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Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 3820,234
Rickert, Heinrich; Lask, Emil [Adr.]
(Heid. Hs. 3820,234): Brief von Heinrich Rickert an Emil Lask — Freiburg, 1915 Mai 28

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https://doi.org/10.11588/diglit.21386#0002
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Untersuchung ist das jedesmal wieder rückgängig gemacht worden. Die
Aerzte sagen dann immer, er würde mit seinem Herzen den Anforderungen,
die man heute an die Jnfanterie stelle, nicht gewachsen sein. Er be-
müht siok.za einer andern Gruppe als zur Jnfanterie zu kommen, aber
das hat bisher keinen Erfolg gehabt. 3o muß er abwarten. Uns ist es
natürlich lieb, ihn außer Gefahr zu wissen, und wir können uns diesem
Gefühl um so ruhiger hingeben, als niemand behaupten wird, dai Heini
versucht habe,sich zu drücken. Jen gewinne sogar den Eindruck, daß
der große Uifer, den er an den Tag legt, um an die Front zu kommen,
die Aerzte bei den Untersuchungen ganz besonders vorsichtig sein läit,
denn man ist heute sonst gar nicht wählerisch und schickt Leute hinaus,
die wohl sicher besser zu Hause blieben. Ueber die Pfingsttage hatte
Heini Urlaub bekommen,und es war sehr nett;ihn wieder einmal hier zu
haben, Sonst flie 3t unser Leben gleichmäßig und still dahin. Ueber
Politik mag ich Jhnen nicht schrei fear.. Tie große Enttäuschung, die
viele Menschen über Jtalien empfinden,und die bei manchen getadezu
■eine Herzenssache ist, teile ich nicht. So entzückend ich das Land
Jtalien gefunden habe, so unsympathisch waren mir alle Jtaliener, be-
sonders alle Männer, mit denen ich in irgend welche .Berührung kam, und
ich finde, die italienische Regierung benimmt sich jetzt ganz genau
wie ein Florentiner Lrotschkenkutscher'. wenn man wagt, einem solchen
Kerl das zu geben, was er nach seinem Tarif zu verlangen hat, so ge-
rät er in sittliche Entrüstung, sieht seine^heiligsten Güter bedroht
und versammelt durch fürchterliches Schreien eine Menge höchst ver-
dächtiger Gestalten um sich, die eine;*? veranlassen, alle seine Forder-
ungen schleunigst zu bewilligen, um sich damit von einer ekelhaften
Scene loszukaufen, was das Eingreifen Jtaliens für den Krieg bedeutet,
vermag ich nicht zu beurteilen,und im Uebrigen suche ich möglichst we-
nig an den verflossenen Breibund zu denken. Es hat ja gar keinen Sinn,
 
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