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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1902 - 31. Januar 1902)
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Donmrstag, 9. Jammr 1902.

Gkstes Blatt.

44. Jahrgaug. — 5r. 7.

Erscheint täglich, Sonntags ausgenomnien. — Preis mit Familienblättern monatlich 60 Pfg. in's Haus acbracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be»

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

Anzeigenpreis: 20 Pfg. die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschästs- und Privatanzcigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeiaen an bestimmt
vorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprcch-Anschluß Nr. 82.


Auch ein Zuöitäunu

Die „Kölnische Ztg." orinnert dciran, datz in diesein
Jahre ein halbes Jahrhundert verflossen ist, seitdem
Hannibal Fischer im Auftrage des Bundestags
die dentschc Rerchsflottc in Bremeu meitzbietend v e r-
steigerte. 1848 herrschte in allen deutscheu Gauen
Begeisterung sür die Schaffung einer nationalen Kriegs-
flotte. Freiwillige Sanunlungen ergaben Tausende von
Thalern. Die Frankfurter Nationalversammlung wählte
einen Marineausschutz zur Ausarbeitung eines Flotten-
gründungsplanes. Deutsche Kommissare bemühten sich,
englische und amerikanische Seeoffiziere zu gewinnen und
fremde .Kriegsschiffe anzukaufen. Die deutsche Flotte
follte 37 Kriegsschiffe und Kriegsfahrzeuge zählen. Auf
dem Papier war alles schön und gut. Thatsächlich fehlte
es aber an Schisfen, Manuschaften und Geschützen. Das
vorhandene Schiffsmaterial lag unfertig da. Erlittene
Schäden wurden nicht ausgebessert. England erkannte
die deutsche Kriegsflagge nicht an, und Preußen ließ
seine Kriegsschiffe unter eigener Flagge fahren. Bei dem
überstürzten Vorgchen fehlte es bald an Geld. Die
deutsche Zentralgewalt entschloß sich 1852 zur Auf-
lösung der Flotte, und Hannibal Fischer als Beauftragter
des Bundestags ließ Schiff auf Schiff verkaufen. Unter
dem Hammer des Auktionärs verschwand, nachdem Preu-
tzen die' vor Eckernförde erbeutete Fregatte Gefion und
die Corvette Barbarossa erworben und gerettet hatte,
die nationale Flotte für 432 800 Thaler. Das war
vor 50 Jahren, als noch die Raben nm den Kyffhäuser
krächzten. _

Deutscher Meichstag.

Berlin, 8. Januar.

Präsident Graf Ballestrem cröffnete, nach dcm Be-
i'cht der „Straßb. Post", die Sitzrng um 2" Uhr und
stchrt davn fort: Jch erlaube mir, die Herren bei Beginn
des neuen Jahres herzl ch zu begrüßen und dcn Wnnsch
duszusprechen, daß das neue Jahr ein günstiges gescgnetcs
kür djx gemeinsame Arbcit zum Wohle dcs Vaterlandcs
Und auch für jedcn Einzeluen scin wöge. Das ist mein
Uufrichtiger Wunsch. (Bravo!)

Es folgt eine große Rcihe gcschäftlicher Mitt ilungen
Und sodann die erste Beratung des Reichshaus-
daltsctats für 1902 in Berbindung mit dcr ersten
Beratnng dcs Etats sür die Schutzgebiete.

Staatssekretär Frhr. v. Thielemann. erläuterte in
mngerer Darlegung den Etat. Als er im verslossenen Jahre
^se Finanzlage nicht günstig habe darstellen körmen, sei er
brclfach der Schwarzmalerei beschuldigt worden. Zu seinem
^edauern habe cr aber damals Recht gehabt. Während der
-sahrc 1898—1899 scien die Einnahmcn gestiegen, seitdem
Acr gefallen. Dcmgemätz müsse bei Aufstcllung des neuen
^tats darauf Rücksicht genommeu werden. Die Einzelstaaten
tonnten cine Erhöhung der DtatrikuIarLPträge nicht mehr
Uragen; sie hätten schon schwer an der Rcgelung dcr eigenen
tlUianzen zu arbeiten. Am schlimmstcn stehe cs in dieser Be-
chehung mit dcn kleinen thüringischen Staaieu. Der Staats-
üüetär geht die Eimiahmcquelleu des Etats für die Jahre
189g—1899 durch. Er ist auf der Tribüne fast unverständ-
l'ch. Jm Hause herrscht Unruhe und Unaufmerksamkeit. Dcr
Mäsidenl vittet wicderholt um Ruhe. Redner betont, datz

Etat sür 1900 sich schlechter als der vorige stelle, datz aber
^er Etat für 1901 der schlechteste seit langer Zeit sei. Der '

Etat für 1902 sei in den Ansätzen sehr vorsichtig, trotzdem
balanciere er nur mit Mühe. Redner berührt die Arbcits-
losigkeit und kommt auf die Jnterpellation Arendt zu sprechen.
Er sagt dabei, er müsse den ihm verdachten Ausdruck, datz der
Jiivalidenfonds bankerott sei, aufrccht erhalren.

Graf Stolberg (kons.): Wir hätten die erste Lesung
des Etats noch vor Weihnachter erledigen sollcn. Jetzt drängt
die Zeit. Das wirtschaftliche Leben verläuft in Welleu uud
Bergeu. Man müsse nur wüuschcn, datz die Berge nicht zu
hoch und die Wellenthäler rncht zu tief Iverden. Die schlimmste
Erscheinung der jetzigen Krisis sei die grohe Arbeitslosigkeit
in den Städten. Der BanksUirz stärke die Krisis uoch. Auch
in diesem Etat fiude die Krisis ihren Ausdruck. Einer Erhöh-
ung der Nkatrikularbeiträge stehen starke Bedenken gegenüber.
Wir werden an neue Einnahmequellen dcnken müsseu. Wir
haben in crster Linie die Mehrerträge des neucn Zolltariss.
Sollte dieser nicht zustande kommen, so müssen wir an die
Erschlietzung anderer Einnahmcquellen denken. Der Redner
begrüßt noch die gute Beendigung der Chinaexpedition, dic be-
wiesen habe, datz nnsere Armee noch.anf gleicher Höhe stehe
wie 1870 und weist die ChamLerlainschen Aenherrmgen zu-
rück.

Hierauf spricht der R e i chs k a n z l e r.

Der Reichskanzler Graf Bülow führt aus: Der Vor-
redner berührte in seirien Ausführungen dic Aeuherung, welche
vor ciniger Zeit ein englischcr Minifter übcr das Verhalten
des deutschen Hecres im deutsch-französischen Kricge gemacht
hat. Jch glanbe, wir werden allc darüber cinig scin und
meine, cs werden auch alle verständigen Leute in England mit
rms darüber einig sein, datz wenn der Minister sich gezwrmgen
sieht, seine Politik zn rechtfertigen — und das kann ja
vorkommen — datz cr dann wohlthut, dasAns-
landaus demSpiele zu lassen. (Sehr richtigl)
Will er aber doch fremdländischc Beispiele heranziehen, so
empfiehlt cs sich, dieses mit großer Vorsicht zn thun, denn sonst
läuft er Gcfahr, nicht nur mitzverstandcn zu werden, sondern
auch, ohne zn wollen, wie ich im vorliegenden Falle anneh-
men will, und nach dem, was mir von anderer Seite versichert
wird, annehmen muß, fremde Gefühle zu verletzen. Das ist
aber nm so bedauerlicher,wenn es einemMnister passiert.gegen-
übcr einem Lande, das mit dem.icinigen wie der Vorrcdner
rnit Rccht hervoryoo, stets gute und freundschaftliche Be-
ziehnngen unterhalten hat, deren ungetrübte Fortdauer gleich-
mätzig dcm Jnteresse beidcr Teile cntspricht. (Zustirmnnng.)
Es ser dnrchaus begreiflich, wenn in einem Volke, das wic das
dcntsche mit seinem ruhmreichen Heere so verwachsen ist, das
allgcmeine Gefühl sich gcgeu derarrige Aeußerungen mrf-
lehnt. Das deritsche Heer steht viel zu hoch, als datz es durch
dicse Urteile berührt werden könnte. Man kann hier mit Fried-
rich dem Großen zu Angriffen auf die preutzische Armee sagen:
„Laßt dcn Mann gewähren und regt cuch nicht auf; er beiht
auf Granit." Was den Dreibund angehe, so habc es allerdings
gewisse Leute gegeben, die ihn zu begraben wünschten, und
cs gcbe auch noch immer solchc. Trotzdem erfreue
cr sich aber des besten Wohlseins und man könne
getrost die Hoffnung hegen, datz er ihm wie anderen Totge-
sagtcn gehen und er recht lange am Leben bleiben werde. Ein
kleiner Teil der deutschen Presse habe in den letzten Tagen
anlätzlich der deutsch-französischen Abmachungen eine gewisse
llnrnhe gezeigt — zu llnrecht. Jn einer Ehe mutz die Frau
nicht gleich einen roten Kopf bekommcn, wcnn der Mann
cinmal eine Extratour mache. (Große Heiterkeit.)

Abgeordneter Dr. S ü d e k u m (Soz.): Man müsse ent-
schieden bei dem Mlitär- und Marineetat sparen. Rcdner
bespricht dann verschiedene Vorfülle aus dem militärischen Le-
ben der letztcn Zeit, die deutsche Chiuaexpedition, die Sühne-
gcsandtschaft, die Fortführung der Jnstrumente der Pckinger
Stcrnwarte, die Anstellung des bayerischen Hmrptmanns v.
Feilitzsch in der preußischen Arrnee usw.

Dcr bayerische Militärbevollmächtigte v. Endres: Der
Vorrcducr sci uoch zu jung, nm letztcrcn Fall bcurtcilcn zu
können. Troh kleiner Diffcrenzcn habe in den grohen Prin-
zipienfragen doch immer vollkommene Einigkcit geherrscht.

Nach einer Erwiderung des Dr. Südekum- (Soz.) be-
tont General v. Heeringen, wer die Armee kenne, dem leuchte
es ein, datz Vorredner Unrichtiges behaupte. Uebrigens ser
in der Sache bereits Strafantrag gestellt worden.

Morgen 1 Uhr Weiterberatung.

Bade».

L. 0. Karlsruhe, 8. Jan. Die zu Folge des Be»
schlusses der Zweitcn Kammcr zu dem Antrag des Ab-
geordneicn Zehnter und Gcnossen aiigestcllten Erhebunge»
haben ergeben, daß in der That noch in verschiedenen Ge-
meinden dcs Landes cin Bcdürfnis nach Erleichterung
der Beziehung ärztlicher Hilfe besteht und daß, um
armen Gemeinden im Sinne dieses Aniragcs Unterstützung
zu gewähren, ueben dem bishcr für diesen Zweck au-
geforderten Betrag von 7000 Mk. noch eine Summe von
vorerst mindestens 8000 Mk., im Ganzen also von jähr-
lich 15 000 Mk., erforderlich scin würden. Aus dicseo
Snmme sollen nicht nur die bishcr an einzelne Gemeinden
gewährten festen Staatsbciträge zur Gewinnung bezw. Ec--
haliung eines Arztes weiter bestritten und in dazu gee!g-.
neten Fällen weitere Zuschüsse zu gleichem Zweck aus-
geworfen werdcn, sondern es soll auch für solche arme
Gemeinden, in dcnen dic ärztliche Hilfe sich wescntlich höher
ftellt, als am Sitze des Arztes, in welchen aber eine Mehr--
zohl von Acrzten die Praxis ausübt, die Beziehung ärzt--
licher Hilfe in der Weise erlcichtcrt werden, daß unter
grundsätzlicher Anerkcnnung der sreien Aerztewahl und der
Vergütung der Einzelleistung die Reisekosten der Aerzte gaM
oder teilweise aus dem der Gemeinde unter der Voraus-»
setzung der Aufwendung eines entsprechenden Betrags auK
Gcmeindemitteln zur Verfügung zu stellenden Staatsbei--
trag bestrittcn werden.

L6. Karlsruhe, 8. Jan. Der Gesetzentwurf betr.
Aenderung des ElemtarunterrichtsgesetzeL
nimmt zunächst die Beschlüsse des vorigen Landtags bezüg-
lich des ß 38 (Organistcn-Paragraph) wieder auf, wie sie
aus der Beratung der 2. Kammer hervorgingen. Jm
Weiteren enthält dcr Entwurf Bestimmungen, die cine
Besserstellung der Lehrcr bezweckcn. Dicselben schen vor:
1. Eine Einweisung in das Tarif-Soll nach dem Gesetz
vom 17. Sept. 1898, d. b. cs sollen die älteren Lehrer
so gcstcllt werdcn, wie weiin ste Zhre Dienstzeil ganz untcr
jencm Gesetze durchlaufen hätten. 2. Eine Erhöhung drr:
Aktivitäisbezüge dcr Hauptlehrer in Form einer Dienst-
zulage von je 100 Mark. 3. Zugskosten im Sinnc der
Wünsche des lctzten Landtagcs. 4. Festsctzung dcr Ver->
gütung dec nichl etatmäßigen Lehrec vou 900 auf (event.)
1100 Mark. Dos Wohnungsgeld anlangend, wiro verr
Jnhabern von Dienstwohnungen bei Berechimng des Ein-
kommensanschlags (Ruhegehalt) der Satz der 1. Ortsklasse
der Dienstklosse 6l bercchnet. Für Lehrer, die keine Dienst-
wohnung haben, wird eine Wohimngsgeld-Entschädiguiig
sestgcsetzt nach den örtlichen Mietpreisen. Die Entschädigung
soll nicht uritcr dem Wohnungsgeld der Dienst'lasse G
beziehungsweise der betreffenden Orlsklasse bleiben. Ler-
gleicht man diesen Entwurf mit der Wohnungsgeldvorlage
der Beamten, so entspricht dcr finanzielle Effckt mit
030 000 Mk. im Verdällnis^ dem Mehraufwand, den die

Stadttyeater.

Heidelberg. 9. Jan.

^ ie Geisha . Operctte von Sidney Jones.

,Seitdem vor anderthalb Dezennien der „Mikado" seincn
^riumphzug dnrch die Welt begonnen und jnnge und alte
Hrrzen, soweit sie nicht in philiströscr Sprödigkeit wider-
Mriden. durch scine liebenswürdigen Klänge gcfangen nahm,
es natürlich nicht an Nachfolgcrn nnd Nachahmcrn gefehlt,
^elche das Gebiet, welches jener erschlossen, mit mehr oder
reuiger Glück zu bebauen und auszunutzen versuchten. Zn den
^rtaus berufensten derjenigen, welche der Spur Sullivans
Zigren, gehört unstreitig sein Landsmann Jones, dessen
"üapanischc Thechaus-Geschichte" denn auch jetzt wie übcrall
^ beivährtcs Zugstück unseres Theaters geworden ist. Das
Vjiänglich amüsante spärer aber recht langweilig werdcnde Su-
(Z,wird durch den cxotischen Hintergrund, die in reichlichcr
l^^se verwendcten Tänze, Gruppierungcn und Fächerspiele
^stast, dem bekannten Muster des Urbildcsl) und das Her-
hVZiehen dcs europäischcn Elements gehoben und belebt; wo
T Handlung gar nimmer vorwärts will, stcllt irgend ein Lied-

cheu

y, zu rechter Zcit sich ein nnd da zum Glück der Komponist
j jt>ohl auch cr gar oft nach seinem „berühmtcn Muster" arbei-
nicht nur dem Textdichier um ein Bedeutendes überlegen
-sll' londern eine recht niedliche, fein instrumcntierte Musik zu
f??(siben weitz, so können wir gut vcrstehen, warum die „Gei-
^ überall ein gern gcsehcner freundlich aufgcnommencr
ist nnd wohl auch eine Zeit lang bleiben wird. Wenn
"" Originalität, an Grazie nnd mclodiösem Reize dem
dOZkado" nicht gleichkonynend, weist die Operette Jones'
svm. Reihe allcrlicbstcr Misikstückc auf, von denen be-
die zahlreichen Chöre wertvoll sind, wic z. B. der
tz-°unungschor und das „Klagclicd". Unter den vielen einge-
^.fPen Licdern dürften vor allem das bekannte „Wie einst-
zxZ's.ich satz" der Mimosa, daim aber namentlich das Spiel-
bh, Lied vom Papagei und das burleske „Chin

llainann" hervorzuheben sein, während die ernst gehaltencn

mcist einen Stich ins Sützlichsentimentale haben. Wenig
gclungen sind die Ensemblenummern geraten. Da ist nicht eine
einzige Nummcr, welche sich auch nur annähernd dcn ent-
zückende Mädchenterzetten oder dem „Madrigale" ini „Miika-
do" an die Seite stellen dürftc.

Das hübsche Werk hat auf unserer Bühnc eine hervor-
ragend guke Ausstattimg erhalten imd alles wurde gerhan, es
mit dem farbenprächtigen Rahmen zu umgeben, welcher bei
derartigen Stücken unerlnszlich ist. Dah auch die Ansführung
im Ganzen wie im Einzlnen einc tüchtige ist, war bei dem
heurigen guteu Standc unserer Operekte zu crwarten. DiePartie
dcr Mimosa liegt Frln. Koppenhöfer, abgesehen davon,
datz man sich diese kleinc Japancrin noch zierlicher imd puppen-
hafter denken kann, vortresslich nnd lietz kanm etwas zu wün-
schen übrig. Die Seeoffiziere sind, wie überhaupt die ganze
englische Gesellschaft, recht schablonenhaft gehalten. Herr
Sorelli thut alles, um eine slotte Pcrsönlichkeit aus dem
Leutnant Reginald zu niachen nnd schuf wie immer eine
sympathische Figur. Jm Gcsange hüte er sich vor dem For-
cicrcn, es ist gerade bei scincr Stimme doppelt gefährlich.
lintcr seincn Kameradcn ist besonders der drollige Kadett
des Frln. Kögl zu nenueii. Ein wenig mehr englisches
Lokalkolorit dürste all diesen Offizieren nicht schaden! Die
Ladys wurden von den Damen Jelly, Herter, Schön-
berg und Müllcr entsprechend gegeben. Letztere führte
ihre imifangreiche Rolle stimmlich vortrefflich durch uud stat-
tete sie mit gutcm, wenn auch kräftigem Hunwr aus. Eine
„niedliche klcine Mtz" sieht im Leben allerdings ganz anders
aus; dcsglcichsn wäre der Juliette (Frl. Jungmann) ein
wcnig mchr Esprit frcmcaise zu wünschcu. Die einzige ori-
ginelle Figur des ganzen Stückes, der Chinese Wun-Hsi, welcher
leider gegcn dcn Schliitz zu spurlos vcrschwindet, fand in
Herrn G r o tz m a n n einen ganz ausgezcichnetcn Vertreter.
Seine groteske, aber dabei vollkommen natürliche Komik, die
irotz ihrer Tollheil nie das Matz übersckireitet, wirkt in hohem
Grade belustigend. Auch Herr Schneider niachte aus der
ziemlich farblosen Rolle des Marqnis Jmari, eincm schwachen

Abklatsch des „Mi-ka-do", soviel wie möglich, besonders auch'
in der Maske, im Gegensatze zu Herrn Winter, welcher sich
als japanischer Artillerieoffizier von einem Tyroler Kaiser-
jägerleutnant nur durch die Uniform unterschied.

Nicht den geringsten Anteil am guten Gelingen der Operette
haben dicsmal die Chöre, welche rcin und sicher klingen, wie
überhaupt die Vorstellung den Eindruck von guter Vorbe--
reitimg und tüchtiger Leitung hinterlätzt, was wohl zum
großcn Teilc dem Kapellmcister Herrn de Klark, zuzuschrei-
ben ist. O. S.

4. Konzert des Kairn-Hrchesters.

HeiLelberg. 9. Januar.

Die uns in diescm Winter gegebene Gelegenheit, ver-
schiedene Orchestervereiniguiigen zu hören, chrachte cs mit
sich, datz wir die Brahmssche Sinfonie E-moll zweimal, im No--
vembcr von den Meiningern und heute vom Kaimorchester dar-
gcboten erhielten. Es hat das sein Jnteressantes, da bei im
Ganzen gleich vorzüglichen Orchestern und hervorragenden
Dirigenten sich doch gar manche Abweichungen in Auffassnng
und Ansführung ergeben. Jn einem Pimkte jedenfalls über-
ragte die frühere Aufführnng die heutige, die Blasinstrumente
spieltcn im allgemeinen reiner und tonschöner, denn nament-
lich das schönc, echt Brahmssche Thema des Andante fand
heute durch das Horn eine bedenkliche Wiedergabc. Mit Kraft
und Leidenschaft wurde dagegen der bedeutende erste Satz
vorgetragen, in das Allegro giocoso so vicl Fröhlichkeit gelegt,
aks bei Brahms möglich ist, und auch das weniger phantasie-
volle, als ergrübelte Finale thunlichst zur Geltung gebracht.

Die hieranf gespielte Ouverture zu Shakespearcs „König
Lear" von Berlioz, komponicrt 1831, ist unseres Erachtens
eines seiner schwächeren Werke, triviale und doch oft gesuchte
Gedankcn, grell nnd lärmend instrumentiert, geben auch
nicht im Eiitferntesten einen Begriff von der gewaltigen Tra-
gödie dcs grotzen Briten. Vor allem verdient das Werk nicht
 
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