenswerter Weise Frl. Hesch er.
setzte. Wie zu erwarten, war die Leistung, welche sie dar-
bot, eine Prachtleistung; mit ihrem sehr angenehme«
Organ verbindet die Künstlerin, welche auch der äußern
Vorzüge nicht ermangelt, ein außerordentlich lebhaftes.
 
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