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Heidelberger Familienblätter — 1878

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No. 18 - No. 26 (2. März - 30. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43708#0077

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enriſhe Beuage zur gehelerner Heis.

Saniſtag, den 2. Mätz

1578.

Ber Rechte.
Erzählung von E. Hartner.
ö CFortſetzung.)

Frau von Reichenan warf einen langen Blick auf
ihre Tochter und wendete ſich dann wieder Hubert zu,

der düſter in das Waſſer ſtarrte, das raſch von dem

Schiff durchſchnitten wurde. ö
„Und weiter nichts ?“ ſagte ſie langſaam. ö
»Nichts!“ verſetzte Hubert dumpf. Beide ſchwiegen.
„Es führt zu nichts, Sie täuſchen zu wollen!“ ſagte
er nach einer Weile, indem er aufſtand und ſich noch
mehr von der Geſellſchaft zurückzog. „Es iſt allerdings
nichts weiter beſprochen worden, aber ich habe auch eine
direkte Frage und Antwort — eine Beſtätigung von
dem erhalten, was ich freilich längſt wußte. — Was ich
damals mit Ihnen beſprach, gnädige Frau, iſt ein eitler
Traum ge
deſto beſſer!“ —
9.— ſtarken Mannes Geſtalt bebte, während er
pra — *
„Sonderbar!“ ſagte Frau von Reichenau zu Boden
ſehend. „Ich hatte aus manchen Beobachtungen einen
andern Schluß gezogen. Indeß muß die Mutier natür-
lich ſchweigen, wo der Liebende —“ ö
„Ich muß dieſen Conferenzen ein Ende machen!“
rief der Oberſt von Rambow mit lauter Stimme. „Kein
téte-A-téte mehr am heutigen Abend, wenn ich bitten
darf! — Verehrte Freundin, haben die Geſchäfte nicht
bis morgen Zeit? Herr von Nordeck gibt Ihnen ſeinen
juriſtiſchen Rath gewiß lieber bei Tageslicht, als in die-
ſem zauberhaften Mondſchein ꝰ
„Es thut mir leid, Herr Oberſt, daß Sie mich
nur zum Juriſten brauchbar zu finden ſcheinen!“ ſagte
Hubert lächernd und nahm den Sitz ein, den ihm der
Oberſt bot.
„Das weiß die ganze Stadt, daß Jeder, der Rath
und That braucht, zu Herrn von Nordeck flieht!“ lachte
der gutmüthige Mann. „Als unſere verehrte Freundin
plötzlich mit ſo ernſter Miene aufſtand und zu Ihnen
trat, ſah ich ganz deutlich, daß Paragraphen und Geſetze
am Horizont aufzogen.“ ö
„Unſer guter Oberſt hat einen untrüglichen Scharf-
blick!“ ſagte die Dame mit leiſem Spott. „Laſſen wir
letzt den Ernſt ruhen, mein lieber junger Freund, und
erfreuen wir uns der Geſellſchaft, ſo lange wir noch zu-
ſammen ſind.“ — *

„Da wären wir ja wieder!“ rief der Oberſt, als

das Dampfſchiff ſich der Landeſtelle näherte. „Das war
ein ſchöner Tag! Wer weiß, wenn wir wieder ſo fröh-
lich zuſammen ſind!“ ** —
„„Das hängt von Ihnen ab,“ ſagte Frau von
Reichenau. „Wenn die Herrſchaften einmal verſuchen
wollen, wie es ſich im alten Hauſe am Markt leben läßt,
ſo bitte ich Sie Alle, übermorgen den Abend bei mir zu-
zubringen!“

geweſen, den wir vergeſſen müſſen. Je eher,

5„Wir werden kommen!“ ſagte der Oberſt mit herz-
lichem Händedruck. „Für den militäriſchen Theil der
Geſellſchaft ſage ich zu U
„Und ich für den civilen,“ ſagte der Präſident. —
„Wenigſtens, was meine Familie anbetrifft I“II
Hildegard ſah ſtarr auf Hubert, aber in ſeinen
ruhigen Zügen war nichts zu leſen. ——
„Wenn Sie nicht kommen wollen, Herr von Norbeck,
ſo ſind Sie auch ohne Abſage entſchuldigt!“ ſagte Frau
von Reichenau leiſe, als der junge Mann ſich ver-
abſchiedete. —
„Ich bitte um Bedenkzeit!“ ſagte Hubert ebenſo und
empfahl ſich. ö
In der Racht, die dieſem Tage folgte, ſtand Hilde-
gard lange am Fenſter und ſtarrte in die Dunkelheit
hinaus. Jetzt dachte ſie nicht daran, ihre Gefühle in
Proſa und Verſen auf weißem Velinpapier niederzu-
ſchreiben. — Die Zeiten des rothen Buches waren vor-
über und die Zeiten frohen Jugendübermuthes auch.

Unruhige Stunden.

„und ich ſage dir, Valy, mit Hildegard iſt gar nichts
mehr anzufangen! Unter zehn Mal, daß man ſie ein-
ladet, ſagt ſie neun Mal mit den wichtigſten Entſchul-
digungen ab und das zehnte Mal iſt ſie ſo biſſig und
borſtig, ſo ganz vollkommen unausſtehlich, daß man froh
iſt, wenn man ſie auf gute Manier losgeworden iſt!
Wenn du ihr nicht einmal gründlich den Kopf zurecht-
ſetzeſt, ſo weiß ich wirklich nicht, was noch werden ſoll!“
So klagte Klara von Rambow, waͤhrend ſie ihren

hübſchen Kopf dicht an Valentinens Ohr neigte, damit

die gewöhnlichen Sterblichen am Zeichentiſch nichts von
dem flüſternden Geſpräch der haute volée verſtehen ſoll-
ten. Die haute volée beſtand jetzt nur noch aus zwei
Perſonen, denn Hildegard hatte wirklich vor einer Stunde
ihren Austritt aus der Zeichenſtunde in einem zierlichen
Briefchen angezeight.
„Liebſte Klara, du quälſt und neckſt ſie aber auch
fortwährend!“ erwiderte Valentine eben ſo leiſe.
Klara ſchüttelte den Koffrf.
„Das iſt es nicht! Glaube mir, Valy, die Geſchichte
ſitzt tiefer! Siehſt du, ich laſſe keinen Menſchen in Ruhe,
als nur allenfalls dich allein, und Hildegard und ich,
wir beide haben uns ja immer geſchraubt und gerieben,
ſeit wir zuſammen auf der Schulbank ſaßen. Aber da-
mals war es anders. Wir wußten beide, daß es nicht
ernſt gemeint war und nahmen uns darum nichts übel.
Aber ſeit der Geſchichte mit Erbach“ —
„wWas iſt da eigentlich geſchehen?“ unterbrach ſie
Valentine. „Du weißt, ich war ſchon fort!
„Ja, wenn ich das nur wüßte!“ verſetzte Klara
achſelzuckend. „Ich ſage dir ja, es kann kein Menſch
mehr aus dieſer Hildegard klug werden! Ich verweite
meinen Kopf darauf, daß ſie ſich damals, zur Zeit des
ſtarb⸗ Juriſtenfeſtes — du erinnerſt dich, wie Arnſtein
tarb“ —L—§—Te *
„Ich weiß!“ ſagte Valentine leiſe und neigte ſich
tiefer über die Blumen. ö
 
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