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Heidelberger Familienblätter — 1865

DOI Kapitel:
No. 26 - No. 39 (1. März - 31. März)
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Heidelberger Tamilienblätter.

31. Sonntah, den 12. März 1865.

Erinnerungen an Karl Gutzkow.
Von Alfred Meißner.

Die tiefe Erſchütterung will mich noch immer nicht verlaſſen, mit der
mich die Kunde vom Ereigniß von Friedberg betraf. Ich habe ſeitdem,
was ich auch thue und treibe, das blutbefleckte Bett und ſeine edle Bürde
immer vor Augen. So viel iſt ſchon darüber geſchrieben worden, mir aber
iſt zu Muthe, als könne das Lied der Klage gar nicht zu Ende geſungen
werden, als müſſe vielmehr eine Stimme ſie aufnehmen, wenn eine andere
ſie fallen gelaſſen. ö ö
Ich habe Gutzkow, wenn ich an ihn denke, noch immer vor Augen,
wie ich ihn ſah am Abend ſeines — vielleicht ſchönſten, reichſten Erfolges —
am Abend der erſten Aufführung ſeines „Uriel Acoſta.“ Es war zu Dres-
den am 13. December 1846. Welch ein Herbſt das war, welches Leben
ſich da zuſammendrängte! Richard Wagner war eben mit ſeinem „Tann-
häuſer“ hervorgetreten, der Schiller-Tag brachte die „Karlsſchüler“ und
nun folgte der „Acoſta“. Eine neue, eine große Aera der deutſchen Bühne
ſchien im Anzuge zu ſein. Welchen Triumph hatten der Dichter und der
damals noch in Fülle ſeiner Kraft ſtehende Darſteller ſeines Helden, Emil
Dervrient, gefeiert! Und als ſich nun ſpät, gegen Mitternacht, im Salon
Ferdinand Hiller's, des Componiſten, eine zahlreiche Geſellſchaft, viel von
dem, was Dresden an bekannten Leuten und ſchönen Frauen beſaß, zu-
ſammenfand, Alles bewegt, erregt von einem Erfolge, der vorderhand jedes
Bedenken zurückdrängte, und nun der Dichter, der Held des Abends, er-
ſchien, eine ſchlanke Männergeſtalt, den Kopf von intereſſanteſtem Geſichts-
ſchnitt leicht vorgebeugt wie von ſummender Gedankenlaſt, und Alles ſich
glückwünſchend an ihn herandrängte — wie beneidenswerth erſchien er, wie
beneidenswerth ſein Dichterloos! ö
Zwei Jahre ſpäter tagte das Parlament in Frankfurt. Wie ſo viele
Andere erſchien auch Gutzkow in der Stadt, wo dem Anſchein nach die
Schickſale Deutſchlands entſchieden werden ſollten. Er liebte den Rheingau,
hatte Freunde und Bewunderer dort, wie allenthalben, und nun vollends
— er athmete gern die Luft der Brandung, die eben dort wehte. Es war
im Herbſt. Bei aller Wucht der Zeitereigniſſe machten doch die Lebensluſt
und der Augenblick ihr Recht geltend. Nachdem der Vormittag in den
Paulskirche verbracht worden war, ſammelte ſich Nachmittags eine Geſell-
ſchaft zu Ausflügen, heute nach Ober⸗, morgen nach Niederrad, ein drittes
Mal nach der Ruine Königsſtein. Gutzkow's Verleger, der Buchhändler
Löwenthal, Hoffmann, der Arzt und Humoriſt, dem die deutſche Kinder-
welt die unvergängliche Geſtalt des Struwelpeter verdankt, der Maler Becker
von Worms, der treffliche Rütten, das war ein Kreis, in welchem ſich
Gutzkow gerne befand. * ö
Er, der ſonſt ſo ſtill, wie verloren in hinträumender Gedankenarbeit
war, wie freundlich heiter, ohne Dünkel und ohne Emphaſe bewegte er ſich
 
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