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Heidelberger Familienblätter — 1865

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No. 78 - No. 90 (2. Juli - 30. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43186#0349

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Heidelherger Familienblätter.

87. Sonntag, den 23. Juli 1865.

Ein Schiffsbrand.

Paris, 14. Juli. Es liegt jetzt eine Erklärung der Schiffbrüchigen
des „William Nelſon“ vor, aus der klar und deutlich hervorgeht, daß der
Capitän Smith und ſeine Mannſchaft, ſowie Diejenigen, welche das Schiff
ausgerüſtet, nicht gut gehandelt haben. Die Erklärung lautet, wie folgt:
„Wir Unterzeichnete, die Emigranten und unglücklichen Paſſagiere des
amerikaniſchen Schiffes „William Nelſon“, Capitän Smith, auf welchem
wir uns in Antwerpen nach Neuyork eingeſchifft haben; wir, die wir durch
den Willen Gottes und durch die Menſchlichkeit des Capitäns Bocarde,
Commandanten des Dampfbootes „Lafayette“, und des Capitäns Stetſon,
Commandanten des amerikaniſchen Schiffes „Mercury“, gerettet worden
ſind; wir empfinden in unſerer Trauer um ſo viele verlorene Reiſegefähr-
ten das Bedürfniß, unſern Rettern unſere tiefe Erkenntlichkeit auszudrücken
und zugleich die Wahrheit zu ſagen. Wir erklären deßhalb feierlich: daß,
als wir das erſte Mal die Schiffskoſt (auf dem „William Nelſon“) aßen,
man uns dermaßen verbrannten und ungenießbaren Reis vorſetzte, daß der
größte Theil von uns denſelben ins Meer warf; daß bald darauf der Koch
aus der Küche entfernt wurde und unſere Frauen den Küchendienſt ver-
ſahen; daß, als Klagen über die Vertheilung und die Unzulänglichkeit der
Rationen laut wurden, einige unſerer Gefährten es übernahmen, etwas
Ordnung in den Dienſt zu bringen. — Man vertheilte 485 ganze und.
15 halbe Rationen, was 500 bis 510 Paſſagiere an Bord des Schiffes
vorausſetzen läßt. Eine von uns aufgeſtellte Liſte gibt die Zahl derſelben
auf 501 an, und dieſe Zahl ſtimmt mit' den Antwerpener Liſten überein.
Die Zahl der Rationen wurde vermehrt, aber auf Koſten ihrer Größe und
ihres Gewichtes, und wir hatten niemals genug zu eſſen. Daſſelbe war
mit dem Waſſer und dem Kaffee der Fall. ö
„Der Capitän wollte vier von uns eine Liſte unterzeichnen laſſen, auf
welcher weder etwas gedruckt noch geſchrieben ſtand: ſie wußten nicht,
warum ſie dieſes thun ſollten, und verweigerten es zuerſt; da man aber
Drohungen gegen ſie ausſtieß, ſo gaben ſie ihre Unterſchrift und wurden
von da ab gezwungen, Schiffsdienſte zu thun. Sie hatten eine Anwer-
bungsſchrift unterzeichnet. Drei dieſer Vier haben ſich gerettet und ſind hier.
„Der Capitän ſpricht deutſch. Es befand ſich kein Arzt an Bord.
Unter den Paſſagieren herrſchte keine Krankheit. Am 25. Juni wurde
Frau Prinz glücklich von einem Knaben entbunden. Am 26. ließ der Ca-
pitän Jedermann aufs Deck kommen; Frau Prinz wurde ebenfalls herauf-
gebracht, und man ſchritt zur Ausräucherung des Zwiſchendeckes. Das
Feuer brach aus und ergriff mit einer ſchreckenerregenden Schnelligkeit das
ganze Zwiſchendeck, die Segel und die Maſtbäume. Was von dieſem Au-
genblick an vorging, kann keine Feder beſchreiben. Waſſer zu ſchöpfen, war
der erſte Gedanke der Paſſagiere. Aber wie ſollte man dies anfangen?
Es waren nur einige Eimer vorhanden. Die Matroſen und Paſſagiere
verſuchten, die Boote ins Waſſer zu laſſen. Faſt alle Matroſen retteten ſich.
 
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