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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-124 (1. Mai 1902 - 31. Mai 1902)
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Dicnstag, i3. Mai 1902.

G^vstes Blatt.

44. Jahrgang. — 110.



^^schein t täglich Somttogs ausgcnonlmen. Preis viit FaoiilienLlattern nwnotlich 50 Psg. in'L Hans gebracht, bei d.r Expedition nnd den Zweigstellen abgcholt 40 Pfg. Durch die Post be-
g. zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebübr.

ei g c n pr ei s: 10 Psg. sür die Ispaltige Petitzeile oder deren Rauni. Reklamezcile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzcigen erniäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
"^rgeschriebcnen Tagen wird keine Perantwortlichkeit übernommen. — Auschlag der Jnscrate aus den Plakvttafeln der Heidelberger Zeitung und dcn städt. Anschlagstellen. Fernsprech-.Anschlnß Nr. 82


Aas Hestament von Kecil Whodes.

London, 9. Mai.

Das Testament Cecil Rhodes' war gestern Abend
egenstand einer interessante n Diskussion in der
, uiversität Oxford. Die Halle war bis auf den
^tzten Platz besctzt, nnd auf den Zuhörergallerien saßen
°icht gedrängt die Angehörigen und Freunde der Mitglieder
°er berühmten Lehranstalt. Die Aufmerksamkeit des Hauses
^reichte ihren Höhepunkt, a!s R!r. Savoury folgenden
^Ntrag zur Debatle stellte: „Die Mitglicdcr der Oxforder
iintversttät sind der Anstcht, daß das Rhodetz'sche System
^er Stipendien unpraktisch und mit dcn besten Jnteressen
Dxfords unvereinbar ist." Mit dcr Begründung seines
Antrages stellte sich der Redner auf den Standpunkt des
britischen Patrioten. „Warum," sagte er, „stnd die Eng-
länder in dcm Testamente nicht bedachl? Riit diesem Gelde
bätte man sie nach Frankrcich odcr Deutschland schicken
können." Seine Hauptbedenken gcgen das Testament seicn:
Das Einkommen von 6000 Mark pro Jahr, das viel zu
öoch sej; die spärliche Bertietung von Kanada; die kindlichc
Einfalt Rhodes', die Auswahl der Stipendiaten völlig den
^eitern des Schulwesens zu überlassen; der Mangel einer
Unterscheidung zwischen den'Rassen, der in Anbctracht der
Stellung der Ncger in dcn südlichen Staaten von Nard-
«Merika sich als ein Mißgriff darstellt. Der folgende
^iedner, der von der Versammlung mit lauten Zurufen
E>vpfangen wurdc. zerstreute die Bedenken des Antragstellers
Und gav dcr Hoffnung Ausdruck, daß die Zufuhr frischen
^l»tes dazu helfcn würdc, den Jnsularismus zu beseitigen.
Darauf ereignete sich etwas Ungewöhnliches. Der Präsiüent
kündigte an, daß Heir vr. Felix Landau aus Berlin
bMige Wvrte zu sagen wünsche. Dcr Gast wnrde mit
Üürmischen Zurufen begrüßt und sprach dann in vorzüg-
üchem Englisch von Rhodes als einem Manne vom Typus
bes Fürstcn Bißmarck. Er hoffe, daß niemand in Oxford
bie Auslassungen gewisser dcutscher Blätter als die Meinung
deutschen Volkes auffasscn würde, ein Passus, der
^iederm lauten Beifall heivorrief. vr. Landau schloß seine
^nsprache mit dcm Ausdrucke der Ueberzeugung, daß, soweit
°le Deutschen in Betracht kämen, das Schema vorzüglich
llrbeiten und viel dazu beitragen werde, die beiden Nationen
einaiider näher zn bringen. Andere Redner folgten. Ein
'ehr jugendlicher Sprecher bemerkte, der deutsche Kaiser
^olle die fünfzehn deutschen Stipendiaten für Oxford als
^vffe gegcn die Soztaldcmokraten gebrauchen. Mit dieser
blysteriösen Prophezeiung wurde die Debatte geschlossen
die Abstimmung ergab 30 Stimmen für den obigen
^lltrag und 133 Srimmen gegen denselben.

Deutsches Neich.

Baden.

. L.O. Karlsruhe, 11. Mai. Nachdem im Laufe
letzten Jahre in mehreren deutschen Bundesstaaten eine
^lirenhaussteuer zur Einfuhrung gekommen ist, hat
llunmehr auch die badische Regierung diese Frage einer
^ltgehenden Prüfung unterzogen. Sie ist hierbei zu dem
^l'licblusft aekommeri, von der Etnführung einer staat-

lichcn Warenhaussteuer, wie eine solche in Bayern besteht,
abzusehen. Dagegen ist in Aussicht gcnommen, eine
qemeindliche Besteuerung der Warenhäuser einzuführen,
ähnlich der, wie ste in Sachsen und Württembcrg besteht.
Ein bezüglicher Gesetzentwurf ist bereits ausgearbeitet. Zu-
nächst werden noch Erhebungen gemacht, welche Stellung
dte Städte zu der Frage der gemeindlichen Warenhaus-
besteuerung einnehmen. Es sollen im neuen Gesetze, das
vom 1. Januar 1903 an !n Kraft treten würde, nicht
ulle Warenhäuser, sondern nur solche besteuert werden, die
einen Umsatz von über 200 000 Mk. jährlich aufweisen.
Die Zahl solcher Warenhäuser ist verhältnismäßig gering;
weit geringer, als viele Kaufleute anzuriehmen geneigt
sind. Jn mehreren Städten der Städteordnung käme nicht
ein einziges Geschäft zur Besteucrung, namentlich nicht aus
dem Grunde, wcil der letztjährige Umsatz zu Grunde gelegt
werden soll und dieser niedriger war, als der der Vor-
jahre. Die Steuer soll mindestens 10 Pfg. von 100 Mk.
Jahresumsatz betragen, jedoch in kcinem Falle den fünf-
sachen Betrag der städtischen Umlage übersteigen.

? Aus dem Amtsbezirk Sinsheim, 11. Mai.
Der Bund der Landwirte hielt gestern im Adlersaale
m Ncckarbischofsheim eine Bezirksversammlung ab, die von
den umliegeiiden Ortcu besser als von Neckarbischofsheim
selbst besucht war. Ein Herr Redakteur Treutler aus
Neustadt (Pfalz) sprach über Bauern- und Bürgerstand im
Kampf ums Dasein. Auch Herr Landtagsabgeordnetcr
Neuwirth bekannte sich zu dem Programm des Bundes
ter Landwirte, betonte aber gleichzeitig die treue Fürsorge
der badischen Regiernng für d:e Landwirtschaft. Anwesend
war auch Herr Landtagsabgeordneter Burkhar d-Eppingen.
Zum Schlusse fand eine von Herrn Neureuther, dem
bckannten Vertreter des Bundes der Landwirte verfaßte
Resolution Annahme, mit der Herrn Rcichstagsabgeord-
ncter Lucke, dem Vertreter des 13. badischen Wahlkreises,
der Dank für seine Thätigkeit ausgesprochen wurde.

* Jm „Beobachter" spricht sich ein katholischer Lehrer
dafür aus, daß das Zentrum sich zum Vorkämpfer für die
Lchrerinteressen mache und die Lehrer so für sich gewinne.
„Die Lehrer müssen gewonnen werden",
sagt er. Er kargt auch nicht mit Vorwürfen gegcn das
Zentrum wegen bishcrigcr Vernachlässigung der Lehrer-
interessen, sodaß der „Beobachtcr" in einer Redaktionsnotiz
zur Abschwächung der Anklagen darauf >:inweist, daß das
Zentrum durch den Knlturkampf verhindcrt gewesen sei,
an Anderes zu denken. Wir hoffen, die Lehrer werdeu sich
nicht über das täuschcn lasscn, ivas sie selbst im besten
Fall vom Zentrum zn erwartcn haben. Sagt doch auch
der Verfasser deS „Bcobachter"-Artikels: Die Kirche hat
ein Recht ans Schnlaufsicht.

Madischer LandLag.

L.O. Karlsruhe, 12. Mai. (81. Sitzung der
Zweiten Kammer.) Vizeprästdent Lauck eröffnet die
Sitzung um 4'/^ Uhr.

Zur Beratung steht das Budget der Domänen-
verwaltung, über welches Abg. Kriechle (nat.-lib.)

« den Bericht der Budgetkommission erstattet. Die eiuzelnen
Posttwnen wurden von der Kommission ntcht beanstandet.

Abg. yug (ZentrZ betont, daß gute Waldwege die Vor-
au»ictzuug fur eine zweckentsprechende Berwertung des
errrages unserer Domänen sind. Hinsichrlich der Uuierhatruua
uud Bcrbeyerung uu,ercr Waldwcge lasse die Thürigteit Ler
Domancuverwaltuug nichts zu wünschen übrig. Den Preis-
schwantungen, Lre durch die Windfälle verursacht werden, follte
man durch Einschränkung des Holzschlages in den nicht be-
lrosfenen Gegenden entgegcnwirken. Die Forstüezirte sollten
in der Regel mcht mehr als 10 000 Diorgen umfassen. Redner
^ Forstwarre bei der Revision des Gehaltstarifs

4)eruckirchtrgung und bringt^ Beschwerden über einen Ober--
sor,ter Vvr, der bei einerHolzversteigerung zu großcUose machte,
,o datz dic kleinen Leute nicht mitstcigern konuten. Wenn
auf dcr einenseite der Waldbesitz desStaares vergroßert werde.
,o ware es auf dcr andercn Seite gerechifertigt, daß der Staat
Normat'vbe,timmungen ausgicbigen Gebrauch macht
und stivglichst viel landwirtschaftlichcs Gelände an Private
veraußerr. ^

Abg Breituer sZentr.) befürwortet den Wunsch üer
Gcmeinde Kirrlach, Laß der Staat einen Teil der Gemarkuna
aiifforstcr, ferncr wünscht Rcdner, daß cin Domänenwea im
Bruchsal dcr Allgemeinhcit zugänglich gemacht

Abg. Ede^r ,Dcm.) (auf der Tribünc unverstäiidlich),
bc,pr,cht dic riilchtultur in Brühl.

Abg. Wilckens (Natlib.) weist nach, daß der Staat
ni dcn lctzten Jahren größere landwirtschaftliche Komplexe ab-
gestotzen, also von den Normativbestimmungen ausgicbiaen
Gebrauch gemacht hat.

Finanzminister Buchenbcrger bestätigt, daß das im
Kommissionsbericht den Forstbcamten gespendete Lob eiu wohl-
verdicntcs sei. Ein Hektar Wald werfc jctzt einen Reinertraq
?Nart M, was aiif einc gute und wohlgeordncte Forst-
wirtschafr schließen lasse. Eine Vermchrung der Forstamts-
bezirke sei in Aussicht genommen. Die Forstwarte werden
bei der Gehaltsrevision gebührend bcrücksichtigt. Der Vollzug
dcr Normatwbestimmungen sei nicht im Rückgang begriffcn.
wenn auch manchmal Schwankungen vorkommen, so sei doch
im Durchschnitt der lehten Jahre gleichmäßig viel landwirt-
ichaftliches Geländc abgestotzen worden.

Staatsrat Reinhard teilt mit, datz die Menge des
Windfallholzes im letzten Jahre insgcsamt 064 oOO Festmcicr
betrug, davon^trafen auf die Domänen 163 000 Festmeter.
Trotzdem die Förstereien sofort mit dem Holzschlag bremsten,
blieben die Folgen nicht aus: der Holzpreis sank bedeutend.
Doch hofft Rcdner, datz dcr Ertrag nicht hinter dcm Voranschlag
zurückbleibt. Das langsame Vorrücken der Forstbeamien sei
auf dic besondcrcn Verhältnisse diescr Bcamten, nicht auf die
Einwandernng sremder Elemcntc zurückzuführen. Die Frei-
zugigkeit müsse mau auch bei diesen Bcamten gelten lassen.
Der Wunsch der Kirrlachcr wcrde berücksichtigt. Redner be-
tout, daß bie Teichwirlschaft wiedcr mehr gcpflegt werden
müssc, cr begrüßc daher dasVorgeheu der Gemcinde Brühl. Die
Auregung^des Mgcordneten Wilckens, daß die Beamten der
Domänendirektion, denen das Forstwcsen untersteht, auch mit
eiuem entsprechendcn Titel ausgezeichuet werden sollen, werde
in wohlwollende Erwägung gezogen.

Abg. Dicterle (Zentr.) bestätigt aus eigener Erfah-
ruug, daß die Holzpreise sehr zurückgegangen sind und wünscht.
daß dcu Pfarrern, welche Kompetenzholz beziehen, nicht blotz
Brcnnholz, sondcrn auch bessere Holzsortimente, insbesondere
Papierholz gegeben wird. Redner gicbt sodann scincr Freude
Ausdruck übcr die Restaurierung der Basilika in St. Blasien.
Bei dicser Gelegenheit solltc die herrliche Kirche mit einer
Hcizvorrichtung verfehen wcrden.

Abg. Hofmann (Dem.) betout, daß die Erträge aus
den Jagden auf der BLchenauer Hardt durch die Aulcguug dcr
Schießständc zurückgehen.

Kin riestger Melrug.

Paris, 12. Vtai.

Augeublicklich spukt hicr in der Oefsentlichkeit eine Ge-
die, weun sie auch nicht so folgenschwer ift, wie der
^reyfusprozetz, ihu doch an geheimnisvoller Einkleidung weit
Meririffi: die sogcnanntc Humbcrt-Crawford-Affaire. Alle
, ensationsromane dcr ncuestcu Zeit strecken vor ihr die Waf-
i seir Eugene Sues Ewigcm Juden, mit dem sie cine Erb-
'chaftsangelegenheit als Gegenstand reilt, hat die Litteratur
chts Aehnliches hcrvorgebracht, geschweige denn die Wirklich-
't- dic ihx in Erbschaftssachen mit dem Tichbornc-Prozesse
kümmerlich nachhinkt. Seit 25 Fahren schwcbt diese An-
u"egenhcit; alle Gerichtshöfe habcn sich mit ihr bcschäfttgi,
Ns" Mcnge von Sachwaltern, darunter der jetzigc Prcrmer
N?in §°Nm'sscau, an ihr ihren Scharfsinn versucht; fast 50
eini ^rankcn kostctc sie dcnen, die für sic mit ihrcm Gelde
gj?'"atcn. Wer im standc ist, die Welt solange hinzuhalten,
gar zu nasfnhrcn, für den kann dic Kunst der Menschen-
hab "üffug Grheimnis mchr besitzen. Und in der That
jc. "" 'uir cs deim auch mit einer findigen Tochter Evas zu
j' öer Gattin eines Advokatcn nnd früheren Abgcordnc-
jj^' "l'r Frau Fredcrik Humbcrt. Mit wenigen Wortcn läßt
Wescn dieser Damc nicht erschöpfcn; ihre Wirksamkeit
zg'^auktc sich eben nicht anf den Gcldborg und den Anfschub
ic ?ö">ngsfristcii, das (8eld war ihr nur Mittel zum Zweck:
lasf ' kmmit in Paris eine Bank und eine Zeitung, in Mada-
teb„ Faktorei und in Tunis allerhand Anlagen ins

jes„^llrundete mit dem Segcn dcs Papstcs eine Versicherungs-
ßZ/'a'aft und im Vereine mit notorischen Frcimaiircrn cine
hZ'^llungskasse für alte Priester, erhandelte und vcrkaufte
wbei^^^u, Gemälde, Schlösser imd Landgüter und alles dics
Nill^ Ricsenanfgabe, den Glauben der Welt an eine
aufrecht zn erhaltcn.

lbai-i.? .Mann, dcr in dieser Gcschichte den reichen Erbonkcl
u^or, stammt aus Amerika. Er hieß Robert Henry Craw- >

ford, starb angcblich zwischen 1878 und 1883 irgendwo inner-
halb oder außerhalb Europas, nachdcm er in einem aus Nizza
vom 6. Septcmber 1877 datierten Testament die Jnngfer
Therese d'Aurignac zu scmer Universalerbin eingesetzt hatte.
Diesc Therese d'A u r i g n a c war eine Bäuerin aus der
Umgebung von Tonlonse, die sich ursprünglich einfach Dan-
rignac schrieb, bis sie durch ihre Heirat mit dcm Exdepntier-
ten Frederic Humbcrt, Sohn eines Justizministers und Rech-
nungshofpräsidenten, in jene höhere Lebenssphäre versetzt ward,
in der das d' vor dem Namen wenn anch kein Ersordernis, so
doch einc nützliche Zier ist.

Nach einiger Zeit meldeten sich — wie man jctzt wohl an-
nehmen darf auf Verabrcdung — zwci angcbliche Neffcn
des Verstorbenen imd machten ihre Ansprüche auf Grund cincs
angeblichcn zioeiten Testamcntes geltend. Das gab zu zahl-
reichen gerichtlichen Akten Veranlassung, in denen von dcm
Testamente gesprochen wurde, ohne daß jemals das Vorhanden-
sein der angcblich hintcrlassencn hundcrt Millionen konstatiert
wurde. Das Geld sollte sich in Papieren in einem großen
Geldschrank befinden.

Jm Ganzen hat Frau Humberi anf Konto ihrer Erbschaft
fünfzig Millionen entliehen. Von ihren Gläu-
bigern haben ihr sechs allcin nicht weniger als zwanzig Millio-
ncn Frcmkcn zur Verfügung gestcllt; zwci andere, die mit
scchs, bezichungswcise ciner Million ihr beigesprungen, habcn
sich ums Lebcn gebracht; wicdcr einer ward crmordet, während
ein Inwelenhändler aus der Nne dc la Paix, dem sic 1 800 000
Franken schulbet, bcrschwunden sein soll. Jm ganzen hai sie
56 Millioncn entliehen, wovon 16 Millionen dnrch Aufnahmc
ncuer Anleihen getilgt sind. Endlich wnrde vom Gcricht
die notariellc Konstatiernng des Vorhandcnseins der Hundcrt-
Millionenerbschast 7m Kassenschrank der Fran Humbert-Dan-
rignac in ihrem fürstlichcn Wohnhause, 65. Avcnue de la
Grande-Armee angeordnet, sie sollte am Frcitag, 9. Mai, 1
llhr nachmittags stattfinden. Eine Schar von Ncngierigcn nnd
von Reportern erwartete die drei Notare anf der Stratze. Sie

stellten sich pünktlich ein nnd wnrden sofort eingelassen. Drei
Vicrtclstimden später verlietzen sie das Haus wieder und teil-
tcn den Rcportern mit, daß wcder Frau Hnmbcrt, noch ihr
Tatte, noch ihre Schwester anwescnd scien. Zu den Notarcn
hattc sich übrigcns auch ein Gerichtskommissür geselll, weil einer
dcr Glünbigcr dcr Frau Humbert am Tage zuvor, eine Klage
anf Betrug eingcreicht hatte. 11m 3 Ilhr traf auch Cochefert»
der Chef der Sicherheitspolizei, mit vier Jnspektoren ein und
begab sich in das Haus. Mehrere Gerichtsvollzichcr folgten.
Das Vcrschwinden der Familie Humbert wnrde dcm Gcrichts-
präsidenten Ditte augenblicklich mitgcteilt, nnd diesc fällte so-
fort cin ncncsUrtcil, worin er inAnbctracht, daß dasVcrschwin-
dcn dcr Familie Humbert Verdacht errege, cinen gewissen
Lemarquis znm Scqucster imb Verwalter dcs Vermögcns mit
den wcitcsten Vollmachten cinsctzt. Lemarquis war anf den
Fall vorbercitct nnd verlangte vom Friedcnsrichter die Ver-
sicgelnng des Hanses Humbcrt. Jm Schrank fanden sich, als
man ihn spätcr ösfnete, Wertpapicre in Höhe von 20 000
Franken, wcrtlose Schmucksachen nnd alte Zeitnngcn. Rechts-
anwalt Parmentier, der in die Nngelegcnheit verwickelt zu
sein scheint, ist vcrhaftet worden. Der Advokat Dubuit, der
Vorsitzende dcs Advokatenvereines, cincr dcr hcrvorragendstcn
Advolatcn nnd Vcrtrcter des Ehcpaarcs Hnmbert, ist von
lctzterem selbst irregeführt worden. Der rohalistische „Solcil"
nennt die Angelegcnhcit Hnmbert ein zweites Panama, wodurch
»ichrere revnblikanische Größen stark bloßgestellt wiirden. Dir:
große Gannerin Frau Hnmbert d' Aurignac soll nach ^banicn
gcflüchict scin.__

Gedankensplitter.

Manchcr glanbt ein Svkrates zn sein, wcil er cine
.1 antippe znm Weibe hat.

* » *

Vorsicht ist die Murter dcr Wcisheit,

Nachsicht die Weisheit der Mntter.
 
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