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Rotes Kreuz <Heidelberg> [Editor]
Heidelberger Soldatenbüchlein: als Weihnachtsgabe — 1918

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Lacroix, Wilhelm: Der Friede von Agrypiszki
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https://doi.org/10.11588/diglit.30973#0105
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Der Friede von Agrhpiszki.

Von Wilhelm Lacroix.

Drei Pfälzer Landstürmer saßen an einem Dezember-
abend des Jahres 1915 träumend und qualmend in ihrem
polnischen Quartier. Sie bildeten die Besatzung dieses Juden-
städtchens, hatten die Polizeigewalt zu üben und waren eigent-
lich ein Dreschkommando, und dazu eigneten sie sich als Pfälzer
auch ganz besonders; denn Dreschen, sowohl mit der Hand
als auch mit dem Munde — oder sagen wir auf gut Pfälzisch:
mit dem Maul — ist eine anerkannte Fertigkeit des Pfäl-
zers. Den Befehl führte ein Gefreiter, und die zwei andern
fügten sich ihm auch, so weit dies ihr Pfälzertum zuließ.
Allabendlich gab es ein ordentliches Dreschen mit dem Maul,
wenn der Dienst für den folgenden Tag besprochen und
verteilt wurde. Jeder legte sich am Ende aufs Stroh mit
dem festen Vorsatz, am andern Tag das Übertragene nicht
auszuführen, sondern das zu tun, was der andere zugeteilt
bekommen hatte. Am Morgen aber tat jeder stillschweigend
den zugewiesenen Dienst; denn die Streiterei am Abend
war gar kein Streit gewesen, sondern eine Entlastung des
heimwehbedrückten Pfälzer Gemüts.

Also, sie saßen, träumten und qualmten. Draußen
pfiff der Wind; es schneite und taute ein wenig; kurz, es
war ein Sauwetter. Der Streit über die Dienstverteilung,
d. h. die Unterhaltung, war zu Ende, und der bekannte Engel
schwebte einen Augenblick lang durch den düstern Raum, den
eine polnische Kerze mit einem Rembrandtschen Helldunkel
erfüllte. Von diesen polnischen Kerzen wäre auch manches
zu erzählen: sie sehen aus wie die Sprühkerzen am Weihnachts-
baum und sprühen auch ab und zu, wobei der ganze Raum in
ein mystisches Dunkel versinkt. Landsturmmann Jakob hatte
gemeint, als er die erste Kerze anzündete und sie so pfuste

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