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daselbst die Rechte zu studieren, welches ich denn auch so.redlich
gethan habe, dass ich mich vor keinem Examen zu fürchten brauche .
Jetzt hatten jedoch meine unglücklichen Eltern das letzte Geld für
mich aufgewendet, und da ich bei meinen schlechten Aussichten in
meiner Heimath kein anderes Mittel wusste, so schrieb ich in meinem
Schmerze ein Trauerspiel'1'\ für welches ich wegen seiner Sonderbar-
keit einen hohen Preis zu erhalten dachte; aber obwohl bloss we
gen dieses Stückes bedeutende Männer auf mich aufmerksam gemacht wor-
den sind und selbst Briefwechsel mit mir angefangen haben, so fehl-
te es mir, bis auf Hut und Schuhe an allem Aeussem, um es einem
anständigen Verleger auf die gehörige Weise anzubieten. Da über - -
mannte mich die ausgelassnste Lustigkeit, und ich schrieb mit einem
abgebrochnen Schwefelhölzchen, welches ich in Ermangelung einer Fe-
der in die Tinte tauchte, das Lustspiel nieder, welches ich als
Probe meines Talentes hier beizulegen wage*) ** \
Jetzt galt es aber, meine letzten Kräfte für meine Erhaltung auf-
zubieten, und ich erinnerte mich meiner Anlage für die Schauspiel-
kunst, die. so gross zu seyn scheint, dass es märchenhaft lautete,
wenn ich ohne einen näheren persönlichen Beweis davon sprechen
wollte. Ich eilte also voll sicherer Hoffnung nach Berlin und-könn-
te es daselbst nicht einmal so weit bringen, dass ich zu irgend
einer kurzen frdbedarstellung im Zimmer gelassen wurde1
Ew. königliche Hoheit haben nun gewiss schon ersehen, was ich für
ein Mensch bin. Viele nannten mich genial, ich weiss indess nhr,
dass ich wenigstens Ein Kennzeichen des Genies besitze., den Hun -
ger.
Nochmals erhebe ich meine Stimme zu I2w< königlichen Hoheit!
Ich möchte übrigens vermuten, dass Grabbe niemals erhstlich die Absicht ge-
habt hat, diesen 1Brief1 abzusenden und vielmehr nur den Freund damit my -
stificieren wollte. Jedenfalls ist es unerlaubt, wenn die meisten Biagra --
phen trotz der klaren Erzählung Artur Muellers von einem abgesandten und
unbeantwortet gebliebenen Briefe Grabbes an den preussischen Kronprinzen re-
den ! ...” . J
*) Herzog Theodor v. Gothland •
**) Wohl 'Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung’, wenn dieser Satz
überhaupt ernstgemeint ist. ’ ' ‘
daselbst die Rechte zu studieren, welches ich denn auch so.redlich
gethan habe, dass ich mich vor keinem Examen zu fürchten brauche .
Jetzt hatten jedoch meine unglücklichen Eltern das letzte Geld für
mich aufgewendet, und da ich bei meinen schlechten Aussichten in
meiner Heimath kein anderes Mittel wusste, so schrieb ich in meinem
Schmerze ein Trauerspiel'1'\ für welches ich wegen seiner Sonderbar-
keit einen hohen Preis zu erhalten dachte; aber obwohl bloss we
gen dieses Stückes bedeutende Männer auf mich aufmerksam gemacht wor-
den sind und selbst Briefwechsel mit mir angefangen haben, so fehl-
te es mir, bis auf Hut und Schuhe an allem Aeussem, um es einem
anständigen Verleger auf die gehörige Weise anzubieten. Da über - -
mannte mich die ausgelassnste Lustigkeit, und ich schrieb mit einem
abgebrochnen Schwefelhölzchen, welches ich in Ermangelung einer Fe-
der in die Tinte tauchte, das Lustspiel nieder, welches ich als
Probe meines Talentes hier beizulegen wage*) ** \
Jetzt galt es aber, meine letzten Kräfte für meine Erhaltung auf-
zubieten, und ich erinnerte mich meiner Anlage für die Schauspiel-
kunst, die. so gross zu seyn scheint, dass es märchenhaft lautete,
wenn ich ohne einen näheren persönlichen Beweis davon sprechen
wollte. Ich eilte also voll sicherer Hoffnung nach Berlin und-könn-
te es daselbst nicht einmal so weit bringen, dass ich zu irgend
einer kurzen frdbedarstellung im Zimmer gelassen wurde1
Ew. königliche Hoheit haben nun gewiss schon ersehen, was ich für
ein Mensch bin. Viele nannten mich genial, ich weiss indess nhr,
dass ich wenigstens Ein Kennzeichen des Genies besitze., den Hun -
ger.
Nochmals erhebe ich meine Stimme zu I2w< königlichen Hoheit!
Ich möchte übrigens vermuten, dass Grabbe niemals erhstlich die Absicht ge-
habt hat, diesen 1Brief1 abzusenden und vielmehr nur den Freund damit my -
stificieren wollte. Jedenfalls ist es unerlaubt, wenn die meisten Biagra --
phen trotz der klaren Erzählung Artur Muellers von einem abgesandten und
unbeantwortet gebliebenen Briefe Grabbes an den preussischen Kronprinzen re-
den ! ...” . J
*) Herzog Theodor v. Gothland •
**) Wohl 'Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung’, wenn dieser Satz
überhaupt ernstgemeint ist. ’ ' ‘