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Heidelberger Familienblätter — 1867

DOI Kapitel:
No. 141 - No. 152 (1. Dezember - 29. Dezember)
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HBeridelberger Familienblätter.

* 151.ͤ Mittwoch, den 25. Dezenber ůDÆ 1857.

Gin bäßlies WaDHen.

Eine kleine aber wahre Geſchichte
von
Edmund Hahn.

Cortſetzung.).
In dieſem Augenblick kam Hermine auf ihn zu und ſagte lachend:
„Zeichen und Wunder geſchehen, Marie Mannsberg tanzt mit den beſten
Tänzern und hat ein Ballbouquet, zu dem ſie nicht ihr kleines Taſchengeld
verwendet hat, den ſie ſtickt für Geld.“
„Ich vermuthe, Fräulein Mannsberg wird heute noch mehr nanzen,
zum Beiſpiel den Cotillon mit mir.“
Die Schöne zuckte mit ihren weißen Schultern und lächelte. Sie er-
ſchien in dieſem Augenblicke dem gutmüthigen Walter gar nicht hübſch.
Als gegen Morgen Walter in ſeinen Mantel gehüllt den Heimweg
antrat, dachte er: „Das war doch der unterhaltendſte Ball, den ich jemals
mitgemacht habe; am Angenehmſten war das Souper. Ich kenne keine
andere junge Dame, mit welcher es ſich ſo angenehm ſpricht, als mit dieſer
Marie Mannsberg. Merkwürdig, wie ſie in Sprache und Bewegungen meiner
guten Mutter gleicht; ich glaube, ihr würde Marie ſehr gefallen.“
Die Doktorin Mannsberg ſagte zu ihrer Tochter: „Auf dieſem Balle
warſt Du recht vergnügt, mein liebes Kind. Iſt ſo ein Feſt auch nur ein
Jugendtraum, nun, ſo haſt Du doch auch einmal ſchön geträumt.“
„Der gute Walter!“ ſagte Marie zu ſich. „Lieben kann er freilich
mich, das häßliche Maͤdchen, nicht, aber ſeine Achtung thut mir wohl.“
Am andern Tag ſtrahlte die Sonne wie im April. Marie war früh
aufgeſtanden, haͤtte ihre Morgenarbeit gethan und ging in Begleitung ihres
jüngſten Bruders dem abgelegenen Häuschen zu, das ihre geweſene Amme,
Frau Hornauer, bewohnte.
An der Thüre deſſelben ſagte Benno: „Der Tag iſt zu ſchön, um ihn
im engen Stübchen zuzubringen, ich will mich des ſchulfreien Tages im
Wäldchen erfreuen; in einer guten Stunde bin ich wieder da und hole
Dich ab.“
Marie nickte mit dem Kopfe und reichte dem Bruder die Hand.
Als ſie in das kleine, ſauber gehaltene Stübchen trat, flog ein zahmer
Kanarienvogel auf ſie zu und ſetzte ſich auf ihre Schulter.
„Guten Morgen, Amme!“ rief Marie fröhlich, und „Guten Tag Herz⸗ ö
engelchen!“ ſcholl es von den Lippen der ältlichen Frau zurück.
Marie legte gewandt Hut und Mantel ab und ſagte lächelnd: „Jeht
will ich nach Deinem Fuße ſchauen, Mutter Hornauerin, und iſt die Brand-
wunde im Heilen, darfſt Du heut über acht Tage ausgehen. Hier, nimm
dieß Stückchen Kuchen, ich habe es Dir vom Ball mitgebracht.“
„Großen Dank, und wie war es denn auf dem Balle? Haſt Du recht.
getanzt, Herzchen? Ou ſiehſt ja ganz beſonders glücklich aus.“
 
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