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Heidelberger Gerneral-Anzeiger — 1.1883

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Nr. 1 - Nr. 10 (1. Oktober - 11. Oktober)
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handeln, rechnen und voraussehen. Bei ihnen wird
die Unfähigkeit eine Mitschuld, welche die noth-
wendige und bedauernswerthe Plattheit offizieller
Entschuldigungen nicht lindert. Lassen wir bei
Seite den äußeren Gesichtspunkt, welcher als zu
empfindlich, allzu schmerzlich hier zu berühren ist;
scheint es Einem nicht, daß vom Gesichtspunkte der
inneren Sicherheit dasjenige, was sich am letzten
Samstage ereignete, im höchsten Grade beun-
ruhigend ist? — Wie würde man sich dabei an-
stellen, eine nur ein wenig ernste Erhebung nieder-
zuhalten, wenn man nicht mit ein paar Hundert
Schreiern hat fertig werden können?- Herr Grevy
sollte Alles geschehen lassen? und Daniel Wilson
(der Schwiegersohn Grevy's, welcher sich stark in
Regierungsgeschäfte mischte) würde in seinem Jour-
nale schreiben, daß nach Allem die Anführer ihr
Gutes haben. Wir sind also in voller Auflösung,
in vollendeter Mißachtung, und wenn der Er-
schlaffnngsprozeß, welchen wir seit zehn Jahren vor
Augen haben, länger anhält, so wird eines schönen
Tages Alles zusammenstürzen. Wie, die gemäßig-
ten Republikaner verstehen dieses nicht und sie ver-
suchen nicht, eine Abwehr dagegen zu setzen? Die
letzte Karte, welche der Republik bleibt, ist einen
Mann zu finden, welcher sie von sich selbst er-
löse." Alle heutigen Pariser Blätter besprechen in
dem einen oder anderen Sinne den Vorfall vom
letzten Samstag. Die Stellung des Ministeriums
scheint in der That tief erschüttert zu sein. Was
das Empfindlichste für Minister Ferry sein muß,
ist, daß alle Höfe, unter denen diejenigen von
Berlin und Wien in erster Reihe, bei Jules Ferry
vor der Reise des Königs anfragen ließen, ob die
Gegenwart des Königs zu Paris keine Unruhen
Hervorrufen würde, nnd daß nur nach Eintreffen
einer beruhigenden Antwort erst die Reise des
Königs beschlossen wurde.
Paris, 2. Okt. Man spricht von drei Ministern,
welche aus „Gesundheitsrücksichten" zurücktreten
würden; darunter der Kriegsminister General
Thibaudin und Challemel-Laeour. Heutige Blätter
behaupten hingegen, die Minister würden einst-
weilen im Amte bleiben und sich vor der nächstens
znsammentretenden Kammer rechtfertigen.
Paris 3. Okt. Man erfährt nachträglich, daß
von einem Ministerrathe in Madrid auf eine königliche
Anfrage folgende telegraphische Antwort kam: „Die
Nation und die Regierung nehmen Antheil an der
Beleidigung ihres Souveräüs. Eure Majestät
wollen sofort das Inkognito annehmen und Abends
abreisen."
Spanien.
Madrid, 2. Okt. Es hat keine Kundgebung
gegen die französische Gesandschaft stattgefunden,
Dank den Maßregeln des Präfekten, welcher eine
Ansprache an das Volk hielt und es zum Weggehen
überredete. Plakate fordern das Volk auf, jede
antifrauzösische Kundgebung zu vermeiden. Der
Skandal in Paris rief auch in den spanischen Pro-
vinzen große Erregung hervor.
hinaus, um die letzte Strecke bis zu dem Städtchen L.
zurückzulegen.
Eine Stunde war es nur noch, und dennoch wurde
sie mir lang, sehr lang. Jndesse aber war mir das
Zusammentreffen mit dem Fuhrmann auf der Poststation
von hohem Werth gewesen, denn gerade dadurch fing
ich an der Sache ein eigenes Interessen abzugewinnen.
Ich erblickte in der Tochter des Pfarrers nicht mehr
die Mörderin, sondern zunächst nur eine Angeschuldigte,
für die ich sog^r durch die Erzählung des Fuhrmanns
veranlaßt, eine gewisse Sympathie empfand. Das aber
sicherte mich zunächst vor Uebereilung.
Noch einmal stieß der Schwager ins Horn, und bald
spürte ich an dem Rasseln der Räder, an dem häufigen
Emporfchnellen des schnellen Wagens, daß wir uns auf
jenem holprigen Pflaster befanden, wie es die Land-
städtchen zu der Zeit fast überall und theilweise auch
heute noch aufzuweisen haben.
Nach wenigen Minuten war das Gasthaus erreicht,
und da dasselbe auch zugleich der bedeutendste Gasthof
des Städtchen ist, so befand ich mich einige Minuten
später in einer von vielen Menschen besuchten Gaststube,
die derartig mit Tabaksqualm geschwängert war, daß
ich nur nach längerer Anstrengung im Stande war, die
einzelnen Gruppen und Personen der heftig redenden
und gestikulirenden Menschen von einander zu unter-
scheiden.
Mühselig hatte ich mir endlich Bahn gemacht durch
den dichren Knäuel, ein bescheidenes Plätzchen in einer
Ecke aufgesucht und so Gelegenheit gefunden, mir aus
den verschiedenartigsten Mittheilungen, die sich alle auf
das stattgefundene Verbrechen bezogen, ein nothdürftiges
Bild zu machen.
Wie der Kleinstädter im Allgemeinen, waren auch
die Bewohner von L- gesprächig und frei von Miß-
trauen. Außerdem kam mir wohl aber auch meine
Erscheinung zu statten, wenigstens schien es mir so, als
ob die guten Leute mich für einen Mann von Destinction
hielten, denn wiederholt wurde ich aufgefordert, an dem
Stammtische, einem großen, runden, eichenen Tische,
Platz zu nehmen, und nicht eher ließ man nach, bis ich
dieser Aufforderung Folge geleistet hatte

Rußland.
Petersburg, 2. Okt. In wohlunterrichteten
Kreisen verlautet, daß die russische Regierung eine
Anleihe von 120 Millionen Rubel auflegen wird,
zu deren Zeichnung sich hiesige Bankiers unter der
Bedingung verpflichtet haben, daß der Termin der
Unterbringung im Auslande ihnen überlassen bleibe.
— Von der Insel La Martinique (Kl.
Antillen, franz. Besitz) wird gemeldet, daß dieselbe
am Abend des 4. Septembers und in der folgen-
den Nacht von einem furchtbaren Wirbelsturm
heimgesucht wurde. Die Verwüstungen übertreffen
alles, was an ähnlichen Schrecknissen seit Menschen-
gedenken auf der Insel erlebt wurde. Man weiß
noch nicht genau, wie viel Schiffe bei dieser Ge-
legenheit in den Gewässern zu Martinique zu
Grunde gingen, jedoch haben an allen Punkten das
Insel Seeunfälle stattgefunden. Am 4. Sept. 8
Uhr Abends war bei einem Barometer von 758
in/m das schönste Wetter. Langsam aber sank der
Thermometer, der Wind sprang von Südwest nach
Nordwest um und um 11 Uhr Nachts brach der
Sturm mit unerhörter Heftigkeit los, begleitet von
einem sündflutartigen Wolkenbruch. In der Stadt
Saiut-Pierre wurde eine große Zahl von Gebäuden
abgedeckt, während im Hafen nahezu sämmtliche
Fahrzeuge von den Ankern gerissen und auf die
Küste geschleudert wurden. Sämmtliche kleineren
Fahrzeuge sind untergegangen und spurlos ver-
schwunden.
Dänemark.
Kopenhagen, 2. Dkt. Das griechische Königs-
paar beabsichtigt am Donnerstag oder Freitag mit
dem Dampfer „Danebrog" über Lübeck und Wien
die Rückreise anzutreten. Das dem Folkething vor-
gelegte Budget weist eine Gesammteinnahme von
5lU/2 Millionen und eine Gesammtausgabe von
533/4 Millionen Kronen auf. Die Zunahme des
Staatsvermögens ist ans drei Millionen, die Ab-
nahme der Staatsschulden auf zwei Millionen ver-
anschlagt.
Serbien.
Belgrad, 2. Oktbr. Der Vizepräsident des
Staatsrathes ist mit der Neubildung des Kabinets
beauftragt.
Verschiedene Nachrichten.
— Die Frage ob an der Pariser Börse ge-
schlossene Differenzgeschäfte in Deutschland klagbar
sind, wurde vom Kammergericht in Berlin konform
der Entscheidung des Landgerichtes verneint.
In der Chininfabrik des Herrn Dr. Seyfert
in Auerbach explodirte am Montag auf bis jetzt
noch unerklärliche Weise ein Kessel, in welchem
chemische Stoffe extrahirt werden sollen, wodurch
auf der Stelle zwei Arbeiter getödtet und einer
schwer verletzt wurde.
Aus Tauberbischofsheim schreibt man:
Die Ott'schen Millionen haben auch indirekte
Mir konnte damit nur gedient sein, denn auf diese
Art war ich in der Lage, den mangelhaften Bericht des
Bürgermeisters, der sofort nach der That abgefaßt wor-
den war, durch die Wahrnehmungen Dritter zu er-
gänzen, gebe nun die Eindrücke wieder, die ich damals,
bevor ich noch den ersten amtlichen Schritt gethan hatte,
empfing. Der Sachverhalt war folgender:
Der Pfarrer Zacharias war seit etwa sechsunddreißig
Jahren in dem Städtchen L. als Stadtpfarrer ange-
stellt. Derselbe war ein Mann von seltener Lauterkeit
des Charakters, dem das Wohl aller Gemeindeglieder,
auch der Aermsten unter ihnen, am Herzen lag, und
der sich deshalb mit Recht allgemeiner Achtung und
Liebe erfreute.
Vor etwa achtzehn Jahren war der Kupferschmiede-
meister im Ort, ein gewisser Jordan, Plötzlich an der
Cholera gestorben. Ihm folgte einige Tage darauf
seine Gattin, die ein kleines Töchterchen hinterließ, das
eben das erste Lebensjahr vollendet hatte.
Da Jordan eben so wie seine Fran sich im Städt-
chen allgemeiner Beliebtheit sich erfreuten, so konnte
man sich nur schwer entschließen, das Töchterchen dem
Provinzial - Waisenhaus zu übergeben, und lange
wurde hin- und herdebattirt, was mit dem Kinde an-
zufaugen sei.
Da endlich machte der Pfarrer Zacharias den De-
batten dadurch ein Ende, daß er dem Bürgermeister
anzeigte, er wolle, da er kinderlos, das kleine Mädchen
zu sich nehmen und auf seine Kosten erziehen. Adop-
tiren konnte er dasselbe nicht, da Jordan einige Tausend
Thaler Vermögen hinterlassen, und es dann den An-
schein gewonnen hätte, als wolle sich Pfarrer Zacharias
an dem Vermögen des Kindes bereichern.
Gern ging die Bürgermeisterei auf den Vorschlag
des Pfarrers ein; wußte man dock auf diese Weise die
arme Kleine am besten versorgt. Der Pfarrer Zacharias
nahm die kleine Elise, ein hübsches, blauäugiges Mädchen,
zu sich. Und während die Haushälterin des Pfarrers
in den ersten Jahren, wo das Kind noch weibliche
Pflege bedurfte, ihr eine zweite Mutter war, ersetzte
ihr der würdige Seelenhirt später den Vater. Und so
wuchs Elise zur Freude ihres Pflegevaters und fämmt-

Erben. Ein hiesiges erstes Geschäft, Emanuel St.,
macht bekannt, daß es sein Waarengeschäft aufgiebt
und blos noch Bankgeschäfte abschließe. Der Chef
des Hauses war seiner Zeit finanzieller Beirath der
Erben, machte die Fahrt nach Wien mit, erhob
dort die Gelder nnd setzte solche in Staatspapiere
um; auch leitete er die Auszahlungen der riesigen
Summen an die Erben; daß die Mühen nicht
nnhonorirt blieben, ist selbstverständlich, und hat
das Haus eine sichere Klientel an den Erben ge-
wonnen. (N. B. Ldsztg.)
Weingarten, 30. Okt. Bei den hiesigen Obstver-
steigerungen auf dem Almende kam es vor, daß für einen
Baum Aepfel 7g Mark gelöst wurden, wodurch sich der
bekannte Reimspruch so recht bewahrheitet: „Auf leeren
Raum Pflanz einen Baum und pflege sein, er bringt
dir's ein." Es wurden hier aus dem Almendobst Mk.
1800. — gelöst.
8. Frankfurt, 3. Okt. Soeben fängt die Sturm-
glocke an zu läuten. Es brennt im „Erlanger Hof" in
der Nähendes Domes.
Im Fichtelgebirg wurde in der Nacht vom 30.
Sept, eine Erdcrschütteruug verspürt.
(Woher die Herzkrankheiten.) München
gilt noch immer in weiten Kreisen als eine ungesunde
Stadt. Ganz mit Unrecht! Eine vergleichende Statistik
der Krankheits- und Sterbefälle in den verschiedenen
großen Städten Deutschlands belehrt uns darüber, daß
die bayerische Hauptstadt zu den gesundesten Orten im
Reiche zählt. Doch fällt dabei eines auf — und daran
denken wohl die wenigsten : In München kommt in Ver-
gleich zu andern Städten ein unverhältnißmüßig höherer
Prozentsatz von Herzkrankheiten vor. Herr vr. Benno
Schmidbauer hat in einer Abhandlung als das die
Häufigkeit der Herzaffcktionen bedingende Moment die
Lebensweise der hauptstädtischen Bevölkerung, vor Allem
den „unglaublich großen" Bierkonsum angeführt. Der
letztere erkläre auch die Häufigkeit der Nierenerkrankungen.
Handelsberichte.
Weinheim, 1. Okt. Die Weinlese beginnt in Lützel-
sachsen am 4. d. M. Auch in mehreren Orten der Hess.
Bergstraße ist der Anfang des Herbstes auf diesen Tag
festgesetzt.
Bezüglich des Tabakgeschäftes gibt man sich der
besten Hoffnung hin. Die diesjährigen Grumpen er-
zielen einen Durchschnittspreis von etwa 8 M. für den
Zentner, aufgetrocknete Waare dagegen einen solchen von
18—20 Mark. In Lorsch wurde am 25. d. M. das
erste neue Sandblatt zu 28—30 M. 50 Kilo unversteuert
aufgekauft: Farbe und Güte befriedigten. — Das
Hopfengeschäft nahm bisher einen lebhaften Fort-
gang. Ein Nürnberger Drahtbericht vom 27. d. M.,
welcher ein Sinken von 5 Mark im Preise bezeichnete,
brachte eine Flaue im Geschäft hervor. In Schwe-
tzingen, woselbst etwa 500 Zentner auf Lager liegen
möge«, behaupten die Preise ihren Stand und man zahlt
für Primawaare 160—170 M., für Mittelwaare 120
bis 150 M. Viele umliegende Ortschaften sind fast aus-
verkauft.
Die General-Versammlung der Mannheimer Zucker-
raffinerie hat die Dividende Pro 1882/83 auf M. 70 pro
Aktie festgesetzt. — Es schweben zur Zeit Verhandlungen
behufs Anlage einer Telephonverbindung zwischen Augs-
burg und München.
Getreidelager in Berlin. Die Aufnahme der
Berliner Getreidebestände am 1. Okt. ergibt für Weizen
15,641 to., für Roggen 12,477 to., für Gerste 650 to.,
für Hafer 5002 to. — Die Spiritus-Borräthe sind bis
auf die jüngst gekündigten 400,000 Liter umfassenden
Quanten geräumt.
Getreide. Am 29. Sept, lagerten in Romans-
horn 129,890 Mctr. Getreide; in Lindau 111,591 Mctr.
und in München 170,900 Mctr. Getreide.

licher Einwohner des Städtchens heran, ohne ihre
Eltern, deren Erinnerung bald ihrem kindlichen Ge-
müthe in Folge der großen Jugend verschwunden war,
je vermißt zu haben.
(Fortsetzung folgt.)

— Es war ein Mann in der türkischen Provinz
Rum-Jli, der seinen Hund außerordentlich liebte. Als
das Thier todt war, stiftete er ein Grab in seinem
Garten und zündete darauf wie auf dem Grabe eines
frommen Mannes eine ewige Lampe an. Die Nach-
barn, die das sahen, verklagten ihn wegen Ketzerei und
er wurde vor den Kadi geladen. Der aber fuhr ihn
an; „Wie kannst du dich unterstehen, einen schmutzigen
Hund wie einen Heiligen zu bestatten und zu verehren?
Weißt du nicht, daß du die Gräber schändest und die
Frommen kränkst, indem du das unreine Thier wie einen
der Heiligen Mohameds behandelst?" Der Mann aber
antwortete: „O Herr, höre mich an, man hat dir nicht
Alles gesagt. Der Hund hat ein Testament hinterlassen,
in welchem er sich das Grab bestellt, aber auch dem
Kadi 200 Pfund und den Beisitzern je 100 Pfund ver-
macht." — Da sprach der Kadi: „Wenn es so ist, so
wollen wir den Willen des Merhum, des selig Ent-
schlafenen, ehren." Und dabei blieb es. —

Der Spezialist. A.: Was für'uVerthcidiger hat
denn der Peppo?
B.: Den Schmelzte!
A. : Thut mir leid — der sollte den Kniffet haben!
B. : Warum?
Ä.: Ja, weißt Du, für Körperverletzung ist der
Schmelzte sehr gut, aber für Unterschlagung und Mein-
eid hat er kein Talent!
Redeblume. A.: Du, der mit der großen Trommel
muß aber einmal reich werden.
B.: Warum?
A.: Weil er bei jedem Stück draufschlägt!
 
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