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Heidelberger Familienblätter — 1862

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Nr. 104 - Nr. 115 (3. September - 28. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43183#0433

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Heidelberger Familienblätter.

Nr. 108. Freitag, den 12. September 1862.

Die Roſe der Herzogin.

Novellette von Frz. Ceſervenka.

Cortſetzung. );

Nach tiefer Verbeugung zogen ſich die Damen zurück. Die Herzogin
trat an die Gräfin Röder heran und flüſterte ihr die Worte zu: „Ich
wünſche Sie noch hier zu ſprechen.“
Iin Vorzimmer trennten ſich die Damen nach allſeitigen Begrüßungen
und zogen ſich in ihre Gemächer zurück. Ein Kammerdiener leuchtete der
Oberſtallmeiſterin, welche nicht im Schloſſe wohnte, bis hinab zum Wagen,
der bereits ihrer harrte.
Zu Hauſe angekommen, empfing ſie ihr Gemahl, der nicht erwarten
konnte, wie ſein Auftrag erfüllt worden.
„Nun mein Herzchen,“ ſprach er, ſich die Hände reibend, „haſt Du
etwas erlauſcht?“
Schweigend übergab ihm die würdige Frau die Papierſtreifen, in-
dem ſie ſich in ihr Zimmer zurückzog, um ſich auszukleiden.
Das Geſicht des Oberſtallmeiſters glänzte vor Freude, ſein Mund
verzog ſich zu einem Grinſen, das ein Lächeln bedeuten ſollte.
Er ſetzte ſich zum Tiſche und begann die Theile zuſammenzuſetzen,
in welcher Arbeit ihn ſeine Frau unterſtützte, welche, in ein elegantes
Negligee gekleidet, zurückkehrte und ihrem Gemahl gegenüber Platz nahm.
Bei dieſer wichtigen Arheit unterhielten ſie ſich bereits mit Plänen
für die Zukunft, die ſie als realiſirt betrachteten, als eine Stunde ſpäter
aus den auf dem Tiſche aneinander gereihten Theilen die Worte zu leſen
waren:

„Meine Leidenſch — keine Grenzen — — — ich Sie liebe — —
zum Wahnſ — — der letzte Hauch — — ich liebe — — eine rothe
Roſ — auf dem morg — — Ball — das Zeichen — höchſt — Glück —

„ Gr — — W — —

„Alſo doch eine Liebesgeſchichte,“ bemerkte höhniſch lächelnd die Ober-
ſtallmeiſterin, „ſieh' mal an, das hätte man nicht denken ſollen.“
„O ich merkte dergleichen ſchon lange,“ ſchmunzelte ſelbſtgefällig der
Gemahl; „ich kenne auch die Handſchrift. Es ſind dies Graf Werner's
Schriftzüge. Alſo eine rothe Roſe. Ei, ei, zu was unſere ſchönen, jetzt
im Winter ſo ſeltenen Blumen nicht alles gut ſind. Nun, wir wollen
uns die ſes Zeichen merken und Se. Hoheit zu geneigter Zeit die ſchöne
Blume zeigen und den nöthigen Kommentar dazu liefern.“
Die Schloßuhr verkündete die Mitternachtsſtunde, als das Pärchen
ſich trennte, um auf ihren Zimmern ſich den Träumen einer ſchönen,
glanzvollen Zukunft hinzugeben. ö
 
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