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Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 3473 Nachtrag V
Fürbringer, Max
[Schreiben vom 22. Oktober 1904 an das Bürgermeisteramt und die Ortspolizeibehörde von Neckarkatzenbach]

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https://doi.org/10.11588/diglit.15660#0001
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% Grossherzoglich Badische

Direktion der anatomischen Anstalt (J^^Ä^
zu Heidelberg.

Mit / Beilage

Grossh. Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts hat nach vor-
gängigem Benehmen mit dem Grossh. Ministerium des Innern die zurzeit in
Kraft befindlichen Bestimmungen über die Ablieferung von Leichen an die ana-
tomischen Anstalten neu zusammengestellt, hinsichtlich des Ablieferungsverfah-
rens ergänzt und für den Gebrauch durch die Beteiligten drucken lassen. Der
Kreis der zur Ablieferung an die anatomischen Anstalten bestimmten Leichen
hat infolge der Erweiterung des Reklamationsrechts der Angehörigen eher eine
Einschränkung als eine Erweiterung erhalten. Man darf sagen, dass der Huma-
nität und Rücksichtnahme gegen die Anverwandten in Baden in weitgehendster
Weise Rechnung getragen worden ist.

Indem wir Ihnen, hohem Auftrage folgend, ein Exemplar der betreffenden
Vorschriften vom 12. August 1904 übermitteln, beehren wir uns zugleich, Ihnen
das folgende ergebenst mitzuteilen.

Wir brauchen Ihnen nicht näher auseinanderzusetzen, dass der Unterricht
in der Anatomie oder der Lehre von dem Bau und der Bildung des mensch-
lichen Körpers die Grundlage der ganzen Heilkunde bildet und dass diese not-
wendige Kenntnis praktisch nur an der menschlichen Leiche gewonnen werden
kann. Ebenso muss die chirurgische Operationskunst erst an der menschlichen Leiche
gründlich geübt werden, ehe sie am lebenden Menschen angewendet werden
darf. Ein guter, Vertrauen verdienender Arzt kann somit nur derjenige werden,
welcher am Anfang seines Studiums die Anatomie an möglichst vielen Leichen
erlernt hat. Seine Ausbildung fällt mit der Fürsorge für die leidende Mensch-
heit zusammen, ist somit eine hervorragend humane Aufgabe. Von den Toten
lernen wir zum Heil und Nutzen der Lebenden.

Nun ist aber die Zahl der an die anatomische Anstalt zu Heidelberg ab-
gelieferten Leichen in den letzten Jahren derartig zurückgegangen, dass die wirk-
same Fortführung des anatomischen und operativ-chirurgischen Unterrichtes an
unserer Universität ernstlich gefährdet ist.

Es muss daher der Wunsch eines jeden einsichtsvollen und auf das Wohl
der Kranken und Leidenden bedachten Menschen sein, wo sich ihm in seinem
Wirkungskreise Gelegenheit dazu darbietet, den so notwendigen Leichenzugang
zur anatomischen Anstalt zu fördern, und darum glauben wir bei Ihnen mit un-
serem Ersuchen, auf Grundlage der beiliegenden Vorschriften unsere humanen
Aufgaben möglichst zu unterstützen, keine Fehlbitte zu tun. Auch durch geeig-
nete Aufklärung dürfte wohl manches aus alter Zeit stammende Vorurteil gegen
die Anatomie beseitigt oder wenigstens gemildert werden können.

Wie Ihnen § 10 der Vorschriften zeigt, wird die kirchliche Einsegnung und
Bestattung der Leichen durch die Überführung an die anatomische Anstalt nicht
gehindert.

Zugleich sind wir jederzeit gern bereit, den Ortsbehörden und Anverwandten
auf besonderen Wunsch kostenlose Auskunft über die Todesursache zu geben.

Sehr wichtig ist die möglichst schnelle Absendung der unversehrt
gebliebenen Leiche; namentlich ist jede Eröffnung derselben vor der Absen-
 
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