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Heidelberger Familienblätter — 1862

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Nr. 40 - Nr. 52 (2. April - 30. April)
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Heidelberger gamilienblätter.

Nr. AI. Freitag, den 4. April 1862.

Mozart bei der Kaiſerkrönung.

Hiſtoriſch- romantiſches Zeitbild aus Frankfurts Vergangenheit im Jahre 1790
von G. W. Pfeiffer. gang

(Fortſetzung.)

„Du haſt Dich freundlich mir genaht,“ begann er daher in italieni-
ſcher Sprache, „und mir dadurch eine hohe Freude gewährt. Iſt es der
Zufall allein, der Deine Schritte lenkte, oder darf ich mehr, als ein
glückliches Ohngefähr hier finden?“
Die Angeredete zuckte freudig zuſammen, dann entgegnete ſie ebenfalls
in fließendem, wohlklingendem Italieniſch:
„Vermag der Menſch zu unter ſcheiden, was blinder Zufall, was be-
dachte Fügung iſt? Schließt überhaupt die Letzte nicht die Erſte aus?“
In Wyngards Kopf blitzten raſch Gedanken und Folgerungen. Ant-
wort und Sprache ließen eine Dame von Stande ihn vermuthen und
ſein Stolz, ſowie ſeine Eitelkeit fühlten ſich geſchmeichelt, indem beide
ihn jedoch ſtachelten, auf der betretenen Bahn vorwärts zu ſchreiten.
„Kennſt Du mich denn, ſchöne Maske?“ fragte er jetzt, näher an
die Unbekannte rückend und ihr in die Augen ſehend. ö
„Obgleich ich Dich noch nie geſprochen,“ war die leiſe Antwort,
„biſt Du mir doch nicht fremd.“
„Nicht fremd?“ wiederholte Wyngard kopfſchüttelnd, „und doch, wenn
ich den Klängen Deiner Sprache trauen darf, liegt Deine Heimath weit
im Süden. Auch ich habe in meiner Jugend das ſchöne Land geſchaut, wo
die Citronen blühen und wo die Goldorange aus dem Blätterdunkel
glüht.“ ö
„Du ſahſt Italien?“ frug freudig die Colombine.
„Ich ſah Neapels ſchönen Golf in der Abendröthe Strahl,“ ant-
wortete Wyngard mit freundlicher Betonung, „und den Veſuv, wie ihn
das Morgenlicht vergoldete.“
„O ſchönes theures Land,“ rief leiſe die Maske, indem ſie ſeine Hand
faßte und wie im Entzücken drückte, „Du ſahſt — Du empfandeſt! — O,
daß — 2
Die Redende hielt plötzlich inne, als ob ſie fühlte, daß die mächtiger
werdende Empfindung ſie zu weit fortriſſe.
„Daß ich Dein Vaterland kenne,“ nahm da Wyngard das Wort,
„und es liebe, macht Dich wohl mir um ſo weniger fremd?“
„Fremd — ein ſchmerzliches Wort!“ ſeufzte die Unbekannte.
„Es ſteht bei Dir“, antwortete Wyngard unter Lächeln, „es für
Dich bei mir in Nichts aufzulöſen.“
„So ſicher ſprichſt Du?“ bemerkte das Mädchen und indem es das
Köpfchen langſam ſchüttelte. „Wenn aber die Binde einſt fallen ſollte,
wenn klar Dein Auge ſchaut —“
„Mein Auge ſieht jetzt ſchon klar,“ fiel Wyngard lebhaft ein, „Schön-
 
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