Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 101-124 (1. Mai 1902 - 31. Mai 1902)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0957
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

onnerstag 22. Mai 1902.

Zweites Blatt.'

44. Jahrgang. — >!'. 117.




^^cheint täglich, Sormtags auSgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's HauS gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-

H zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

^^igenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige GeschäftS- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigm an bestimwt
^Eschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommm. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82

2n immer veitere Kreire

6er liuk äör RsiosisigstiAPeit, äer sorFtüItiAM
^tivL uoä äsr soimslloir LoriolitorstÄttuvA äor

"jkeiöelberger Zleitung"

5g pfg monaUiek ein8o!ili688lio!i Ipägoi-Iolin.

^ ^rin Lllä Lvioli, joäor LllrZor siokt rait äor 2oit
os aill ratsaillstoll llllä prulrtisolistoll ist, äio
LvttUiiiF 2>i bostelloll ullä riu

2eitullA brillKt alles VVissoiwvorto, ist un-
Ullä öKllot ibro 8paltoll »orno ^'oäoiu zo-
suoiiliolioll Ilrtoil.

^ Oio „Hoiäolbor^or XoitullZ" ist allvtnk^vr
^^^ülläiAor ullä Lroisblutt ill HoiäolborK. Ous
ür>ä p ^oitllllK bovubrt äsu LürAor vvll 8tuät
^b.vä vor llllliobsallioll 8trukou, äio illun siob
I^ i ^ Lllbolllltllis Lilltliobor Lobllnlltlliacbungoll
^üÄobtzv bullll. biur äio 2oituvA briuZt ullo
^btzll LebulllltmLobuuA0ll.

äjtz 1. äulli biu^utrotolläo ^.bouuolltoll orbaltou
^oituvF tür äell Lost äiesoo Nolluts uvboroobuot.

ver VerIr»K,

Ilntsrs «IsolLLi'StrLSSs 21.

^ Aröeiterschuh im Kandetsgeweröe.

arbeiterstatistischen Abteilung des kaiserlichen
s>eZ Amts ist in diesen Tagen die auf Anordnung
Reichskanzlers (Reichsamt des Jnnern) ein-
»Erhebung über die Arbeitszeit dcr G e-
^ und Lehrlinge in solchen Kontoren des

^Ndels

»lit IrSewerbes und kaufmännischen Betriebcn, die nicht
»ich Verkaufsstellen verbunden sind", abgeschlossen

Äcrlj^^"^entlicht worden. (Verlag von C. tzeymann,

Db

^kbung ist, ebenso wie die früheren Unter-
Thn Sen dxx Kommission für Arbeiterstatistik, nach dem
d. H der S ti ch p ro ben durchgeführt und sollte 10
!^öe'sn ^ öeteiligien Betriebe erfassen. Sie hat sich auf
°er 13 673 Kontore erstreckt, in welchen zur Zeit

^ehjj^sebung (September 1901) 69 686 Personen als
- lei, Lehrlinge beschäftigt warsn. Hiervon ge-

tchlx^t^^bO dem männlichen, 5126 dem weiblichen Ge-
i Jok?"' den letzteren waren 4755 Gehülfen über
b- Jn den bearbeiteten Betrieben sind im Ganzen
biw??. "tännliche Lehrlinge gezählt worden, annähernd ein
,,,(19,2 v. H.) aller gezählten Hülfspersonen und
xj^ Viertel der Zabl der männlichen Gehülfen.

Auf abschüssiger Bahn.

Roman von B. Corony.

(Fortsetzung.)

Nj^ würde dich ber Gedanke, datz dein Sohn sich

tt^chter eines Geisteskranken vermählen könnte, pei-
di, ^ ich sehe es dir an, dah ich mit dieser Ver-

tb, -^ir Richtige getroffen habe. Leugnest du es? Giebst

^it, s Wort darauf, daß ich mich irre? Wenn du es
^°ube ich dirl»

)t.eufei, neinl ich thu's nichtl Lrach Werther los.
sq^ey, nicmals meiue Sachc. Der Gedanke ist mir ge-
es'stt . habe thn aber zurückgcwiesen und mir selbst ge-
^ Blödsinn mit der Vererbnngstheorie I Konstanze

dj^ nys manchen frappierenden Zug von ihrem Bater,
illi, gesunde, willens- nnd geistesstarke Natnr

fuh^- h?lt das Gegengewicht, Sichst du, Mclitta, das
vci^chpf dem Zeuraum von wenig Minuten durch

dix, ich gelangte zu der Ansicht, datz das Ätädchen
s u',m bon seinen srühesten Lebcnsjahren an über-
Wic geraten müsse, und' werdc, Unü so ist es

ich ,bd. ps niir jetzt erscheint, so warst du in deiner
?"it diescr momentanen Befnrchtung wurde
^Nd ^-seiiblick des Auftauchens fertig. Die andere —
ipjj,-, ^ der jungen Leute nicht zusammenpassen

^i- bk„ir. cinen beständigen Krieg heranfbeschwören
h>exi,'ch Iiiem r^doch bestehen. ünd deshalb wiederhole ich,
^r,i" könm ^ anders, als dnrch mächtige Gründe bewogen
rip ^k>en ^sine Znstimmung zu einer Verbindung die-
k'ie??ch Hc,-„,^E?^' "kkier ein solcher Konflikt tritt ja gar nicht
. aenn infolge scharfer Beobachtrmg gcwann ich

sei,-^"^' datz Herbert deine Tochter nicht liebt."
Lid--,.^ sprühender Mick traf ihn nnter den halbge-
ern hervor.

Die Zahl der weiblichen Lehrlinge hat stch als schr unbe-
deutend herausgestellt, sie betrug »ur 1,8 v. H. der be-
schäftigten Lehrlinge.

Jn den 13 673 Betricben hat sich eine Arbeitszeit ergeben
von 8 Stunden u. weniger für 1663 Bctriebe u. 10 459 Pers.
mehr alS 8 bis 9 Stunden „ 5155 „ „ 30 071 „

„ „ 9 „ 10 „ „ 4040 „ „ 20 292 „

„ „ 10 „ 11 „ „ 2085 „ „ 7 042 „

„ „ 11 Stunden „ 730 „ „ 1822 „

Ferner hat sich ergeben, daß die Arbcitszeit der Lehr«
linge in einem Teil der Betriebe grundsätzlich länger ist
als die der Gehilfen, sowie daß die Lehrlinge überhaupt
an den vorkommenden längeren Arbeitszeiten stärker be-
teiligt sind als die Gehilfen.

Jm Einzelnen sind erhebliche Verschiedenheiten der
Arbeitsdaner je nach den Gebieten, den Ortsklassen und
den Größenklassen der Betriebe hcrvorgetreten. Jm All-
gemeinen verkürzt stch die Arbeitsdauer mit der steigenden
Größe der Stadt und des Betriebes. Verhältnismäßig
ungünstigere Arbeitszeiten siad in den kleinen Städten und
Betriebcn sowie in denjeiiigen Kontoren gefunden worden,
in wclchen die Arbeitszeit der Lehrlinge grundsätzlich länger
festgesetzt ift als die der Gehilfen.

Die Dauer der Mittagspause schwankt in der großen
Mehrzahl der Fälle zwischen 1 und 2 Stunden. Besondere
Tabellcn sind in der Erhebung noch der Feststellung der
Pausen außer der Mittagspause gcwidmet. Solche
Pausen werden bei geteilter Arbeitszeit in 27,89 v. H.
der Kontore gewährt. Jn 44,05 v. H. der Kontore mit
englischer Tischzeit fanden sich bestimmte Frühstücks- und
Nachmittagspausen, insgesamt in der Dauer von ^ bis
1 Stunde.

Etne Verlängerung der Arbeitszeit zu gewissen Zeiten
des Jahres erfolgte bei 20,43 v. H. der Kontore.

Jn 33,78 v. H. der Kontore wurde regelmäßig, in
weiteren 6,08 v. H. „auf Wunsch" Urlaub bewilligt. Die
Lehrlinge stehen auch hier schlechter als die Gehilfen. Jn
dcn Großstädten und Großbetrteben wird häufiger Urlaub
gegeben als in den Kleinbetrieben und kleinen Städten,
auch dauert in den Großstädten und Großbetrieben der
gewährte Urlaub länger als in den anderen Orts- und
B-triebsgrößenklassen. Relativ die günstigsten Verhältnisse
in den von der Erhebung erfaßten'Beziehungen haben sich
in den Kontoren des Geld- und Kredikhandels ergeben.

Aie christüchen Kewerkschasten

sind zurzeit wieder ein hefiiger Zankapfel zwischen Zen-
trum und Sozialdemokratie. Bekanntlich hat Erz-
bischof Nörber von Freiburg vor etlicher Zeit die christ-
lichcn Gewerkschaften, in denen katholische und evangelische
Arbeitcr desselben Geschästszweigs vereinigt sind, als kirch-
lich bedenklich und sozialistisch angehaucht bezejchnet; als
darauf unter den organisierten katholischen Arbeitern sich
crnstlicher Widcrspruch erhob, brach der Erzbischof seinen
Worten durch eine sehr milde Auslegung die Hauptspitzen
ab. Doch wird neuerdings wieder von Berlin aus für
z rein katholische Gewerkschaften, die natürlich ganz unter
^ geistlicher Zucht stünden, agitiert. Dagegen macht nun daß

Du denkst mithin nur an deinen Sohn?"

,(Weil ich von der jedenfalls unanfechtbaren Voraus-
setzung ausgehe, datz ein Mädchen, das sich selbst schätzt, und
hoch stellt, den kostbaren Schatz sciner Liebe nur dann hingiebt,
wenn er begehrt und erfleht wird. Wärst du etwa cmdcrer
Nnsicht?"

Ein lurzes, schroffes „Nein" erfolgte, dann schlotz sich die
Thür hinter Frau von Felsing. Diese stand bald darauf vor
ihrer Tochter.

Konstanze satz am geöffnetcn Fenster, blickte aber nicht
hinaus, sondern auf ein größeres Oelgemälde, welches Herbert
als Kuaben darstellte,

„Bei wem weilen deine Gedanken, Kind?"

Dicse Frage klang so barsch, datz das Mädchen wie aus
tiefcm Traum geweckt emporfuhr.

„Bei wem?"

„Nun ja! Vei irgend einer bestimmten Persönlichkeit? Viel-
leicht gar bei deinem Vctter?"

„Warum bei ihm?"

„Weil ich dich in Betrachtung seines Bildes versunken
finde."

„Es hängt mir gerade gegenüber,"

„Du hast ihn gestcrn so eifrig verteidigt, wie ich oon dem
Oheim höre?"

„Nicht eifriger, wie ich jeden anderen auch verteidigt
hätte", erwidertc Konstanze in abweiscndem, gereiztem Tone,

Es gehörte auch zu jenen Eigentümlichkeiten, die sie mit
ihrem Vater gemein hatte, daß es ihr peinlich war, beobachtet
und überwacht zu wcrden, Je mehr und dringender man
fragtc, desto entschiedcner verweigerte sie jede Antwort, so auch
in diesem Falle, Gar oft schon hatte ihr der Gedanke nahe-
gelcgen, sich der Mutter anzuvertrauen, aber jetzt, wo diese
cine' vertrauliche Aussprache hcrbciführen wollte, kam wieder
jener Trotz, der sich bis zur eisigen Erstarrung steigertc, über
das Mädchen, Das jimge Gesicht sah plötzlich viel älter und
in seiner Ünbeweglichkeit beinahe versteinert aus.

Ettlinger Zentrumsblatt, der „Bad. Landsmann", Front;
es schretbt: „Wie für die Handwerker, Kaufleute, Bauern
und Beamten, so genügt es vom religiösen Standpunkt
auch für die Arbetter, daß sie christlich gesinnte Wänner
sind. Wie sie damit die Wahrnehmuug ihrer wirtschaft-
lichen Jnteressen in Einklang bringen, das muß den
Arbeitern, als mündigen Männern, gerade so überlasfen
wcrdcn, wie es d-n Geschäftsleuten, Laudwirten uud
Fabrikanten, kurz, wie es allen Berufen überlasien wird.
Was aber von Berlin aus beabsichtigt wird, scheint in der
That so eine Art geistlicher Vormundschaften
hinsichtlich dcr wirtschaftlichen Bestrcbungen der Arbeiter
darzustellen. Damit würde der Zweck der Gewerkschaften
überhaupt vernichtel. Unseres Erachtens ist es höchste Zeit,
daß mit der Nörglerei und mit dcr Spielerei an den
christlichcn Gewerkschaften endlich einmal aufgehört
wird und daß man diese Organisationen stch natürltch
weiter ausbauen läßt."

Jm Anschluß daran behandelt das Ettlinger Zentrums-
blatt den Streik der Sägearbeiter in Bühlerthal
(A. Bühl), die dem christlichen Holzarbeiterverband an-
gehören. Die Angaben der Säger und die der Sägewerk-
besitzer über die Ursache dcs Streiks weichen erheblich von
einander ab. Führer des Streiks war der Kaplan Schmidt,
was ihm von mancher Seite, so auch von dem Pfarrver-
wcser verdacht wird. So finden sich im „Ettlinger Lands-
mann" zwei Erklärungen in seltsamer Vereinigmig bei-
sammen, wie man sie sclteu bei einander antrifft. Kaplan
Schmidt von Bühlerthal erklärt, er sei zwar nicht Leiter
des Ausstandes, sondern dies sei der Kölner Gewerkschafts-
sekretär Kurtscheid. Dann sagt er: „Wenn ich direkt Partei
ergreife und damit auf Seiten der Arbeiter ftehe, so ist
dies nur recht und billig. Die Forderungen der Arbeiter
sind äußerst gering und wurden in aller Bescheidenhcit und
Höflichkeit gestellt." Darunter steht eine zweüe Erklärung,
herrührend von dem Bühlerthaler Pfarrverweser
Kleiser, der hervorhebl, der Kaplan sympathisiere mit
den Ausständigen, aber der Kaplan sei doch nicht die Orts-
geistlichkeit. Er, der Vcrtreter des Pfarramts, habe von
der ersten Stunde an „eine ganz neutrale Stellung gegen
die christlichen Gewerkschaften eingenommen und sich inkeiner
Weise um die Lohndifferenzen gekümmert, was die einztg
richtige Stellung für den Ortsgeistlichen sej." Diefe
Arbeitsteilung zwischen Ortsgeistlichen und Kaplanen muß
man stch einprägen; ste gehört auch zu den Dingen, die
schwer zu verstehen sind.

Deutsches Reich.

Prcuße«.

— Knotenpunkt-Fahrkarten und Wanderrück-Fahrkarten
hat Herr von Thielen bei beginnender Reisesaison
eingeführt.

Württemberg.

Aus Stuttgart, 18. Mai, wird den „M. N. N."
geschrieben: Die Eiuführung der vierten
Klasse auf unseren Staatseisenbahnen
wir>d nicht mehr auf fich warten lassen.
Der Schwenkung des Zentrums in dieser Frage werden

„Jch fürchte- es ist nicht so, wie es zwischen uns sein
sollte", nahm Frau von Felsing von neuem das Wort. „Mir
gegenüber, die nichts weiter auf dcr Welt hat als dich, und
deren ganzes Thun und Lassen nur der Gedanke an das ein-
zige Kind leitet, dürftest du nichls verschweigen und verheim-
lichen. "

, „Jch verheimliche dir nichts."

„Doch!"

„Ja, wenn du dir selbst antwortest, Mama, so über-
hcbst du mich dcr Miihe, es zu thun."

„Jch frage, weil ich dir helfen möchte. Verkennst du
das?"

„O ncinl Aber wer war es denn, der mir erzählte, datz
Papa jcdesmal in einen Zustand krankhafter Gerciztheit ver-
fiel, wenn man ihn ausforschen wollte? Du warst es — wenrr
ich nicht irre. Ünd ich habc dich auch sagen hören, datz ich
ihm in mchr als einer Hinsicht gleiche, Jn dieser ist es gewitz
der Fall, Jch antworte nur aus eigenem, frcicm Willcn —-
nicht auf Befchl,"

„Von einem Befehl kann dir, mein armes, teures Kind,
gegenuber gar keine Rcde sein, Jch bitte dich nur, mir dein
Herz zu öffnen, Jch bin ja gern bereit, meinen letzten
Blutstropfen für dich hinzugeben, Zweifelst du daran?"

„Keineswegs, Mama! Aber solange ich nichts zu sagen
habc, mutzt du mir doch gestatten, datz ich schweige."

„Ja, ja — ich gestatte es dir. Wie sollte ich auch anders?
An dicscm ercrbten Zng unscliger Verschlossenheit und un-
gercchtcn Mißtrauens scheitert ja alle Liebe und die beste Ab-
sicht, J-ch kann dir nicht raten und dich überzeugen, weil du
nicht hören und überzcugt sein willst, So bleibr mir nichts
übrig, als meine hcitzen Gebcte zum Himmel emporzu-
schickcn,"

„Wcnn sie unerhört bleibcn, Mama, ist es wahrlich nicht
dcine Schuld. Du verbringst ja -das halbc Leben auf den
Knieenl"
 
Annotationen