Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 204 - 228 (2. September 1901 - 30. September 1901)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37097#0353

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Montag, 2. September 1901.

Giftes Blatt.

43. Jahrgang. — §r. 204.


Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit FamilienblSttern monatlich 50 Pfg. in'S HauS gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Psg. Durch die Post be.
zogen vierteljährlich 1.35 Ml. ausschließlich Zustellgebühr.
Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petttzeile »der deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
vorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Inserate auf den Plakattafelv der Heidelberger Zeitvng und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

SKSK!rKSKSK!SKA?SKI^SK?2?!SL?SKSN!SKSK!.S>
«"Äst
2-8
Entschließen Sie sich zu einem
D4
2-8
Probe-Bezug
28
der
^4
2-8
28
L)eioelberger
^4
28
^4
2-8
^4
2-8
28
für den Monat September
?Z4
^4
2-8
und Sie werden diese reichhaltige, billige Zeitung
H-4
2-8
für die Zukunft nicht mehr entbehren wollen.
D4
2-8
Unsere Träger und Zweigstellen sowie alle Post-
^-4
2-8
austalten und Briefträger nehmen Bestellungen
sZ4
2-8
28
entgegen.
H-4
)Z4
ST- ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ I ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^

Seltsames aus Serbien.
In Serbien beginnt die K ö n i g i n D r a g a wieder
an der Seite ihres jugendlichen Gemahls mehr öffent-
lich hervorzutreten. Das Königspaar will im west-
lichen Teil des Landes Huldigungen entgegen nehmen
und unternimmt deshalb eine Reise nach dort. Es
tritt am 9. September die Reise an. Sie geht über
Kragujevac nach Milanovac und Uzicc, also rein radikal
gesinnte Gegendei:. Kurzer Aufenthalt wird auch im
Torfe Lunyevica genominen, von dem die Familie der
Königin ihren Namen hernahm. Das Königspaar be-
gleiten Ministerpräsident Dr. Vuic und der Minister des
Innern Stefanovic. Die Reisedauer wird I 1 Tage er-
fordern.
Der König scheint seiner Gemahlin somit das Aus-
bleiben des so zuversichtlich angekündigten Storches
nicht nachzutragen. Aber noch mehr: Schon vor
geraumer Zeit tauchte in Belgrad das Gerücht auf,
K önig Alexander gedenke einen derbeiden
Brüder der Königin Draga zum Thron-
folger auszurufen. Nun tritt dies Gerücht abermals
aus und findet sogar in Hofkreisen Bestäti-
g:: n g. Der Auserwählte des Königs soll sein jüngerer
Schwager Leutnant Nikolaus Lunyeviza sein.
Großes Aufsehen erregen ferner die Vorkommnisse in der
Militärakademie. Der Direktor derselben wurde seines
Postens enthoben, weil er einen Neffen der Königin,
der Kadett ist, zurecht gewiesen hat. Diese Maßregel
verursacht in Offizierskreisen große Entrüstung. Der
König ernannte den General Lazarevits zum Direktor,
doch weigerte sich dieser nach dem Vorgefallenen den
Posten anzunehmen.
Wenn dies Alles sich bestätigt, daun stehen dem Kö-
nigreich neue Wirren bevor.

Anekdoten von dem Märchendichter Andersen
erzählt der französische Schriftsteller George Clemenceau
in einer Studie über den dänischen Dichter; für ihre
unbedingte Richtigkeit möchten wir keine Bürgschaft über-
nehmen. Der geniale Erzähler ist Zeit seines Lebens
ein wunderliches großes Kind geblieben. Man sollte
meinen, daß er auch ein großer Kindersreuud gewesen
sei. Im öffentlichen Garten von Kopenhagen aber sieht
man eine Statue von Andersen, die das Gegenteil be-
weist. Die Bronzestatue wurde zu seinen Lebzeiten er-
richtet. Der Dichter empfand diese Ehre sehr lebhaft.
Aber als man ihm den Denkmalsentwurf vorlegte, ge-
riet er in eine tolle Wut, als er bemerkte, daß der
Bildhauer um ihn Kinder gruppiert hatte. „Entfernt
das", schrie er „eillfernt das", Sie wissen doch, daß ich
die Kinder nicht leiden kann. Wenn Sie meine Statue
machen wollen, so setzen Sie wenigstens nicht Wesen um
mich, die mir unerträglich sind." Der Hauptcharakterzug
des Kindes ist der unbeschränkte Egoismus, der sich ganz
offenherzig kundgibt. Auch Andersen war vor allen
Dingen mit sich selbst beschäftigt, nichts schien ihm na-
türlicher, als alles auf seine Person zu beziehen, und
er zeigte das ganz naiv bei jeder Gelegenheit. Eines
Tages lobte man bei einem Diner Ibsen, der damals
Anfänger war. Nur Andersei: hatte beständig geschwie-
gen. „Teurer Meister, wir würden auch gern Ihre
Meinung kennen lernen," sagte die Hausherrin zu ihm.
„Meine Meinung, gnädige Frau, daß „:an zuerst von
einem gewissen Andersen sprechen müßte, der, wie ich
glaube, seinem Vaterlande einige Ehre macht." seine
ungeheuerliche, aber völlig naive Eitelkeit zeigte sich auch
darin, daß er Einladungen zu Tisch bei seinen'Freunden

Deutsches Reich.
Der Kronprinz wird nach seiner Rückkehr von
England bezw. Schottland in Potsdam eintreffen und
dort einstweilen Aufenthalt nehmen. AKdann begibt
er sich nach Königsberg, um der ain 7. September statt-
sindenden großen Kaiserparade beizuwohnen. An den
westpreußischen Kaisertagen wird der Kronprinz nicht teil-
nehmen.
— DieKronprinzessinSophievonGriechen-
land sieht, wie aus Cronberg gemeldet wird, demnächst
einem freudigen Familienercignis entgegen. Die Abreise
des Kronprinzenpaares von Schloß Friedrichshof ist auf
den 5. September festgesetzt; die Herrschaften kehren direkt
nach Athen zurück.
— Die Absage der Hcrbstparade ist nicht auf Rühr-
erkraiikungeu im Gardekorps zurückzusühren. Auch lie-
gen ihr keine politischen Motive zu Grunde. Sie er-
folgte vielmehr, wie die „Post" meldet, lediglich mit
Rücksicht auf die A r m e e t r a u e r um dieKaiserin
Friedrich, da es nicht angehe, daß das Gardekorps
am Sedantage init allen Abzeichen der Trauer vor dem
obersten Kriegsherrn in Parad« stehe. Auch sei zu be-
rücksichtigen, daß der Paradetag sich für die Truppen und
Offiziere stets zu eiirem Feste gestalte, indem erster«
bewirtet werden, während letztere ein Festmahl und eine
Gala-Vorstellung im Opernhause zu vereinig»: Pflegt.
Lediglich diese Gesichtspunkte Ware:: für die Abbestellung
der Parade maßgebend.
— Der im Alter von 80 Jahren verstorbene Herr
Diest - Daber wurde s. Zt. in der Oeffentlichkeit viel
genannt wegen seiner in der Mitte der siebziger Jahre
gegen den Fürsten Bismarck gerichteten Angriffe, die,
ini Sinne der sogenannten Aera-Artikel der „Kreuz-
zeitung" gehalten, gegen den Reichskanzler den Vorwurf
erhoben, daß ec mit der Börse, insbesondere dem Hause
Rothschild, in enger Verbindung stehe. Ein dieserhalb
gegen Diest-Daber angestrengter Beleidigungsprozeß
führte zu seiner Verurteilung. Herr von Diest machte
dann in jüngerer Zeit nochmals von sich reden, als er
aus einer Bündlerversammlung im Zirkus Busch an die
Minister die freundliche Einladung richtete: sie-können
uns — sonst was.
— Eine umfangreiche Aeuderung der Telegra-
phen - O r d n u n g hat der Staatssekretär des Reichs-
postamts Krätke erlassen. Das Wichtigste daraus ist, daß
Telegramme nach allen Orten aufgegeben werden
können. Ist an: Bestimmungsorte eine Telegraphen-
anstalt nicht vorhanden, so erfolgt die Beförderung von
der äußersten oder der vom Aufgeber bezeichnten Telei-
graphenanstalt entweder durch die Post oder durch Eil-
boten oder durch Post und Eilboten.
— Aus Vasel, 30. Aug wird gemeldet: Zwei hoch-
beladene Rollwagen brachten heilte das Gepäck der
chinesischen Gesandtschaft vom Bahnhof zum Hotel. Man
hatte es bisher in dein Sonderzuge belassen, der den
Prinzen und sein Gefolge von Genua nach Berlin
bringen sollte. Der auf dem Bahnhof verbliebene Son-
derzug besteht aus zwei von den schweizer Bahnen ge-
stellten Pullmanu-Wageu und einem vom Preußischen
Eisenbahnfiskus hergegebenen Salonwagen, der sonst
dem Kronprinzen und den: Reichskanzler für ihre Reisen
zur Verfügung steht. Zwei Gepäckwagen vervollstän-
digen den Zug. Unter den Reiseeffekten des Prinzen

sielen wegen ihrer riesigen Dimensionen vier mit gelber
Seide umkleidete Kisten aus. In der Umgebung des
Prinzen verlautet heute, daß er die in Berlin für ihn
eingerichtete Wohnung jedenfalls nur für kurze Zeit
innehaben dürfte. Seit sechs Tagen zum ersten Mal
gab es heute hier keinen D e P e s ch e n v e r k e h r
mit Berlin und Peking. Ein Herr aus der Umgebung
Tschuns glossierte diese Thatsache mit den Worten: „Was
zu sagen war, ist von beiden seiten gesagt worden, es
ist die Ruhe vor dem Sturm. Jetzt muß die
E n t s cheid u n g kommen!"
Kiel, 31. Aug. Auf dem Linienschiff Kaiser
Wilhelm der Große, dem Flaggschiff des Prin-
zen Heinrich, explodierte ein DamPfrohr. Das
Linienschiff gab die Beteiligung an den Flottenübungen
auf und ist zurAusbesserung inKiel eingelausen. Niemand
ist verletzt.
Baden.
K onstanz, 31. Aug. Oberstistuugsrat Hug hat
sich bereit erklärt, die Kandidatur für den Bezirk Üeber-
lin g e u - P s u l I e n d o r f wieder zu übernehmen,
unter der Voraussetzung, daß man bei der ihm zuzutes-
lendeu Arbeit auf seine gesundheitlichen Verhältnisse
Rücksicht nehme.
80. Karlsruhe, 1. Sept. Ten Reigen der
Wahlversammlungen eröfsnete in Karlsruhe die V o l k A-
Partei, welche gestern ihre Anhänger in den Kolose-
ums-Saal entbot, der sich etwa znr Hälfte füllte. Ein
großes Kontingent der Zuhörerschaft stellte die Sozial-
demokratie, deren Sprecher dem Hauptredner des Abends
Prof: Dr. Heimburger in der Herabsetzung der national-
liberalen Partei wacker sekundierte. Das a und das v dev
Redner bildete die W a h I r e ch t s f r a g e, in der den
Nationalliberalen nicht zu trauen sei. Am meisten ge-
spannt war man auf das Auftreten des neuen Kandi-
daten für Karlsruhe, des sozialdemokratischen Arbeiter-
sekretärs Katzen stein aus Mannheim, der in ruhi-
ger und sachlicher Weise sein Programm entwickelte, im
Gegensatz zu seinein Genossen Kolb, der die Wahlkreis-
einteilung in der Residenz scharf kritisierte. Da sich aus
der Versammluug keiu Widerspruch erhob, konnte die
letztere schon nach Inständiger Dauer geschlossen wev-
den.
— Wie nach der „Straßb. Post" aus zuverlässiger
Quelle verlautet, wird Stadtrat Wilhelm Fischer
in Freiburg nicht mehr als Zentrumskandidat für
den Landtag dortselbst auftreteu; Rechtsanwalt Kon->
st aut in Fehrenbach, gleichfalls Stadtrat, wird
auf deir Schild gehoben werden. Dieser war in früheren
Jahren bereits Mitglied der Zweiten Kammer und wurde
wegen seiner gemäßigten Haltung mit Lender und För-
derer beiseite geschoben. Innerhalb des Zentrums macht
sich der Widerstand gegen die Wackersche Leitung ent-
schieden geltend; der juristische Teil der Partei, bezw.
die Kammerfraktiou steht au der Spitze der gemäßig-
teren Richtung. Aus diesen Kreise,: ist auch, wie man
hört, die Zuschrift an die „Germania" hervorgegangen,
und die sozialdemokratische „Volksstimme" wird wohl
das Richtige getroffen haben, wenn sie anuimmt, daß
nicht in Karlsruhe, sondern in Bl a n n h e i m die Ur-
heberschaft zu suchen ist. Aus-dem nächsten Landtag
dürften die Herren Gießler und Zehnter, wie
unser Gewährsmann versichert, die Führerschaft über-
nehmen.

nur unter der ausdrücklichen Bedingung annahm, daß
ihm beim Dessert ein Toast dargebracht würde. Eines
Tages bereitete der König den: Dichter einen ausnahms-
weise liebenswürdigen Empfang, und zum Schlüsse des
Gespräches sagte er zu ihm: „Herr Anderseu, wenn es in
meiner Macht steht, etwas für Sie zu thun, so sprechen
Sie nur: es wird mir ein großes Vergnügen machen."
„Majestät", erwiderte Andersen, „ich nehme Ihr Aner-
bieten gern au. Wem: Majestät die Güte hätten, eine der
schönen Hofkarossen mit vier Pferden und Livröekutschern
mir zur Verfügung zu stellen! Ich wünsche schon seit
langem, in dieser Equipage deni armen Pastor einen
Besuch zu machen, der mich ehemals verachtete, weil ich
elend war, und mich auf die letzte Bank, in den dunkelsten
Winkel seiner Klasse setzte. Das wird meine Rache sein."
Auch furchtsam wie ein Kind war der große Dichter.
Er hatte stets eine Strickleiter unter seinem Bett, um in:
Falle einer Feuersbrunst fliehen zi: können. Die Angst,
lebendig begraben zu werden, quälte ihn in seinen Näch-
ten. Deshalb hatte er am Fußende seines Bettes eine
große Tafel aufgehängt, auf der zu lesen stand: „Ich bin
nicht tot. Ich bin in Lethargie." Jeden Abend, wenn
er schlafen ging, stärkte er sich durch diese Lektüre. Aber
sein beständiger Schrecken waren Leute, unbekannte na-
türlich, die er im Verdacht hatte, daß sie ihn: nach den:
Leben trachteten. Kein bestimmtes Ereignis rechtfertigte
diese Einbildung, aber Andersen sagte sich einfach, daß er
bei seiner Weitberühmtheit nicht verfehlen könnte, Neid
zu erwecke,:, der ihn den Mörder-Händen ausliefern
würde. Eines Tages erhielt er eine Sendung Konfi-
türen aus Südafrika. Diese Ehrung durch einen Bewun-
derer erschien ihm Verdächtig. Man wollte ihn äugen-

scheinlich vergiften.

eine große

'vksir-ns
LiLUorirvir
«Lioei-LLLc;

Leidenschaft für Konfitüren, was war da zu thun? Ec
verfiel auf einen Ausweg, der ihm der einfachste von der
Welt zu sein schien. Einige Töpfe mit der verdächtigen
Mischung wurden einer befreundeten Familie angeboteu,
mit der er seit langen Jahren besonders herzliche Be-
ziehungen unterhielt. Achtundvierzig Stunde,: später
stand er bei den so gütig Beschenkten an der Hausthür.
Als Andersen seine Freundin frisch und rosig sah, faßte
er einiges Vertrauen zu seinen Konfitüren. Plötzlich
durchzuckte ein schrecklicher Gedanke Andersens Gehirn:
„Vielleicht hat sie die Konfitüren gar nicht gegessen?"
Das mußte unverzüglich herausgebracht werden. „Liebe
gnädige Frau," sagte er sanft, „haben Sie meine Kon-
fitüren erhalten?" „Ja, lieber Herr Andersei:. Ich sage
Ihnen auch vielen Dank. Entschuldigen Sie nur, daß ich
nicht davon gesprochen habe. Ich war zu erfreut, Sie
zu sehen." „lind ... Sie haben sie gegessen?" „Ja,
zusammen mit den Kindern. Sie waren ausgezeichnet."
Bei diesen Wortei: atmete Andersen auf. Er konnte
also seine Konfitüren essen.
Kleine Zeitung.
— Hochschnlnachrichten. Unter allen deutschen
Staate,: weist das Großherzogtun: Hessen die verhältnis-
mäßig höchste Studentenzahl auf. Von de,: 32 952 deut-
schen Studierenden, die im verflossenen Sommersemester
die deutschen Universitäten besuchte,:, waren, wie die
„Hessischen Schulblätter" berechnen, 944 Hessen. Auf je
100 000 Einwohner kommen hier 81 Studentei:, wäh-
rend Preußen nur 56, Bayern 62, Württemberg 60,
Sachsen 68, Baden 65 zählt und die Durchschnittszahl
für das Reich 58 beträgt. Von den 994 hessischen Stu-
 
Annotationen