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Heidelberger Familienblätter — 1881

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Nr. 1 - Nr. 8 (5. Januar - 29. Januar)
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heidelberger Fanilirnblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Geidelberger Zeitung. ö

Ar. 7.

Mittwoch, den 26. Januar

1881.

Der Student.
Eine hiſtoriſche Novelle von L. Du Bois.

Cortſetzung.) ö
In völliger Dunkelheit auf ſeinem troſtloſen Lager

fitzend, erſchienen ihm die Begebenheiten des Abends wie
Vergebens rieb er ſich die Augen

ein ſchrecklicher Traum.
und bemühte ſich, aus dem eingebildeten Schlafe zu er-
wachen. Die ſchreckliche Wirklichkeit drängte ſich ihm zu

überzeugend auf. Er dachte an Roſaura, die erſte Urſache

ſeines Unglücks, und wurde faſt zweifelhaft, ob ſie wirklich
ein Weib oder ein dämoniſches Weſen in der Geſtalt eines
Engels ſei, welches zu ſeinem Verderben abgeſendet worden
war. Auch an Regato dachte er, und zwar mit unbe-
ſchreiblicher Bitterkeit. Er, der Freund, dem er ſo unbe-
grenztes Vertrauen geſchenkt hatte, ihn ſo zu betrügen, nur
um ſich ſelbſt zu retten! Er hatte alſo Niemand mehr,
von dem er Hilfe erwarten konnte. Der König war todt,
und ſein Nachfolger, Don Carlos, der Beſchützer der In-
auifition, verdankte ſeine Krone dem mächtigen Tadeo, den
Federico beleidigt und perſönlich mißhandelt, ja deſſen
Liebesverhältniß er ſogar zu ſtören gewagt hatte und deſſen
Rache er jetzt preisgegeben war. Er fühlte, daß ſein Schick-
ſal entſchieden ſei. Schon hörte er im Geiſte das Raſſeln
der ſchweren Ketten in den Kerkern der Inquiſition, und
ſeines natürlichen Muthes ungeachtet überlief ihn ein Schau-

der, als er plötzlich die Riegel an der Thür ſeines Gefäng-

niſſes öffnen hörte. Im nächſten Momente ſchloß er, von
einem eindringenden Lichtſtrahl geblendet, die Augen.
Als Federico ſie wieder aufſchlug, ſtand der Graf vor
ihm. Mit dem Muthe der Verzweiflung begegnete er dreiſt
ſeinem durchbohrenden Blicke, und ſtumm betrachteten ſich
Beide eine Zeit lang, bis endlich der Graf das Schwei-
gen brach. * 2
„Ich bin gekommen, um Euch einige Fragen vorzu-
legen,“ begann er. „Antwortet der Wahrheit gemäß, und
Eure Haft wird vielleicht kurz ſein. Hintergeht Ihr mich
aber, ſo wird Euer Leben noch kürzer ſein und Eure Ver-
brechen ſollen den verdienten Lohn empfangen!“
„Ich fühle mich keines Verbrechens ſchuldig,“ entgeg-
nete Federico; „ich bin das Opfer von Verhältniſſen.“
„Und was für Verhältniſſe ſind das?“ fragte der Graf
geſpannt. *
Federico ſchwieg. ö
„Kennt Ihr mich, Sennor?“ fuhr der Graf fort.
„Nein,“ war die Antwort.
„So nehmet Euch in Acht, daß Ihr mich nicht zu

wohl kennen lernt! Weshalb verbargt Ihr Euch in jenem

Cabinet? Wo iſt das Papier, welches Ihr mir geſtohlen
habt? Wer hat Euch den Eintritt in mein Haus ge-
fattet? Gehört Ihr einer geheimen Geſellſchaft an?
Seid Ihr als Spion abgeſchickt worden? In dem Ca-
dinet fand ſich ein Dolch — war es Eure Abſicht, mich
zu ermorden ?“ ö ö
Nach jeder Frage hielt er einen Augenblick inne, allein

leſen.

Federico antwortete auf keine derſelben, mit Ausnahme der
letzten, welche er kurz und beſtimmt verneinte.
„Ihr thätet am beſten, ein offenes Geſtändniß abzu-

legen,“ fuhr Tadeo fort. „Wenn Ihr kein politiſcher Ver-
brecher ſeid, wenn keine ſträfliche Abſicht Euch dahin führte,

wo ich Euch fand, ſo gebe ich Euch mein Wort, Sennor,
— und ich gebe es nur für das, was ich erfüllen kann
und will, — daß Ihr augenblicklich in Freiheit geſetzt
werden ſollt.“ —
„Ich habe nichts weiter zu ſagen,“ erwiderte der junge
Mann, als daß es nicht meine Abſicht war, Eure Unter-
haltung zu belauſchen. Ein Zufall brachte mich an den

Ort, wo Ihr mich entdecktet, und ich bedauere ſehr, daß

ein unwillkürliches Geräuſch meine Gegenwart verrieth.“
„Iſt das Alles, was Ihr zu ſagen habt?“
„Alles.“
VIhr wißt nicht, mit wem Ihr zu thun habt!“ rief
der Graf. Dann ſeine Stimme dämpfend, fuhr er mit
einem Lächeln fort, welches für freundlich gelten ſollte:
„Oder war es vielleicht ein Liebesverhältniß, was Euch
in mein Haus führte? Sprechet, junger Mann, welche
von Donna Roſaura's Dienerinnen war es, die Ihr
ſuchtet? Wer führte Euch in jenes Gemach? Geſtehet
mir das! Saget mir über dieſen Punkt die reine Wahr-
heit, und ich will nicht nur Alles vergeſſen, ſondern ſogar
noch Euer Schuldner bleiben.“
Während dieſer Worte drückte das Geſicht des Grafen
Empfindungen aus, welche mit dem ſanften zuredenden
Tone in grellem Widerſpruch ſtanden. In dem krampf-
haften Zucken deſſelben und in dem wilden Feuer ſeiner
Augen konnte man uur zu deutlich glühende Eiferſucht
Er ſah aus wie ein Tiger, der auf ſeine Beute
ſpringen will. — ö
„Sennor,“ antwortete Federico in verächtlichem Tone,
„Ihr verſchwendet die Zeit. Wenn eine Dame mich in

Euer Haus ließ, ſo ſeid verſichert, daß ich nie ihren Na-

men verrathen werde. Von mir erhalten Sie keine Ant-
wort. Thuet mit mir, was Ihr wollt! In dieſem un-
glücklichen Lande gilt die Macht mehr als das Recht.“
„Elender, Du haſt Dich verrathen,“ rief der Graf,
wüthend auf den furchtloſen Gefangenen losgehend. „Ich
will Dich zertreten wie einen Wurm! Eine Dame hätte
Dich dort verborgen? Welche freche Verleumdung!“
Er konnte ſeine Wuth kaum mäßigen. Endlich jedoch
ſich ſammelnd, fuhr er fort: ö
„Es iſt erwieſen, daß Ihr der Spion einer gefährlichen
verrätheriſchen Verbindung ſeid. Wo iſt das Papier, wel-
ches Ihr mir geſtohlen habt ?“ ö
„Ich habe kein Papier und werde auch keine Fragen
mehr beantworten,“ entgegnete Federi'co. „Thuet mit mir,
was Euch beliebt.“ ö 2.
Der Graf ging an die Gefängnißthür, worauf zwei
Männer eintraten. Während der eine die Kleidung des
jungen Mannes vergebens durchſuchte, empfing der andere
vom Grafen mehrere leiſe Befehle. Die letzten Worte,
welche Federico vernahm, waren nicht geeignet, ihn über
ſeine Zukunft zu beruhigen. ö *
 
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