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Heidelberg, Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 3716 III F 242,20
Unbekannt; Ebert, Louise [Oth.]
Nachlass Gustav Radbruch. Korrespondenz Louise Ebert / Gustav Radbruch: Luise Ebert + [Beileidstelegramme des Bundespräsidenten und Erich Ollenhauers] — Heidelberg, 19.1.1955

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Nr. 15/Seite 3

Rhein-Neckar-Zeitung

Luise Ebert +

Beileidstelegramme des Bundespräsidenten und Erich Ollenhauers


hat ihre hohe Aufgabe mit politischem Fein-

sinn und menschlicher Reife erfüllt. Sie hat.

was noch mehr ist, die große Zeit ihres Le-

bens, den tragischen Tod ihres Mannes über-

lebt und all die unaufhaltsam verhängnisvol-

len Schicksale; die folgten, und deren Zeuge

wir waren, in Würde und Entsagung ertra-

gen, wie der erste und letzte Bürger unter

uns. Sie ist dadurch menschlich groß und dem

ganzen deutschen Volk Symbol seines Schick-

sals geworden.

D

fe

ei

In Ehrfurcht und Trauer stehen wir an der

Bahre dieser verehrungswürdigen Frau, die

nun an- der Seite ihres Mannes auf dem Hei-

delberger Bergfriedhof ihre letzte Ruhestätte

Walter Schenppe

finden wird.

Wir wissen es aus eigener Erfahrung und

waren selbst immer wieder Zeuge davon,

wieviel Herzenswärme von dieser Frau aus-

strömte, die fast bis zu ihrem letzten Lebens-

tag in der Arbeiterwohlfahrt und anderen

karitativen Verbänden für ihre Mitmenschen

Frau Reichspräsident

sorgte. Auch als

scheute sie sich nicht, Kohlen aus dem Keller

zu holen, weil sie es verabscheute, Menschen

für ihre persönlichen Dienste zu beanspru-

chen. Dort, wo sie materiell nicht mehr helfen

konnte, spendete sie aus warmem, fraulichem

Herzen seelischen Zuspruch.

Diese Aufopferung, die das eigene Selbst

verleugnete und nur' noch anderen lebte,

stand auch über ihrer Ehe mit Friedrich Ebert,

der als Emundzwanzigjahriger in Bremen

an einer Weihnachtsfeier teilnahm und die

Augen eines jungen, schlanken Mädchens

nicht vergessen konnte. Bei dieser Feier
sprach Ebert von einer besseren Zukunft. Er

fand sie, als er nach Bremen zurückkehrte,

Arbeit erhielt und Vorsitzender des Bremer

Sattlerverbandes wurde, eine Tätigkeit, von

der er aber nicht leben konnte. Er entschloß

sich, selbständig zu werden und eröffnete

eine Gaststätte, von deren Erträgen er vor

allem wirtschaftliche Unabhängigkeit erhoffte.

Mit der Eröffnung der Bierhalle hielt er
gleichzeitig Hochzeit mit der um drei Jahre
jüngeren Luise, die ihm in wenigen Jahren

fünf Kinder, vier Buben und ein Mädchen,

schenkte. Die Tochter starb un Jahre 1930.

Zwei Söhne fielen. Karl Ebert lebt als Land-

tagsabgeordneter und beurlaubter Amtmann
der Stadt in Heidelberg.

Frau Luise Eber t starb gestern in Heidelberg. Im Hintergrund des Fotos em Bild ihres

Mannes, des am 28. Februar 1925 verstorbenen ersten deutschen Reichspräsidenten, der aui

dem Heidelberger Bergfnedhoi beigesetzt wurde.

Fast genau dreißig Jahre nach dem Tod

des ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert

starb gestern nachmittag in Heidelberg seine

Lebensgefährtin, Frau Luise Ebert, kurz nach

der Vollendung ihres 81. Lebensjahres. Sie

erlitt einen Herzanfall und wurde von einem

Arzt in die Ludolf-Krehl-Klinik gefahren, wo

sie etwa eine Stunde nach der Einlieferung

starb. Die Mutter Luise Ebert schenkte fünf

Kindern das Leben, zwei Söhne opferte sie

dem Vaterlande im ersten Weltkrieg und

wurde, nachdem das Kaiserreich zerfallen

war, die Erste Frau und Mutter der Wei-

marer Republik.

Der Viscount Abernon, Botschafter Eng-

lands, der im Jahre 1924 in Berlin die Familie

Ebert bei sich zu Gast hatte, schreibt in sei-

nen Erinnerungen an diesen Abend folgende

bezeichnenden Sätze:

Sonnabend, 15. Januar

1924. Am Sonnabend fand bei uns ein großer

Empfang für den Reichspräsidenten und seine

Frau statt. Wenn man sich überlegt, daß er

ein Sattlermeister und sie eine Tabakarbei-

terin war, und daß beide aus ganz kleinen

Verhältnissen

einen

die

stammen,

setzt

Wurde und Zurückhaltung ihres Benehmens

in Erstaunen. Niemand würde wagen, sich

irgendwelche Freiheiten in Gegenwart die-

ser Frau herauszunehmen. Selbst vor dem

blaublutigsten der abgedankten Monarchen
öder Duodezfürsten würde die Familie Ebert

ihre Haltung bewahren.

Nur wenige Stunden nach Bekanntgabe der

Todesnachricht sandte der Bundespräsident

an den Landtag Abgeordneten Karl Ebert in

Heidelberg io, .endes Telegramm:
Heimgange Ihrer Frau Mutter spreche ich

Zum

Ihnen und den Ihrigen meine herzliche Teil-

nahme aus. Ich habe die Verewigte an der

Seite ihres Gatten wirken gesehen und der

frühe Eindruck von der sicheren Würde ihres

Menschentums und der Klugheit ihrer Men-

schenkenntnis hat sich bei den späteren

freundschaftlichen Begegnungen bestätigt

und vertieft. Ein Stück deutscher Geschichte

hat mit ihrem Tode stillen Abschied genom-

men. Ich gehöre zu den vielen, die der Ver

storbenen ein ehrendes und dankbares Ge-

dächtnis bewahren werden.

Bereits eine Stunde zuvor war ein Tele-

gramm des Vorsitzenden der Sozialdemokra-

tischen Partei Erich Ollenhauer an den Land-

tagsabgeoTdneten Karl Ebert m Heidelberg

in der Richard-Wagner-Straße eingetroffen,

Die Nachricht

das folgender! 'Wortlaut hatte:

vom Ableben Luise Eberts hat uns alle aufs

tiefste erschüttert. Nicht nur die deutsche

Arbeiterbewegung ■— das ganze deutsche

Volk ist dieser großen und vorbildlichen

Frau zu tiefstem Dank verpflichtet. Wir trau

ern mit Euch um einen gütigen und ver-.

ehrungswürdigen Menschen, um eine tapfere

Kampfgefährtin.

Die Stadt Heidelberg ehrte Frau, Luise

Ebert an ihrem 80. Geburtstag damit, daß si
ihr eine in Leder gebundene, mit dem Heidel-
berger Stadtwappen versehene und von
einem Graphiker künstlerisch ausgestaltete
Glückwunschadr-esse , durch Bürgermeister

Amann überreichen ließ:

Frau Luise .Ebert,

der Lebensgefährtin des hQcjiyerdien|en
Reichspräsidenten' Friedrich Ebert wahrend
länger Jahre,, der hervorragenden, ^ijrijerin
unserer Stadt', bpngt, der .'Stadtr^t .St^dt
Heidetberg•' herzliche'älückwünsche zum -80.

Geburtstag dar." Die Urkunde war von Ober-
bürgermeister Dr. Neinhaus, Bürgermeister

Amann, dem Beigeordneten Harnisch sowie

von den Fraktionsführern des Heidelberger

Stadtrates unterzeichnet.

An diesem Tag erreichten sie unzählige

Glückwunschtelegramme, Briefe und Karten-

grüße sowie Blumenspenden aus allen Tei-

len Deutschlands. Die RNZ nahm diesen Tag

zum Anlaß, um diese Frau mit folgenden

Worten-zu ehren: „Es ist ein seltenes Schick-

sal für eine Frau, an der Seite eines Mannes

zu stehen, der aus tiefster Erschütterung sei-

Volkes zu höchster Verantwortung und
Repräsentation berufen wurde. Frau Ebert
 
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