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Heidelberger Gerneral-Anzeiger — 1.1883

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Nr. 11- Nr. 20 (12. Oktober - 23. Oktober)
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ortes, Herrn Jones in Karlsruhe, abgehalten.
Sämmtliche Verbandsvereine Badens und der Pfalz
waren durch Delegirte vertreten, auch nahmen viele
einem Vereine nicht angehörende Verbandsmitglieder
an der Versammlung theil; von den 113 Mit-
gliedern waren 85 erschienen, das beste Zeichen
von dem lebhaften Interesse an den Bestrebungen
des Verbandes. Reichs-Archivrath Schandein aus
Speyer beehrte die Versammlung mit seinem Be-
suche und sprach sich in trefflicher und begeisternder
Rede über den großen Nutzen der Stenographie
für die gebildeten Stände aus und wünschte dem
Verbände den besten Erfolg in seinem Streben,
diese Kunst eben diesen Ständen zu vermitteln. Auch
hatte derselbe die Freundlichkeit, der Versammlung
einige seiner trefflichen neuesten Gedichte in Pfälzer
Mundart (Sängerhain, Sammlung ernster und
heiterer Gedichte) vorzutragen, wofür er reichlichen
Applaus und herzlichen Dank erntete.
— Der gefährlichste Feind unserer Fische ist,
so schreibt man von derBühler, unstreitig die an
unseren Gewässern so häufig unzutreffende Fisch-
otter; gefährlich, weil sie nicht blos Jahr für
Jahr eine respektable Menge von Fischen wegfängt
und verzehrt, sondern auch gefährlich, weil sie sehr
schwer zu fangen ist und ein erfolgreicher Krieg
gegen das Thier nur auf eingehender Kenntnis?
ihres Lebens und Treibens, ihrer Gewohnheiten
möglich ist. Hinsichtlich dieser Punkte ist es wohl
begreiflich, das unsere Fischzuchtvereine das Weg-
fangen und Erlegen einer Fischotter mit Prämien
bedenken (der Fischzuchtverein vom Kocher zahlt 8
Mark für 1 Exemplar) und daß manche Fischwasser-
pächter sichs sehr angelegen sein lassen, diesen ge-
fährlichen Räuber aus ihrem Territorium zu ver-
treiben. So ist es einigen Pächtern im Laufe
dieses Sommers gelungen, mittelst Fallen auf einer
Strecke von einer Stunde Länge 10 Prachtexemplare
von Ottern zu fangen. Es ist aus dieser That-
sache auch ersichtlich, in welcher Menge dieser Fisch-
räuber unsere Gewässer brandschatzt, und daß keine
Hebung unserer Fischzucht möglich ist, so lange nicht
dieses Thier ausgervttet ist.
— Die Mittheilung badischer Blätter, daß der
Erfinder der Uhren mit Torsionspendel, welche in.
Triberg z. Z. auf Rechnung eines Holländers an-
gefertigt werden, ein Schlesier Namens Herder sei,
ist dahin zu berichten, daß nicht dieser, sondern ein
badisches Landeskind, Uhrmacher Je hl in in
Säckingen, der Erfinder ist. Diese Erfindung wurde
vom kaiserlich deutschen Patentamt am 21. März
1879 Nr. 2437 patentirt und an Herder in Schle-
sien unter der Bedingung verkauft, daß Jehlin in
Säckingen berechtigt ist, die Uhren mit Rotations-
pendel anzufertigen, deren Verkauf jedoch auf das
Großherzogthum Baden beschränkt ist.
Frankfurt. (Selbstmorde.) Die Lebensüberdrüssi-
gen scheinen in letzter Zeit mit Vorliebe die Eisenbahn
als Beförderungsmittel aus diesem irdischen Jammerthal
in ein besseres Jenseits ausersehen zu haben. Abermals
hat sich heute Morgen im Rödelheimer Wäldchen ein
Mann vor dem nach Homburg fahrenden Güterzug auf
die Schienen geworfen und seinen Tod an fast derselben
Stelle gefunden, an welcher in voriger Woche bereits ein
Arbeiter sein Leben unter den Rädern eines Zuges der-
selben Strecke aushauchte.
— Der Kölner Wetterprophet „Prof. Dr.
Overzier", welcher im Laufe des Sommers
wegen seiner Voraussagen so viel Staub aufge-
worfen hat, ist durch das übereinstimmend äußerst
unglückliche Ergebniß der Prüfung dieser Prognosen
von der Seewarte zu Hamburg und von der kgl.
bayerischen Meteorologischen Centralstation gründ-
lich blamirt worden. Schön ist es freilich und
billig, an der Hand der Wissenschaft stets nach
der Wahrheit zu forschen, aber vergessen sollten
diese gelehrten Herren doch nicht die Lehre des
Buches der Bücher: „Wenn der Wind geht, hört
Ihr wohl sein Wehen, Ihr aber wißt nicht, von
wannen er kommt, noch wohin er geht!"
Gießen, 15. Okt. (Berhängnißvoller Pistolenschuß.)
Zwei hiesige Gymnasiasten, der eine in Begleitung seiner
Mutter, hatten sich nach dem Kloster Arnsburg begeben.
Sie vergnügten sich dort mit Spielen und kam dabei
der Eine auf den unseligen Gedanken, mit einer geladenen
Pistole auf den Anderen anzuschlagen. Die Waffe ging
los und tödtlich getroffen stürzte der Unglückliche zu Boden,
Münden» 15. Okt. (Mordthat.) In Speele
wurde am 8. d. M. die Wittwe Flohr in einer Scheune
mit zerschmettertem Schädel gefunden. Als des Mordes
dringend verdächtig ist der Taglöhner Schinge vor
einigen Tagen verhaftet worden. Schinge soll bereits
ein Geständniß abgelegt haben. Er will im Zorn, an-
geblich gereizt durch Schimpfreden der Getödteten, mit
der Axt nach deren Haupt geworfen haben.
Berlin, 16. Okt. (Selbstmord aus Liebesgram.)
Der Sekonde-Lieutenant H. des in Spandau garnisoni-
renden Garde-Fuß-Artillerie-Bataillons, Sohn einer hoch-
angesehenen Berliner Familie, hatte sich vor einiger Zeit
verlobt. Seine Braut war ein blühendes junges Mädchen,
deren Eltern gleichfalls in Berlin ansässig sind. Das
junge Paar war wie für einander geschaffen und so war

denn Alles vorhanden, was geeignet schien, ihm eine
glückliche Zukunft zu bereiten. Schon war der Hochzeits-
tag angesetzt und die Einladungen dazu ergangen, als
plötzlich in der vorvergangenen Woche die Braut von
einem Blutsturz überfallen wurde, welcher ihren un-
mittelbaren Tod zur Folge hatte. Diesen Schlag konnte
der angesichts des so nahen Glückes Plötzlich einsam ge-
wordene Bräutigam nicht überwindeu. Er wurde von
Stunde an still und einsilbig und fand an nichts Anderem
mehr Gefallen als in dem Aussuchen des Grabhügels,
der sein Liebstes bedeckte. Eines Tages der vorigen
Woche war er auch eben vom Kirchhofe in die Wohnung
seiner Eltern zurückgekehrt und hatte sich, stiller als je,
in sein Zimmer zurückgezogen. Kurze Zeit darauf fand
man ihn dort als Leiche. Er hatte durch Gift seinem
Leben ein Ende gemacht.
— Eine Geschichte, bei der es sich um die Ent-
führung eines siebenjährigen Mädchens in Paris
handelt, macht hier von sich reden. Das Kind,
ein auffallend hübsches Mädchen mit blonden Locken
und schwarzen Augen, war die Tochter einer Wittwe,
die in guten Verhältnissen lebte und sich lediglich
mit der Erziehung dieses Kindes beschäftigte. Seit
einiger Zeit merkte die Mutter, daß ein Fremder
ihr vielfach nachging, wenn sie das Kind spazieren
führte. Letzthin redete er sie an und stellte ihr,
während eines heftigen Regens, seinen Regenschirm
zur Verfügung, ein Anerbieten, welches die Frau
mit Dank annahm. Am vorigen Sonntag näherte
er sich ihnen wieder und bat die Frau, sie möge
ihm erlauben, das Kind in einen Laden zu führen,
wo er ihm etwas Zuckerwerk kaufen wolle. Seit
dieser Zeit ist das Kind verschwunden. In dem
Laden ist es nicht gewesen, dagegen hat man durch
die Nachforschungen der Polizei ermittelt, daß ein
Herr, dessen Beschreibung auf den erwähnten Mann
hindeutet, in Begleitung eines etwa siebenjährigen
Kindes mit dem Nachtzuge nach Osten gefahren ist.
Er hatte für sich und seine Begleiterin je einen
Fahrschein nach Petersburg gelöst. Die arme
Mutter ist der Verzweiflung nahe. Ein hoch-
herziges Mitglied der franz. Aristokratie hat eine
Belohnung von 10,000 Franken ausgeschrieben für
denjenigen, dem es gelingt, die Spur des ver-
schwundenen Mädchens zu ermitteln.

Gerichtszeitung.
Heidelberg, 18. Oktober. (Schöffengericht). In
der Anklagefache gegen Athanasius Berninger von Eichen-
bühl wegen Bedrohung, wnrde derselbe zu 3 Wochen
Gefängniß verurtheilt. Ludwig Hauser von Hochhausen
erhielt wegen Körperverletzung 14 Tage Gefängniß.
PH. Koppert und Ludwig Wollenwciler in Rohrbach
wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt je 8 Tage
Gefängniß. Friedrich Gamber von Heidelberg wegen
Unterschlagung, wurde freigesprochen. Martin Horn von
Ziegelhausen wegen Körperverletzung, erhielt 14 Tage
Gefängniß. Math. Hoffmann und Ludwig Werner Ehe-
wau von Dilsberg wegen Diebstahl und Hehlerei erhielt
ersterer 6 Tage, letztere 14 Tage Gefängniß. Kaufmann
Gust. Ginthum hier wegen Beleidigung, 10 Mark Geld-
strafe. Joh. Martin Gärtner von Ziegelhausen wegen
Beleidigung, kam Vergleich zu stände.

Theater.
IV. Heidelberg, 18. Okt. Zum zweiten Male zog
gestern Pailleron's Lustspiel „Die Welt, in der man
sich langweilt", in deutschem Gewände an uns vor-
über. Trotz der, nicht mit Unrecht, seit den Tagen
Lessing's bei uns Deutschen eingebürgerten Abneigung
gegen die französische Bühne müssen wir doch ihre
typischen Charaktere, ihre großen technischen Vorzüge,
die Geschicklichkeit in der Verwerthnng der kleinsten
Mittel, die Herbeiführung der Spannung und Lösung
— ihre gute Mache bewundern. Und das gilt auch von
dem gestern wiederholt aufgeführten Pailleron'schen
Stücke. Unsere schon das letzte Mal gelegentlich der-
selben Vorstellung über Frl. Korth ausgesprochene
Meinung wurde nun heute, zu unserer Freude, mit
Brief und Siegel bestätigt. Ihre Suzanne von Villiers
zeichnete trefflich das vom Dichter mit ihr beabsichtigte
Bild eines jungen, muthwilligen, unbesonnenen, bald
sich den süßesten und entzückendsten Causerien über-
lassenden, bald — weil allenthalben in der bösen Welt
sich verfolgt und gepeinigt wähnend — der Liebe Leid
aus dem gekränkten Kinderherzen an der Brust der
Herzogin aushauchenden Mädchens, welches, Roger's
halber, hier in schwärmerischer Seligkeit zum Himmel
aufjauchzt, dort sich durch die tief verwundenden Worte
der Gräfin zum Tode betrübt. Ihr Spiel war lebhaft,
ihr Geberdenspiel trefflich, die Accorde ihrer Stimme waren
mädchenhaft-schmelzend. Weiß sie doch vom Subjektiven
und Objektiven ebensoviel wie ihre Nebenbuhlerin Lucy.
Eifersüchtig auf letztere eilt sie ihrem Geliebten mit den
bittenden Worten in die Arme: „Ach, Roger, heirathe
mich!" Die Situation» wo sie dem Garten zueilt und
sagt: „Ich habe die Migräne" war von der Spielenden
ebenfalls gelungen wiedergegeben und versetzte die Zu-
schauer in die heiterste Stimmung. — Frl. v. Sato r y,
als Herzogin von Neville, bot alle ihre Kräfte auf, um
sich der ihr zugefallenen Rolle gewachsen zu zeigen.
Gewachsen? Nun wohl, — allein, wie fchon das letzte
Mal bemerkt, das phänomenale, vom Winter längst ge-
bleichte Haar im Gegensatz zu ihrem jugendlichen Na-
turell und ihrer noch mädchenhaften Rezitation schien
doch nicht so ganz der herzoglichen Würde consorm.
Bei allem sonst vollendeten Spiele saß sie da, als wenn
sie eben nur bei der Gräfin zur Audienz wäre. Wir ge-
stehen, daß wir beide Rollen, die ihrige sowohl als die

der Gräfin, gerne umgetauscht gesehen hätten. — Herrn
Nihl's Roger stand diesesmal an der Grenze zweier
sich nicht ganz das Gleichgewicht haltenden Dispositionen,
bald war Roger natürlich und befand sich ganz auf der
Höhe der ihm zugefallenen Aufgabe, bald erschien er,
statt rückhaltend und aristokratisch-vornehm, zu steif und
zu deklamatorisch. — Herr Gräbert, als Paul Raymond,
machte sich recht gut, dort namentlich, wo er mit Jeanne
der platonischen Liebeserklärungen Bellac's lachend
spottet. — Das Spiel von Frau Gräbert-v. Wald-
heim, als Frau von Loudan, war tadellos. — Auch
Frl. Unger hatte ihre Rolle als Jeanne gut aufge-
griffeu. — Herr Bremer, als Professor Bellac, spiegelte
in seinem Dialoge mit Miß Lucy die Widersprüche der
sensuellen französischen Schule getreulich wieder, welche
die edlen Regungeu des Herzens und der Liebe, wie La
Mettrie, Holbach und ü»o Asnus omns, auf den Instinkt
hinleitet oder jener Mystiker, deren irdische Liebe sich
vom Schlamme der Erde empor in die vage, blaue Un-
endlichkeit erheben möchte. — Frl. Ehrhardt gefiel mit
ihrem flüchtigen Erscheinen als Frau von Boines. Wir
jagen flüchtig, weil wir dieselbe gerne öfter auftreten
sehen würden, als dieses bisher der Fall war. — Im
Allgemeinen wurde das, wegen seines echt französischen
Charakters, fii seinen einzelnen oft sehr neckisch ver-
schlungenen Situationen eben nicht sehr leichte Stück
mit großer Präcision und durchgängig auch mit an-
erkennenswerthem Ensemble und scharfem Auseinander-
halten der Einzel-Charaktere zur Ausführung gebracht.
Das Publikum gab daher auch mehrfach seine Freude
durch geräuschvolle Heiterkeit kund. Im Uebrigen war
das Haus diesesmal weniger gut als die vorhergehen-
den Male besetzt.

Handelsberichte.
Mannheim, 15. Okt. (Produktenbörse.) Pfälzer
neuer 20 M. 50 Pf. bis 21 M., amerikanischer Winter-
waizen 22 M., Pfälzer 17—18 M., neuer Hafer, badischer
14-14 M. 50 Pf., württ. Hafer 14 M. 75 Pf. bis 15 M.
25 Pf., Bohnen 22 M. 50 Pf. bis 25 M., Wicken 18
bis 19 M., Leinöl faßweise 48 M., Rüböl faßweise 75 M.
In Durbach hat die Weinlese begonnen. Die Güte
des „Neuen" ist vorzüglich, dagegen läßt die Menge viel
zu wünschen übrig. Von einem Hrn. Ad. Schell in
Offenburg gebörigen Rebstöcke zu Ortenberg verdient
als Ausnahmeherbst Erwähnung, daß 36 Ar 85 Meter
Reben 52V- Fahrt dickrothes und IV- Fahrt weißes Ge-
wächs ergaben. Drei Fahrt ergeben dieses Jahr ungefähr
150 Liter oder 1 Ohm Wein. — In Oberkirch hat
man mit dein Herbsten in den niederen Lagen begonnen.
Der „Neue" zeigt 78 bis 83,Grad auf der Oechsle'schen
Waage; dagegen ist die Menge ebenfalls gering. Ver-
käufe wurden zu 40 bis 46 M. für den Hektoliter abge-
schlossen.
Konstanz, 14. Okt. (Obst.) Der Obstmarkt erfreute
sich letzten Freitag einer ziemlich starken Zufuhr. Für
Birnen wurde bezahlt von 9—13 M. p. Ztr., für Aepfel
von 8—10 M. p. Ztr., für Zwetschgen 7 M.
Die Weinlese in Müllheim hat hier und in den
Nachbarorten Vögisheim und Hügelheim heute ihren
Anfang genommen. Das Erträgniß ist guantitativ sehr
gering und erreicht im Durchschnitt kaum vier Ohm
auf den Morgen. Dagegen ist die Qualität gut und
sind heute Mostgewichte von 80 Grad nach Oechsle zu
verzeichnen. Es wird deßhalb voraussichtlich einen
ganz guten Wein geben, welcher sich an bessere Weine
der 1870r Jahre anlehnen wird.
Heilbronn, 16. Okt. (Obst- und Kartoffelmarkt.)
Aepfel 4 M. 50 Pf. bis 5 M. 10 Pf. pr. Ztr., Birnen
4 M 30 Pf. bis 4 M. 50 Pf. pr. Ztr., gebrochenes Obst
2 M 20 Pf. bis 2 M. 30 Pf. pr. Sri., Kartoffeln, gelbe
1 M. 75 Pf. bis 2 M. 10 Pf.

— Sonntag, 14. d. M., war abermals ein großes
Orchestrion, bereits das zweihundertste Werk, welches
seit dem Bestehen der Orchestrion-Fabrik von Herrn
Lukas Sckön st ein in Bilfingen verfertigt wurde,
zu hören. Es kann dieses Werk nicht nur zu den voll-
kommensten gezählt werden, sondern auch zu denen,
welche sich durch einen wesentlichen Fortschritt in dieser
Kunsttechnik auszeichnen. Das Orchestrion besteht aus
702 Pfeifen mit 21 Registern, dem Schlagwerk mit
Paukentrommel, einem Stahlharmonium und 4 großen
Glocken, und hat im Ganzen 122 Clavis. Das Pro-
gramm enthält 5 Nummern, worunter ein Potpourri
aus der russischen Oper „Das Leben für den Czar" von
Glinka, ein Wagner-Potpourri und ein Quodlibet mit
Variationen über das Lied „Seht ihr die drei Rosse
am Wagen", bearbeitet und arrangirt von C. Fendrich,
welche von schöner und großer Wirkung sind, außerdem
die bekannten Ouvertüren Freischütz, Semiramis, ein
Potpourri aus „Ernani" Tanz- und Marschmusik, der
Solovoctrag wie das Ensemble des Werkes lassen an
Klarheit, Schönheit des Tones und rythmischen Aus-
druckes nichts zu wünschen übrig; außerdem ist die An-
wendung des Stahlharmvniums und der großen Glocken-
arie überraschend und ein ganz neuer Effekt. Das Werk
spielt bis über Kirchweih und wird dann nach seinem
Bestimmungsort Odessa abgesaudt an die Firma Carl
Schönstein. Herr Carl Schönstein, ein Bruder des
Herrn Lukas Schönstein, hat ein wesentliches Verdienst
um die Musikindustrie, indem derselbe seit dem Bestehen
seines Geschäftes in Odessa, außer von seinem Bruder,
noch viele Werke aus dem Schwarzwalde bezog und
hierdurch eine ständige Absatzquelle unterhielt, welche
trotz aller ungünstigen Verhältnisse, und besonders auch
durch die Trefflichkeit der Werke seines Bruders Lukas,
bis jetzt erhalten wurde. Abgesehen von der Realität
und Tüchtigkeit des Herrn Carl Schönstein als Geschäfts-
mann, hat auch dessen Energie und Talent ein großes
Verdienst für die Erhaltung der Musikindustrie in Ruß-
land, was wir auch freudigst für die fernere Zukunft
hoffen und wünschen. (Schw.)
Verantwortl. Redakteur: vr. H. Wayder in Heidelberg.
 
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