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Heidelberger Familienblätter — 1863

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Nr. 1 - Nr. 12 (4. Januar - 30. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43184#0021

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Deelberar auniumune.

Nr. 6. ö aaal, den 16. Zanuar . — — 1864. ö

5 2577

*

enh von Fr. WIIS Wutff.

Gortſezung.) ö ö 2*
Daß der alte reußiſch Invalide es während ſeiner Erzählung' an
Ausfällen auf Napoleon und die' franzöſiſche Nation nicht fehlen ließ,
brauche ich wohl kaum zu erwähnen, aber er ließ dennoch dem Genie
Bonaparte's vollſtändige Gerechtigkeit widerfahren.
Nach Beendigung ſeiner Erzählung war Tönsdorf wieder der Altt.
Er zechte mit uns um die Wette und ließ keine Gelegenheit vorübergehen, ö
welche ihm geſtattete, auf Deutſchlands Wohl fein Glas zu leeren.
„Ehe wir aufbrechen, will ich Euch noch eine Hiſtorie aus meinem
Leben erzählen,“ ſagte er im Lauf des Abends; der Zeiger der Uhr kündete
bereits die Mitternachtsſtunde an und Einzelne küſteten ſich ſchon zum
Aufbruch. „Aber ſie iſt. nichis weniger als luſtig, das ſag' ich CLuch im
Voraus.“
Wir büldeten einen Kreis um den alten Soldaten, welcher einen langen
Zug aus ſeiner Pfeife that und dann zu erzählen begann:
„Es war kurz nach der Jenaer Schlacht. Unſer Corps war von
Murats Eiſenreitern auseinäander geſprengt worden. Wir hatten uns
wacker geſchlagen und die Leichen vieler tapferen Kameraden bedeckten das
Schlachtfeld, aber das Glück des Tages war gegen uns. Wir hatten
früher den Bonaparte gewaltig in die Enge getrieben und das Centrum
des franzöſiſchen Heeres, welches der Corſe in eigener Perſon befehligte,
zweimal durchbrochen. Schon waren die Franzoſen auf dem Rückzuge be-
griffen, da führte der Teufel das feindliche Reſervecorps des Marſchalls
Augereau herbei und dieſe unverhoffte Hülfe entſchied die Schlacht zu un-
ſerm Nachtheil. Wir mußten weichen. Wenige Meilen von Jena Kiegt
hart an der Landſtraße ein kleines Dörſchen. Hier ſammelte ſich der Reſt.
unſeres verſprengten Reglments und zog ſich in guter Marſchordnung über
einen kleinen Fluß zurück, deſſen hoher ſteiniger Uferrand uns die Hoff-
nung einflößte, wenigſtens für's Erſte die Angriffe der uns verfolgenden
feindlichen Reiterſchwärme zurückſchlagen zu können.“ ö
„Es gelang uns, hier nach mühſeligen Anſtrengungen feſten Fuß zu
faſſen und uns mehrere Stunden gegen Murats Reiter und gegen ein
feindliches Garde⸗Regiment zu behaupten, welches mehrfacht verſuchte, uns
aus unſerer Poſition zu vertreihen. Es war ein Kampf der Verzweiflung,
aber wir waren entſchloſſen, uns bis auf den letzten Mann zu halten und
keinen Pardon anzunehmen von den übermüthigen Siegern. Wir waren
ein kleines äaber tapferes Häuftein, welches dem überlegenen Feinde mit
kalter Todesverachtung Trotz bot. Ich kann Euch das Gefühl nicht be-
 
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