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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 1 - No. 25 (3. Januar - 31. Januar)
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einen perſönlichen Vortheil zu perſchaffer: Einer

derselben, der Bürgermeister Richard aus Wolfers-
dorf, wurde zu 2 Monaten, der Bürgermeister

Nagelen aus Retzweiler zu 1 Monat und 1 Tag
Gefängniß verurtheilt.
~ Aus Bochum, 12. Jan. wird geschrieben :

. Man lieſt in der Westfälischen Zeitung: Schwere

Gewissensbiſſe, ein Mord, sollen einen Deserteur,
Sappelt . aus Schlesien, zur Rückkehr nach Wesel
und freiwilligen Gestellung gedrängt haben. Nach-
dem Sappelt am 2. Dezember nach mehrjährigen
unsteten Fahrten aufgegriffen und in Weſel beim
56. Infanterieregiment eingestellt war, desertirte er
bereits am 15. wieder, meldete ſich aber am 18.
Dezember freiwillig beim Regimentscommando mit

der Anzeige, daß er im April oder Mai 1881 (in

einer Feiertagsnacht) auf einer Wiese nahe bei der
„Engelsburg“ bei Bochum einen Menſchen ermordet
und vor Gewiſssensbiſſen keine Ruhe habe. In der
That ist am Ostermontag (18. April 1881) bei der
„Engelsburg“ der Maurer Karoß aus Lütgendort-
mund ermordet aufgefunden worden. Wegen dieser
That ist der 21-jährige Bergmann Günther von
Ehrenfeld bei Bochum wegen , Todtschlag“ zu zehn
Jahren Zuchthaus verurtheilt. Ob dieser, welcher
die That stets geleugnet hat, unschuldig verurtheilt
iſt, oder ob Sappelt nur mitbetheiligt war, wird
die weitere Untersuchung ergeben. Diese Senſations-
nachricht können wir, ſchreibt die Weſtfäliſche Volks-
zeitung, bestätigen; heute iſt der Selbſtankläger, be-
gleitet von zwei Soldaten mit geladenem Gewehr
und dem Auditeur, hier eingetroffen, um in Gegen-
wart hiesiger Gerichtsperſonen zum Thatorte ge-
bracht zu werden. Man darf auf die weitere Ent-
wicklung der Angelegenheit gespannt sein.

~ (Der Stadt Hamburg) ift, wie das
„Hamb. Fremdbl.“ mittheilt, wiederum eine großartige
Schenkung von einem ihrer Söhne geworden, der,
obgleich bereits. 40 Jahre in England fern der
Heimath weilend, die innigſten Sympathien der
letztern bewahrt hat. Es ist dies Herr C. G. Schwabe,
welcher ſeine werthvolle Gemäldegalerie der Kunſt-
halle zum Geschenk beſtimmt hat. Die geſschenkte
Kollektion, welche einen Werth von über 1 Million
Mark hat, enthält hauptſächlich franzöfiſche und
engliſche Bilder erster Meiſter. Herr Schwabe hat,
um zugleich für eine geeignete Aufstellung seiner
Bilder Sorge zu tragen. noch 6000 Pfd. St. zum
Ausbau der Kunſsthalle geſpendet, der nach seinen
Beſtimmungen bereits im April dieſes Jahres be-
gonnen werden müùß.

. Der „,Eisenzeitung“ zufolge, will die Firma
Coulon de Montigny in Mühlhauſen (Elsaß) ein
billiges und einfaches Verfahren erfunden haben, um
Waſſer in ſeine Beſtandtheile zu zerlegen und das
sogenannte Waſſergas zu gewinnen, welches nach
der Ansicht vieler Leute den Brennstoff der Zukunft
abgeben soll. Das Coulon’ſche Gas eigne ſich nicht
blos zum Brennen, ſondern auch zur Beleuchtung,
und gebe ein reines, weißes, rauch- und geruchloſes
Licht ab. Es soll 60 pCt. billiger sein als ge-
wöhnliches Steinkohlengas. Viel wohlfeiler sei aber
das Gas, wenn es blos als Brennſtoff diene, also
nicht mit Kohlenstoff versetzt zu werden braucht. Da
koſte es ſo gut wie nichts, weil die Nebenprodukte
den Hersſtellungspreis vollſtändig decken und nur die
Anlage zu verzinsen iſt.

~ (Zur letten Dombau-Lotterie) hatte
ein Familienvater für seine vier Kinder Dombau-
Looſe gekauft, welche Jedem einzeln mit dem Be-
merken übergeben wurden, recht fleißig zu beten,
damit das Loos gewinne. Als am folgenden Tage
der Vater die Kinder fragte, ob sie dem auch nach-
gekommen ſeien, bemerkte ein ſsiebenjähriges Töch-
terchen in aller Unschuld: „Ja, Papa, ich gewinne
ſicher; denn ich habe in meinem Gebetbuche ein ſchönes
Gebet gefunden; ich will es dir aber allein zeigen,
damit die andern es nicht auch beten.“ Vertraulich
zog sie den Vater bei Seite und schlug ihm das
Gebet auf. Daſsſselbe hatte die Ueberschrift: „Gebet
für Kinderlose.“ Ob das betreffende Kinder-Loos
herauskommen wird, bleibt abzuwarten.

~ (Eine neue Sonnenkraftmaſchine.)

. Auch der berühmte amerikaniſche Ingenieur Ericsſon
_ hat nunmehr, in die Fußſtapfen des Franzoſen
Mouchot tretend, eine Sonnenkraftmaſchine gebaut

und in Betrieb geſezt. Unter Sonnenkraftmaſchinen
sind Motoren zu verstehen, bei denen die mittelst
konkaven Spiegels konzentrirten Sonnenstrahlen auf

.. einen mit Waſſer oder Luft gefüllten Keſſel fallen,
und ersteres in Dampf verwandeln, dagegen letztere

erwärmen. Sonſt unterſcheidet sich der Motor von

. den Dampfmaschinen nur darin, daß ein Uhrwerk

die Drehung des Spiegels nach der scheinbaren Orts-
veränderung der Sonne vermittelt. Ericsson bedient





ſich eines ſilberplattirten Glasſpiegels, während die |

Franzoſen Metallsſpiegel zur Konzentrirung der
Sonnenstrahlen verwenden. Aus der Wirkung des
Spiegels folgert Ericsson, daß die Temperatur der
Sonnenoberfläche 465,586 Gr. C. betragen müſßſe,
während diese Temperatur bekanntlich neuerdings
von K. Wilhelm Siemens auf etwa 2000 Gr. ge-
schätt wurde. Ueber diesen Punkt sind also die Ge-
lehrten nichts weniger als einig.

~ Bei einer Treibjagd. (Ein Lieutenant
schießt auf einen Haſen, fehlt und hätte in der Hitze
beinahe seinen Nachbar, den Herrn Major, ’naufge-
schoſſen). Major (fuchsteufelswild): „Donnerwetter,
Herr Lieutenant, hier wird auf Hasen geſchoſſen und
nicht „auf Avancement!“
Ö Pech. Bettler (einen Bankier um eine Unter-
stitung angehend): „Seien Sie barmherzig und
geben Sie mir was! Sehen Sie, ich bin kein ge-
meiner Mann . . . es iſt mir auch ſchon besser ge-
PV e keinen Begriff, wie ich vom Unglück ver-
folgt werde. Sie können sich davon überzeugen, ich
habe hier ein Zeugniß vom Kirchenrath Brüll in
Breslau.“ Der Bantier, der dem Bettler nicht recht
traut, betrachtet das Zeugniß und ruft dann in's
Komptoir: „Herr Brüll, sehen Sie doch, ob das die
Unterschrift Ihres Vaters iſt!“ Brüill junior prüft
das Schreiben und erklärt es für gefälſcht. „Nun
sehen Sie, beſter Herr, daß ich Recht habe, wenn

ich sag’, daß ich vom Ungltick verfolgt werde. Kann

man sich ein größeres Ungltick denken: muß gerade
der Sehn vom Kirchenrath Brüll in Ihrem Komp-
toir ſein !“

~ Erbſchaft. Die „Raſſegna“ theilt mit, daß
eine engliſche Dame, die dem Peterspfennig jährlich
4000 Pfund beizusſteuern pflegte, dem Papſt lett-
willig 480,000 Pfund + 9,600,000 Mk. > ver-
macht hat. Der Papſt hat einen seiner Neffen und
den Zeremonienmeiſter Cataldi nach London geschickt,
um das Legat in Empfang zu nehmen. t:

~ Abgeblitzt. „Aber, liebe Frau, wie ist es
denn möglich, daß Du beständig das Haar eines
andern weiblichen Wesens auf Deinem Kopfe trägſt ?“
„Aber, lieber Mann, wie ist es denn möglich, daß
Du beständig die Haut eines andern Kalbes an
Deinen Füßen trägſt ?“

Frau: „Du, haſt Du gesehen, der Hauptmann
von vis-à-vis der ſchaut immer hertiber, ich kann
jett bald keine Toilette mehr machen; Du mußt mir
eine ſpaniſche Wand kaufen, die ich vorſtellen kann.“
- Mann: q,,DO, liebe Frau, darum ſorge Dich nicht;
wenn er Dich einmal wird im Regligs gesehen haben,
dann wird er sich ſelbſt eine ſpaniſche Wand machen
laſſen. Die Ausgabe kann ich mir daher erſparen.“



Schöffengericht Heidelberg.

Sitzung vom 17. Jan. Vorsitzender Herr Oberamts-
richter Süpfle, Gerichtsſchreiber Herr Rechtspraktikant
iſcher; als Schöffen erschienen die Herren Bürgermeister
reiber von Neuenheim und Dr. Henkenius von da. Zur
Verhandlung kamen folgende Straffälle: 1. Die beiden
Damen Katharina gitmictnaut und Louise Köhler von
hier wurden polizeilich bestraft und zwar erſtere wegen
Üebertretung des § 360, Ziff. 11 R.\St.-G.-B. und letztere
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allerdings zustehenden Rechte, die Sache vor das Forum
des Schöffengerichts zu bringen, Gebrauch zu machen. Sie
ändern aber rechtzeitig ihren Sinn und fügen ſich der
wohlverdienten Strafe. 2. Fräulein Suſanna Wolf von
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ſie trieb ihr Unwesen e zu ſtark. Die allnächtlichen
Promenaden mußten der Polizei ſchon anffallen, was ſollte
die letztere aber erſt dazu sagen, als sich die keuſche Jung-
frau im hies. Marſtallhof bei einem allzu zärtlichen tôte &
tôte erwiſchen ließ? Heute fügt sie ſich geduldig in ihr
Schickſal, verzichtet auf die Vertheidigung und fällt es ihr
sogar schwer, bekennen zu müssen, hch fie eigentlich darüber
im Unklaren iſt, ob ſie + wie die Anklageſchrift behauptet
hier oder – wie ſsie seither glaubte, im friedlichen Wall-
dorf geboren. Die Walldörfer werden auf die Ehre ver-
ichten, ſolche „feine Bürgerin“ zu besitzen und ſo wird
fi eben in Gottes Namen als Kind der Muſenſtadt 14
Tage eingesſponnen, weil sie sich der gewerbsmäßigen Un-
zucht schuldig gemacht hatte, ohne ein Patent hiezu inne
f FG s UU l GUS:
schönen Tage von Aranguez nachzudenken. 3. Die Eppel-
heimer Maurer Georg Ludwig Baß, Abraham Wiegand,
Georg Wiegand und Jakob Hiefner waren am Abend des
11. November recht fidel und ſchließlich auch ein Bißchen
übermüthig. Weil ſich nichts anderes vorfand, ſuchten ſie

an dem unſchuldigen Gartenzaum des Landwirths Georg

Birkenmaier von da ihre raufluſtige Laune auszulassen.
Sie riſſen den stillen Hag nieder und warfen ihn, der die
Grenze bezeichnen und Böses Geſindel abhalten follte, er-
P rortngscs auf die Straße hin und ſich ihrem Schick-
sale überlaſsſend. Der Gartenhag kommt ſchmerzlos da-
von, die böſen Beſchädiger aber werden ebenso erbarmungs-
los verknurrt und zwar Beß und die beiden Wiegand zu
je 1 Woche und Hiefner wegen Beihilfe zu 3 Tagen Ge-
fängniß. Das iſt der Fluch der böſen That! 4. Die Hand-
[4rhzhetze. Mjlsfecten. rd grmuheus lch: eefergt;

Milch nicht zu Kopfe ſteigt und ſie haben auch glücklich

. ich habe großes Unglück gehabt . . .



darüber nach, wie es t! machen iſt, daß den Leuten die | :

ein ganz probates Mittel herausgefunden, dieser verfluchten / .

Eventualität vorzubeugen ~ ſie wäsſern dieſelbe und kén

Menſch. wird tt behaupten können, daß die Hane
[Uh gener. ft Padtbet Een
die Polizei findet, wie in ſo vielen '
Haar d’rin. Die sagt mit unglaublicher Strenge „Milch.
wäſsserer seid Ihr“, trotzdem doch immer mehr Prüch U; w

Waſſer den Kunden abgeliefert wird. So krallte ſie gzaeeen
hann Schlechter'ſche Ehefrau, waere.

unbarmherzig die Y §hefrau .
scheinlich, weil der Name ſchon etwas ominds klingt unn
weil ſie das gute Handschuchsheimer Waſſer eben “

stillvergnügt, daß ſie

5. Der Flaſchner Johannes Schmitt von Kirchhim waer
am 6. Dezember nicht in guter Laune „set

ſtech' Dich todt“, war so ſeine ſtehende

dies verdroß dieſen nicht allein, sondern er glaubte, dſ'e.
Drohung sei ganz ernſtlich gemeint. Auch ß

hetstt hſersst ss. ys seine stille Wuih durch einen .



Lokales.

* Heidelberg. In der Nacht von vorgestern auf -
gestern wurde ſchon zu wiederholtem Male, zwiſchen hie.
und Manzheiot ein Hzterwazeh beraubt und daraus ver-
schiedene Gegenstände geſtoh
wenn die Diebe, die fe Gewerbe so frech betreiben, nt.
deckt werden könnten. :

Neueste Nachrichten. :
Berlin, 17. Jan. In der heutigen Stadtver..



ordnetensitzung erfuhren die Vorschläge des Aus-
ſchuſſes betreffend die Zutheilung der Stadtbezirre
an die Stadtverordneten behufs Ausführung dr
Recherchen, weil fünf Mitglieder der Bürgerparte,.
insbesondere Limprecht, davon ausgeſchloſſen wurren,
während andere Stadtverordnete drei und vier Be.
zirke zugetheilt erhielten, seitens der Mitglieder der
Bürgerpartei lebhaften Wiederſpruch, wurden aber
schließlich angenommen. Die Vorlage wegen An
kauf der Grundstücke zu einer Markthalle in de
Dorotheenſtraße wurde gegen die Stimmen der
Bürger- und Arbeiterpartei angehörenden Stadtver-

ordneten genehmigt.

Paris, 17. Jan. In Deputirtenkreiſen gilt die

Annahme der Vorlage betreffs Uebernahme eine.
Theils des Budgets der Pariſer Polizeipräfekturauat.
das Ministerium des Innern als gewiß, damit dn
Zänkereien zwiſchen der Regierung und dem Munz
zipalrath von Paris ein Ende geſezktt wer. .
Der Dienerschaft des Palais Bourbon ging Befenn.
zu, allen Delegirten der Arbeiterſyndikate den Ein.
tritt in den Sitzungssaal zu untersagen. – Die Poe.
titionskommiſssion beschloß, die dem Kammerpräsidenen.
namens der Arbeiter zugegangene Petition in Ewän.
gung zu nehmen. Die Berathung derſelben wird Den
nerſtag gleichzeitig mit der Interpellation Langloisäber
landwirthschaftliche Kriſis vorgenommen werden.

„Temps“ konſstatirt, eine Kriſis exiſtire überhuuunae

nicht. Die Pariser Industrie ſei beschäftigter als

im Vorjahre. Die hervorgerufene Agitation ſei ledige.
lich das Werk einiger politiſcher Figuranten, de.
davon lebten. – Der Strike der hieſigen Fiaker.
kutscher hat wesentlich nachgelaſſeen. Gleiches wBirnkt

auch aus Marseille über den Strike der Matron

und Heizer gemeldet; viele Strikende nahmen de.
Arbeit wieder auf. .

Toulon, 17. Jan. Das Transportſchiff „Sarthen.
r o r r .
200 Maulthiere auf. ; ;

London, 17. Jan. Zur Schlichtung der Ge-

werk: und Handelsftreitigkeiten beschloß die hiesigen.

Korporation die Errichtung eines Schiedsgerichte.
~ Die Durchbohrung des Merſey-Tunnels, welche.

Liverpool mit Birkenhead verbindet, wurde heute -

vollzogen. + >- / j .
Wien, 17. Jan., Drei Theilnehmer an dem En
ceſſe in der Favoritenkirche, jugendliche Arbeiten..

wurden wegen Religionsſtörung verurtheiltrt; en
czechiſcher Sozialiſt zu 4!/,, zwei andere zu 81))

Jahren ſchweren Kerkers. :

Wien, 17. Jan. Der neue italieniſche Bot-
schafter in Petersburg, Graf Greppi, welcher hier
Kalnoky, Robillant und Labanow beſuchte, geht
Abends nach Berlin, von wo er Montag die Reiſe
nach Petersburg fortsetzt. Wie die „Polit. Corr."
meldet, reiſt Greppi über Berlin, um Hatfeldt und
Launay zn besuchen. e







WT Zur gefl. Beachtung.
Neue bis zum 1. Februar eintre
;

ilch z) statt‘ wäxe. âHas Hutlitüm
ankbar, denn es hit pie Pu . .

schätzen weiß. Der ,Geſundheitsmilch“ wegen :: .
EeEIeankeInn..
o dumm war, ſich erwiſchen zu lasſen.

LR Nit ; :
Landwirth Philipp Freiberger drohte er aber ernstlich ununm

überzeugt ſich nach dem Ergebniß der gh os Gest s s

en. Es wäre zu wünſchan.


 
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