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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-124 (1. Mai 1902 - 31. Mai 1902)
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Mitwoch. 7. Mai 1902

ZwcLtes Blatt.

44. Jahrgang. — isr. 106.

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebrocht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Posr be.

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bcstimmt
vorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Hcidelberger Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Femsprech-Anschluß Nr. 82

SLadLrätliche Workagen an den Mürger-
Ausschuß.

Jn Nachstehendem geben wir einen ausführlichen Auszng aus
den ersten drei Vorlagen des Stadtrats.

Vorlage 1 bctrifft die Erwcrbung von Grundstücken im
Bergheimer Baubezirk. Mit Ler Uebernahme des seinerzeit
vom Portland-Cementwerk geräumten Gelänües crwarb die
Stadtgemeinde unter anderm anch Ivestlich der Kirchstratzei und
nörölrch von dcr Vangerowstraße ein Areal, das im Ikorden
an bie neu aufgeschüttete Uferstratze grenzt und einen Flächen-
i inhalt bon ungesähr 50 Ar besitzt. Jn dicses Terrain
springen nnn in einer wenig bequemen Weise vier kleinerq
Privatgrundstücke ein, mit Nr. 4387—4390 bezeichnet, im
! Gesamtflächengehalt von 15 Ar 30 Quadratmeter. Ein Teil
! des Areals dieser Grundstücke, zusammen 2 Ar 20 Ouadrat-
! meter, wurde von der Stadt bercits im vorigen Jahre bei
Herstellung der Vangerowstratze erworben, als die fraglichen
Stücke gelegentlich dcr Vorbereitungen zum Schllhenfeste mit
Zustimmung ihrer Eigentümer in widerruflicher Weise dem
Feftplatze zugcschlagen und bis zu dessen Höhe aufgefüllt wor-
den waren. Bei diesem Anlassc zeigte es sich so rccht, wie
wünschenswert es wäre, diese Stücke mit dem benachbarten
städtischen Besitze zu vereinigen. Wir Ivürden es deshalb be-
grützen, wcnn uns dcren Crwerbung zu einem angemessenen
Preise gelänge.

Die Eigcntümer der beiden mittleren Stücke Nr. 4388 und
4389, die Landwirtc Adam und Michael Kreckel, sind bereit,
dieselben um den Preis von 20 Mark für den Ouadratmeter
an die Stadt abzutreten. Sie haben sich als Miteigentümer
des östlich angrenzenden Stückes Nr. 4390 auch bereit erklärt,
ihre Antcile an diesem Stückc unter der gleichen Bedingung
an die Sradt zu übcrtragen, indcm sie die baldige Beibringung
einer glcichen Crklärung scitens des dritten Miteigentümers,
der in Karlsrühe lebt, in Aussicht stellten.

Selbstverständlich hätte dcr Stadtrat mit dem Ankaufe der
brei bisher bezeichnetcn Stückc gerne zugleich auch das vierte
Nr. 4397 zur Erwerbung vorgeschlagen. Der Preis, den
dessen Eigentümer fordert, ist aber zu hoch, als dah er dessen
Annahme dem Bürgerausschusse empfehlen könnte.

Der Antrag des Stadtrats geht dahin:

Verchrlichen BLrgerausschutz wolle ihn zum Ankauf der
Liegenschaften Jr. 4388—4390 des Güterverzeichnisses er-
mächtigen und genehmigen, datz die Kaufpreise im Gesamt-
bettage von 26 200 Mark aus Anlehensmitteln bestritten
werdcn.

Borlage 2 betrifft die Vcrlcgung dcr Waggonfabrik, spe-
ziell die Bebauung des frcigewordenen Geländes. Der

Stadtrat führt aus:

Die Waggonfabrik hat sich bekannilich entschlossen, ihren
Bctricb von hier nach Kirchheim zu verlegen, welche Matz-
nahmc inzwischen zum grötzten Teil bereits in Vollzug gesetzt
ist, so datz das von der Fabrik bisher auf hiesiger Gemarkung
eingenommene Gelände in Bälde einer Bebauung mit Wohn-
häusern cntgegcngcführt werden kann.

Der Eigentümcr des fraglichen Terrains, Privatmann und
Stadtrat Karl Fuchs, hat uns denn auch unterm 8. v. Mts.
einen Plan nebst zugehöriger Beschreibung vorgclegt, nach
welchem eine zugleich auch den öffentlichen Jnteressen dienende
Bebauung des genannten Gebietes erfolgen könntc. Darnach
sollen in dcm freigelegten Fabrikgrundstücke, dessen Flächen-
inhalt ca. 200 Ar beträgt, vier neue Stratzen erstellt
werden. Zunächst soll die schon seit dem Jahre 1872 im Plane
liegcndc Blumenstrahc zwischen Häusser- und Landhaussttatze
zur Durchführung kommen. Sodann soll im nördlichen Teile
des Anwesens die bisher nur bis zur HLusserstratze sührende
Bunsenstratze cine Vcrlängerung bis zur Landhaussttatze er-
fahren. Beide Stratzenzüge sollen die übliche Breite von
13,50 Mcter crhalten. Zwischen denselben ist in südnördlicher
Richtung cine neuc, 9 Mcter breitc Verbindungsstratze ge-

Auf abschüssiger Bayn.

Roman von B. Corony.

(Fortsetzung.)

„Jtzt du denn nicht mit?" fragte Reiner.

„Nein," crwidertc sie trotzig.

„Warum nicht?"

„Weil cs mich kränkt, datz du nicht zum Vogelschictzen
gehen willst."

„Mir sind solche Bclustigungen zuwider."

„Sag' lieber, du traust dich nicht, weil dcr Herr Ober-
förfter da sein und dich mit mir sehen könnte."

„Albernheitl Komm herl"

Sie rührte sich nicht.

Zornig sprang Just auf und grifs nach seincr Mütze.
„Mcinctwegen, dann danke ich auch für das Abendbrot!"

„Jst das ein Lcbenl Jmmer Zank und Streit. Jetzt
hab' ich's aber satt mit euch beiden," grollte die Alte.

„Wenn ich ihm doch nicht gut genug bin, Muhme! Wenn
er sich mciner schämtl" schluchzte Gertrud.

Schon auf der Schwelle stehend, wandte er sich wieder
um und kehrte langsam zurück. „Schwatze. nicht so dummes
Zeug l Es ist mir nie eingefallen, mich deiner zu schämen. Jetzt
heiht es nicht mehr: das ist Mathias Marburgs Tochter, son-
dern: das ist Just Rciners Frau. Und wer dich auch nur
schief ansehen wollte, dem würde ich mit der Faust ins Gesicht
schlagen s"

„Ja, ja, und damit du nicht ctwa in die Lage kommst,
das thun zu müssen, darf ich nirgends hin, wo sich andere
vergnügen. — Setz' dich nur wieder an den Tisch. Es ist
schon vorbei. Jch rede nichts mehr vom Vogelschietzen. Um
meinetwillen soll dich keiner über die Achsel anschen. Jch
bleibe daheim."

„Wir gehen doch hinl"

plant, von deren Miite aus nach Osten ziehend bis zur
Häusserstratze cine platzartige Anlage von 23 Meter Breite
reichen soll.

Die Bebauung dieser Straße ist in der Weise gcdacht,
datz in dem südlich von der Blumensttatzc gelegenen Terrain
und in den beiden südlichen Baublöcken zwischen Verbindungs-
sttatze und Häusserstratze die offene Bauweise Platz greifen soll
unter Freilassung entsprechender Vorgättcn. Die Ostseite des
länglichen Baublockes zwischen Landhaus- und Verbindungs-
straße soll mit nur zweistöckigen kleincren Wohnhäusern in
abwechselnder Architektur besetzt werden.

Datz die Erschlietzung eines dcrartigcn Bauterrains und
vor allem auch die vorgeschlagene Art seiner Bcbauung im
Jnteresse unseres Rohrbacher Viertels in hohem Matze zu be-
grühen wäre, bedarf keiner weiteren Darlegung. Wir hielten
es deshalb für wünschenswcrt, diesen vom Eigentümer aufge-
stellten Plan nebst seinen Baubedingungen in jeder Hinsicht
festzulegen. Der Eigentümer hat sich mit einem solchen Vor-
gchen einverstanden erklärt. Er hat sich weiter auch bereit-
willig gezeigt, seine aus früheren Verhältnissen herrührenden
Änsprüche hinsichtlich der Stratzenkostcnbehandlung endgiltig,
und zwar in einem der Stadt günstigen Sinne, zu regeln.
Zu dem Behufe hat er uns den Vorschlag gemacht, die Stadt
möge sich alsbald mit der Uebernahme des gesamten auszu-
scheidenden Stratzengeländcs im Flächengehalt von 53 Ar 25
Ouadratmeter zum Einheitspreise von 10 M. für den Quadrat-
meter einverstanden erklären und ihm nur für den mittleren
Baublock zwischen der Verbindungssttatze und der Häusser-
straße, in welchcm scin Wohnhaus stehe, Befrciung von
Stratzen-, Kanal- und Gehwegskosten einräumen, wogegen er
nichts einwenden wolle, wenn für die übrigen Teile seines
Besitztums der übliche Beizug zu den Skratzenkosten usw.
erfolge. Die in dieser Hinsicht früher getroffenen Verein-
barungen sollen damit hinfällig werden. Die Herstellung der
einzelnen Straßen könne dann in der Weise geschehen, datz
zunächst mit der Eröffnung der Blumenstratze der Anfang
gemacht werde, deren Ausführung auch am meisten im allge-
meinen Jnteresse gelegen sei. Die Zahlung des Kaufpreises
für das zu erwerbende Strahengelände hätte abteilungsweise,
jeweils nach Uebergabe des betreffenden Stratzenstückes zu
erfolgen.

Für die Stabt würde die Annahmc dieses Vorschlages,
was die Geländeerwerbung angeht, eine Ausgabe von 53 250
Mark verursachen, die sich aber wohl auf zwei, vielleicht so-
gar auf drei Jahre vetteilen würde. Dazu kämen noch die
Aufivendungen für die Stratzcnherstellungen selbst sowie für
die Kanalisation und Gchweganlagen, welche sich insgesamt auf
35 000 M. berechnen dürften. Weitaus der grötzte Teil
dieser Kosten würde aber bei Anwendung des hier üblichen
Beizugsverfahrens und zivar, da für das freigelegte Terrain
eine rasche Bebauung zu erwartcn steht, in aller Bälde wieder
eingchen, so datz die dcfinitivc Belastung der Stadt keine er-
hebliche werden würde.

Was die weitere Behandlung der Sache angeht, so wären,
da die Herstellung dcr neu zu eröffncnden Stratzcu, wic er-
wähnt, nach und nach erfolgcn soll, zunächst nur die Kosten
für die Geländeerwerbung im Gcsamtbettage von 53 250 M.
zu bewilligen. Dieselbcn solltcn, zumal sie auch nicht in einem
Jahre bezahlt werden müssen, aus Anlehensmitteln bcstritten
werden. Von den cigcntlichen Herstellungsarbeitcn kämen für
die nächste Zeit nur diejcnigen der Blumenstratze in Betracht,
da wir entschicdcn Wert darauf legen, daß die schon so lange
begehrte Verbindung der bciden Teilstrccken dieser Stratze
möglichst bald zur Ausführung kommt. Dabei wird Lbrigens
dem wcstlichen Teile dieses Stratzenzuges, welcher jetzt die
Bezeichnung „Neuschulhausstratze" trägt, wieder der frühere
Namcn „Blumenstraße" bcizulegen sein, da der bisher für die
getrennte Bencnnung matzgebende Grund dann weggefallen
sein wird. Die Kosten der Herstellung dieser Strccke, die
schon seit längerer Zeit mit einem Kanal versehen ist, werden

Sie schüttelte den Kopf und trocknete sich die Augen.

„Latz nurl Mir ist die Lust vergangen. Es war das letzte-
mal, dah ich dich um so was gebeten habc."

„Jch sage aber: wir gehen! Und nun keine Widerrede mehr
odcr mir reitzt cndlich die Geduld! Setz dich hin!"

Seine Faust fiel so heftig auf den Tisch, datz Gläser und
Teller klirrten.

Gertrud gehorchte mit halb ängstlicher, halb trotziger Mienc.
Zuweilen warf sie einen scheuen Blick auf Reiner, aber schon
blitzte es wieder in ihren dunklen Augen vor Lebenslust und
Freude und cndlich begann fie Just zu umschmeicheln, wie
eine Äatze, legte ihm die besten Bissen vor und flüstette zärt-
liche Neckereien in sein Ohr.

Er liebte das junge Wcib zu leidenschaftlich, um lange
mürrisch zu bleiben; nach verschiedcnen mitzlungenen Ver-
suchen, ihr noch länger zu grollen oder wenigstens den Schein
zu wahren, als thue er es, zog er sie dicht an sich und kützte
ihren roten Mund.

„Wenn du so zu mir bist, Trude, dann könnte ich für
dich den Mond vom Himmel reitzenl Jch hab' dich ja so gern,
so gern —"

„Und ich hab' so lange nicht mehr getanzt. Komm —
probieren wir einmal, ob's überhaupt noch gehtl"

Sie lief zu dem buntbcmalten Schrank und holte eine alte
Zither.

„Da! Spiel auf, Muhme! Du weitzt ja eincn Walzer
auswendig I"

„Was dir nicht einfällt! Das bischen Klimpern hab' ich
längst verlernt", erwiderte die Katten-Lore verdriehlich.

„Versuch's nurl"

„Jch mag nicht! Lah mich zufrieden mit dem dummen
Schnickschnackl"

„Na, meinetwegen. Dann singe ich dazu. So leicht geht
mir ja der Atem nicht aus,"

Lustig trällernd fatzte sie ihren kurzen Rock mit beiden

: sich, was die Herstcllung des Stratzenkörpers und der Fahr-
bahn bettifst, auf 5500 M. bclaufen.

Die Bestreitung dieser Kosten tömtte ani cinfachsten in
dcr Weise geschehen, datz man hierfür einen Teil derjenigen
Mittel in Anspruch nimmt, wclche im Voranschlag des lau-
fenden Jahres für die Herstellung der Keplersttatze von der
Mönchhofsttatze bis zur geplantcn Taubstummenanstalt vor-
gesehen wurden. Da sich die Errichtung dieser Anstalt etwas
verzögert hat und die fragliche Strahenhcrstellung deshalb
wenigcr dringend geworden ist, dürfte es genügen, wenn man
sich mit den Herstellungsarbeiten in dcr Keplersttahe auf die
Regulierung der Stratzengrenzen und die Planierung der
Fahrbahn beschränkt, die Stücking der Stratze aber und die
anderen Maßnahmen vorerst noch verschiebt. Es blieben dann
aus dem seinerzeit bewilligten Kredite von 13 000 M. noch
hinreichend Mittel zur Verfügung, um die für die nur 100
Meter lange Strecke der Blumenstratze erforderlichen Her-
stellungskosten zu decken. Die weiter noch für die Anlage der
Gehwege an dieser Stratze notwendig werdenden Aufwen-
dungen im Betrage von 2400 M. gelangen ohnedies alsbald
wieder zum Ersatz.

Der Antrag des Stadtrats geht hiernach dahin:

Der Bürgerausschutz wolle genehmigen, daß auf Grund
obiger Darlegungen mit Privatmann und Stadtrat Karl
Fuchs ein Uebereinkommen gettoffen, datz die Kosten der
neuen Sttaßenanlagen, soweit solche für die Gelände-Er-
werbung nötig fallen, im Betrage von 53 260 M. aus An-
lehensmitteln bestritten und dah für die in diesem Jahre
erfolgende Herstellung der Blumensttatze zwischen Häusser-
und Landhausstratze im Betrage von 6500 M. ein ent-
sprechender Teil der für die Keplerstrahe vorgesehenen
Mittel verwendet werde.

Vorlage 3 bezieht sich auf die Anlage einer Polizeistation
im Rohrbacher Baubezirk.

Um dem dringenden Bedürfnis nach Erbauung einer Poli-
zeistation im Rohrbacher Viertel abzuhelfen, hatte der Stadt-
rat unterm 9. Mai v. Js. um die Ermächtigung nachgesucht,
auf dem nördlichen Teile des Wilhclmsplatzes ein Gebäude
erstellen zu dürfen, in welchem zugleich auch eine Wärmehalle
und ein öffentlicher Abort eingerichtet werden sollte. Die be-
züglichen Kosten waren nach der Berechnung des HochbauamteS
auf 18 000 M. veranschlagt.

Gegen diesen Vorschlag erhob sich nun von verschiedenen
Seiten solch encrgischer Widerspruch, datz der Stadtrat es nach
eingehender Prüfung für angezeigt hielt, die Frage nochmals
in Erwägung zu ziehen, ob sich nicht für die Polizeistatton
samt ihren Zubehörden cin anderer Platz finden lietze.

Der Stadtrat hat daraufhin die verschiedensten in Be-
tracht kommendcn Möglichkeiten unter Aufstellung von Plä-
nen einer gründlichen Prüfung unterzogen und ist, nachdem
zahlreiche, besonders auch von den Jnteressenten jener Gegend
gemachte Vorschläge sich als undurchführbar erwiesen haben,
zu dem Entschlusse gelangt, für dic bezeichneten Zweckc das zur
Zeit im Eigenttim dcs Reallehrers A. Steinbrcnner stehende
Anwcsen Nr. 1 der Wilhelmstraße in Aussicht zu nehmen.

Das Steinbrenner'sche Anwesen besitzt einen Flächeninhalt
von 6 Ar 3 Quadratmeter und grenzt mit seiner Nordfront
zum größeren Teil noch an dasjenige Stück der Wilhelmstraße,
das dcm freicn Platz gegenüber liegt. Auf demselben steht ein
im Jahre 1891 errichtetes Gebände mit eincm Feuerversiche-
rungsanschlag bon 18 400 M., welches im Ganzen 10
Räunie enthält. Neben dcm Gebäude liegt nach Osten zu cin
16 Mcter breitcr Garten.

Jn dem unteren Stockwcrke des Hauses könnten cinc Wach-
stube, ein Raum für die Chargiertcn der Polizei, ein Schlaf-
raum und ein Notarrest eingerichtet werden. Das obere
Stockwerk könnte als Wohnung verwendet werden. Jn dem
16 Meter breitcn Garten lietze sich in einem felbständigen Bau-
werke, das mit seiner Ostseite 2,50 Mcttr von der Nachbar-
grenze und mit seincr Westseite 5 Mcter von dem Wachthause

Händcn, drehte sich wirbelnd im Kreise und wiegte den hüb-
schen Kopf, Reiner' anlachend, hin und her.

Da fatzte er sie um den schlanken Leib, stimmte pfeifend
in die gesungene Melodie ein, und beide tanzten mit hoch-
geröteten Wangcn und funkelnden Augcn in der niedrigen
Stube umher.

Plötzlich erschien am Fenster ein hätzliches, von rotem,
borstigcm Haar umrahmtes Gesicht und eine lallende Stimme
stammclte: „Ei, da geht's ja lustig her l Hurra! Das nenn'
ich zur rechten Zeit anrückenl"

„Was will denn der Landstrcicher hier?" rief Just.
„Mach, daß du weiter kommst, oder ich bring dich auf den
Wegl"

„Hcrrje, nur nicht so hitzigl" Einen Teller Suppe und
ein Bett in der Bodenkammer oder meinetwegen einen Platz
in der Scheune werd' ich doch noch kriegen können."

„Pack' dich fort, unvcrschämter Vagabundl Vorwärts,
wenn ich dich nicht aufs Rathaus führen soll. Solches
Gelichter —"

„Alle güten Geister!" kreischte jetzt die Karten-Lore. „Das
ist sa der Mathias. Hat den der Satan wieder hergebracht?
Jch denke, er ist längst tot und begraben?"

„Schönen Dank für dcn freundlichen Empfang", tönte
es weinerlich herein. „Bin doch ein armer, alter Mann, und
hab' cin einziges Kind, dem's gut geht. Wenn man da noch
nicht mal ein Stück Brot und ein Nachtlager kriegen kann —"

„Was, das ist mein Vater, wirklich mein Vater?" rief
Gertrud, ihn erschreckt und zugleich mitlcidig anstarrend.
„Den hab' ich mir ganz anders vorgestellt. Jst er's denn
gewitz und wahrhaftig, Muhme Eznerl?"

„Na freilich ist's der Mathias Marburg."

„Dann komm', ich mach' dir aufl"

(Fortsetzung folgt.)
 
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