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Heidelberg, Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 3716 III F 242,21
Unbekannt; Ebert, Louise [Bearb.]
Nachlass Gustav Radbruch. Korrespondenz Louise Ebert / Gustav Radbruch: Abschied von Louise Ebert — Heidelberg, 24.1.1955

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Rhein-Neckar-Zeitung

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Nr. 19 / Seite 3

Abschied von Louise Eber;*

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Regenfeucht glänzen die Kieswege des Heidelberger Bergfriedhofes. In den
hohen, kahlen Baumkronen treiben blaßgraue Nebelschleier. Ein Geruch
welken Laubes, verdorrter Blumen und herben Lorbeers liegt in der Luft.
Reglos steht eine in Schwarz gekleidete Menschenmenge vor der Kapelle.
Ergreifende Stille umfängt uns bei dem Betreten des Raumes, in dem die
sterbliche Hülle von LouiseEbert, der Witwe des ersten Reichspräsi-
denten der Weimarer Republik, auf gebahrt wurde' in einem hellen, schlich-
ten Eichensarg, der durch flackerndes Kerzenlicht matt angeleuchtet ist.

An der Bahre von Louise Ebert (von rechts nach links): Vizepräsident des Deutschen Bundestages Prof. Carlo Schmid, der Innenminister des
Landes Baden-Württemberg Fritz Ulrich, der Ministerpräsident des Landes Dr. Gebhard Müller, Minister ohne Geschäftsbereich Schäfer, der
Präsident des württemberg-badischen Landtags und Oberbürgermeister der Stadt Heidelberg Dr. Carl Neinhaus. Im Hintergrund: der Leiter
der Präsidialkanzlei Ministerialdirigent Bott sowie der Regierungspräsident für Nordbaden Dr. Hans Huber. (Foto: Voss jr.)

als nächster Sprecher Dr. Carl Neinhaus in
seiner Eigenschaft als Präsident des Badisch«
Württembergischen Landtages, aber zugleich
auch als Oberbürgermeister der Stadt Heidel-
berg das Wort. Auch er sprach von der tie-
fen Bewegung, die den Landtag und die Hei-
delberger Bevölkerung insgesamt ergriffen
habe bei der Todesnachricht von LouiseEbert.
In einem kurzen Lebensabriß erinnerte er
daran, daß die Dahingeschiedene zwei Söhne
im ersten Weltkrieg und im Jahre 1930 eine
begabte, hoffnungsvolle Tochter verlor.
Schwere Schicksalsschläge haben dieser Frau
ihre immer aufrechte Haltung niemals neh-
men können; äußerer Glanz hat nie ver-
mocht, die schlichte Anmut ihres Wesen zu
trüben. Als eine Bewahrerin großer Erinne-
rung und Vergangenheit, als Wegweiserin
in eine bessere, hoffnungsvollere Zukunft ist
sie zu einer weittragenden Gestalt geworden.
Für die Bundestagsfraktion der SPD sprach
der Innenminister des Landes Fritz Ulrich.
In allen Wandelbarkeiten der Zeiten blieb
diese warmherzige, gütige und kluge Frau
den politischen und sozialen Idealen ihrer
Jugend treu. Den durch Verleumdung und
politische Niedertracht an den Rand seiner
menschlichen Existenz gebrachten Reichsprä-
sidenten blieb sie treusorgende, liebende Gat-
tin. Bei ihr fand der schon vom Tod Gezeich-
nete die mütterliche, immer wieder aufrich-
tende Hand. Ulrich erinnerte an das Wort
des in Mannheim geborenen Reichskanzlers
Müller, der damals bei der Bestattung Fried-
rich Eberts ausrief: „Ach hättest Du doch bei
Lebzeiten einen Teil jener Liebe und Treue
verspürt, die Dir jetzt Dein Volk bei Deinem
Tode darbringt.“ Das Goethewort: „Edel sei
der Mensch, hilfreich und gut" ist die Ethik
dieses reichen und erfüllten Lebens gewesen.
Noch in den dunkelsten Stunden der Knecht-
schaft und Tyrannei glaubte sie an die Frei-
heit, die Humanität und das Leuchten eines
neuen Morgenrots. Die SPD verliert mit ihr
eine ihrer Treuesten und Besten.
Es ist eine beklagenswerte Erscheinung,
eine der historischen Passiven des demokra-
tischen Deutschlands, nur wenige große Na-
men zu besitzen. Der Name Friedrich Ebert
jedoch ist ein solcher Name. Er hat den Be-
sten seiner Zeit gedient und hat genug getan
für alle Zeiten. Dies konnte Ebert vornehm-
lich nur deshalb, weil er an seiner Seite eine
Gattin wußte, die neben menschlicher Klug-
heit jene sittliche Haltung und Würde besaß,
vor der sich alle beugen mußten.
Der Bundes- und Landesvorstand der
Christlich-Demokratischen Union neigt sich
in dieser Stunde in Ehrfurcht und Trauer vor
der Bahre Louise Eberts.
ImNamen des Bundesvorstandes und des
Bundesvorsitzenden der FDP sprach Justiz-
minister Dr. Haussmann den Angehörigen das
Beileid aus. Auch er anerkannte, daß Louise
Ebert ihre Lebensaufgabe, erste Frau und
Mutter der Weimarer Republik zu sein, in
bewundernswerter Weise erfüllt habe. Für
den Bundesvorstand des Deutschen Gewerk-
schaftsbundes sprach Adolf Engelhardt, für
den Hauptausschuß der Arbeiterwohlfahrt
Frau Lemke, für den Bezirksvorstand der
SPD Baden-Württemberg und die Landtags-
fraktion Landtagsabgeordneter Helmstädter,
füt den Stadtkreis der SPD Heidelberg Bür-
germeister i. R. Josef Amann.
*
Ein großes Trauergefolge begleitete den
Sarg zur Krematoriumshalle. Unter den Klän-
gen eines Chorals senkte sich der Sarg lang-
sam in die Tiefe. Das, war sterblich war,
Würde den Flammen übergeben. In einer Fa-
milientrauerfeier wird die Asche der Verstor-
benen in den nächsten Tagen im Grabe des
Reichspräsidenten Friedrich Ebert beigesetzt
werden. Walter Schenppe

Baden-Württemberg, Gebhardt Müller,
Präsident des Landtages und Oberbürgermei-
ster der Stadt Dr. Carl Neinhaus, die wuch-
tige Gestalt, ein wenig nach vorne gebeugt,
der Innenminister des Landes, Ulrich, Regie-
rungspräsident Dr. Hans Huber, der Justiz-
minister des Landes Dr. Haussmann, im schloh-
weißen Spitzbart, doch mit hellwachen klu-
gen Augen Wilhelm Keil, die Bundestags-
abgeordneten Prof. Eduard Wahl und Frau
Meyer-Laule, Bürgermeister i. R. J. Amann,
Landtagsabgeordnete und Stadträte.
*
Orgelmusik durchflutet die Kapelle; es ist
die Präludie h-moll von Johann Sebastian
Bach. Kreisdekan Maas beginnt mit dem
Wort des 31. Psalms: „Ich aber Herr hoffe
auf Dich." Seine Trauerpredigt ist noch ein-
mal ein persönliches Bekenntnis zu dem We-
sen dieser schlichten Frau, die zu den Men-
schen zählte, denen man nur ins Auge zu
sehen braucht, um die klare, lautere Hand-
schrift Gottes zu erkennen. Herzhafte Güte,
der Adel des Dienstes, war in ihr Gestalt ge-
worden. „Wir sind alle ärmer geworden
durch den Heimgang dieser Frau." Er erin-
nert an einen Tag vor dreißig Jahren, als der
tote Reichspräsident Friedrich Ebert vom
Heidelberger Bahnhof abgeholt und in einem
riesigen Trauerzug zum heimatlichen Berg-
friedhof geleitet worden war. Welche Nöte
und Opfer hatte Louise Ebert, die treue und
unwandelbare Weggefährtin, bis zu diesem
Tage mit ihren Mann zusammen getragen.
Aus der Enge emporgestiegen, half ihr Klug-
heit und Menschenkenntnis, eine große, ihr
vom Schicksal übertragene Aufgabe, zu er-
füllen. Doch in welch lieblicher Gelassenheit
steht sie vor uns, als sie nach dem Tode ihres
Mannes in die Einsamkeit zurückgehen
mußte. Nicht müde und verbittert, sondern
freudig und ergeben ging sie die steilen Stu-
fen hinab. Auch dann noch, als die schmut-
zigen Fluten der Verleumdung über sie hin-
einbrachen, blieb sie in der Hand des güti-
gen Gottes, ging zu den Armen, tröstete trä-
nende Augen und half müden Händen. So ist
sie die ewige Greisin geworden. Die 80jäh-

rige schien wie ein leuchtender Spätherbst,
dessen Strahlen uns alle erwärmten. „Und
wir haben den Goldglanz gesehen."
*
Die kühle, etwas distanzierte Stimme von
Ministerialdirigent Bott. aus dem Bundes-
präsidialamt überbringt die letzten Grüße
von Bundespräsident Theodor Heuss. Nie-
mand vermochte dieser Frau mit ihrer wach-
senden Würde die menschliche Ehre zu rau-
ben, sooft dies auch versucht worden ist. Der
Bundespräsident erinnert sich mit Wehmut
und warmem Empfinden an die Zeit, in der
Louise Ebert die Gattin des ersten Reichs-
präsidenten gewesen war und entbot den
trauernden Angehörigen noch einmal seine
herzliche Anteilnahme.
Der Vizepräsident des Deutschen Bundes-
tages Carlo Schmid erklärt, daß der Deut-
sche Bundestag mit tiefer innerer Bewegung
vom Tode der Witwe des ersten Reichsprä-
sidenten Kenntnis genommen habe; von einer
bedeutenden Frau, die die Not und Schwere
des Lebens in so überaus tapferer Haltung
ertragen habe. Sie war ein Symbol republi-
kanischer Würde, das so hell zu leuchten
vermochte, wie das herrlichste Monarchen-
tum. Indem das Parlament die Verstorbene
ehrt, ehrt unser Volk sich selbst.
Im Auftrage der Landesregierung ergriff

Ein Meer von Blumen und Kränzen umgibt
den Katafalk. Von meterlangen Schleifen
leuchten die Farben der Republik. Im grellen
revolutionären Rot grüßen und danken die
goldbetreßten Schärpen der SPD, der Arbei-
terwohlfahrt, der Sozialistischen Kampforga-
nisation ihrer dahingegangenen „Weg- und
Kampfgenossin". Mit einem herrlichen Kranz-
gebinde aus weißen Rosen entbietet die Bun-
desleitung des Deutschen Gewerkschaftsbun-
des der Tochter des arbeitenden Volkes
I einen letzten Gruß. Der Bundesvorstand der
1 Christlich Demokratischen Union neigt sich
in Ehrfurcht vor dieser toten Frau und legt
an ihrer Bahre Lorbeerkränze nieder. Die
FDP schickt einen Bundes- und Landesmini-'
ster und, wie die. vielen arideren, Blumen-
gebinde und Kränze. Ebenso dankt die Stadt-
verwaltung und der Stadtrat der schlichten
Heidelberger Bürgerin Louise Ebert. Nie- ,
mand kann und will sich ausschließen.
Wir sind Beobachter, als auch ein Kranz
der Kommunistischen Partei Württemberg-
Baden still und unauffällig im Seitengang der
Kapelle niedergelegt wird.
War die Mutter Louise Ebert nicht ein tra-
gisches Symbol deutscher Zerrissenheit? Nie-
mand sagte es, doch wußten es alle: Die
Spaltung des Vaterlandes ging mitten durch
ihr eigenes Flerz. Jeder hat dies gespürt. Ihr
ältester Sohn Friedrich weilte an diesem Tag
in einem Sanatoriüm in der Sowjetunion.
Doch seine beiden Söhne landenden Weg von
Ostberlin nach Heidelberg.
Wohin das Auge auch blickt: politische
Prominenz. Dort in der ersten Reihe, auf
einem einzelstehenden Stuhl, massig und mit
dem Gesicht des Volkstribunen der Vize-
präsident des Deutschen Bundestages, Prof.
Dr. Carlo Schrtiid. Hinter ihm, von wenigen
erkannt, aber von der Bundesregierung
eigens damit beauftragt, Louise Ebert zur
letzten Ruhestätte zu begleiten, Bundesmini-
ster ohne Portefeuille, Schäfer, Ministerial-
dirigent Bott, der Beauftragte des Bundes-
präsidenten, Ministerpräsident des Landes
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