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Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 3820,260b
Klein, Robert
(Heid. Hs. 3820,260b): Zeitungsartikel "Kriegsegoismus" — o.O., o.D.

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https://doi.org/10.11588/diglit.27632#0001
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knegsegolsmus.
Von Dr. Robert Klei».

Wenn irgend ein Egoismus heilig und edel ist,, so ist eS
der Kriegsegoismus; und doch bleibr er im letzten
Grund eins Selbstsucht. Jur Niederschrift dieses Gedankens,
dessen Richtigkeit Erfahrungen und Beobachtungen seit Kriegs-
beginn bestätigen, veranlaßt mich eins Stelle in dem Nachruf, den
Rickert in der „Frankfurter Zeitung" vom 17. Oktober Emil
La sh widmet. „Ich bin nicht fürs Militär geboren," störest!
Las? aus dem Feld. „Sehr große Dienste werde ich kaum
leisten. Trotzdem will ich dabei sein. Mir kam es ja lediglich
darauf an, irgendwie mitzuhelfen im Bereich der Kugeln."
Der Nachdruck liegt auf den letzten Worten: im Bereich
der Kugeln. Allen Zaudernden, allen Schwankenden war dieser
Krieg eine Erlösung. Hier bot sich Gelegenheit, bis aufs letzte
sich zu prüfen, ein Leben, an dessen Wert man. Zweifel Hegte,
sich wahrhaft zu verdienen, Möglichkeit, eine Tat zu Voll-
bringen, die als positive Leistung, als unumstürzlicher Markstein
an der Wendung stand, die ins neue Leben nach dem Krieg
führen sollte. Je komplizierter die Natur war, je eher stellte
sich das Bedürfnis dieser Kraftprobe ein. Es fand sich nicht selten
in Menschen, in denen starke Regungen zur Selbstvernichtung
lebendig waren, von denen sie sich unbewußt durch den Krieg
zu reinigen hofften, wie auch in solchen, die von der Eintönig-
keit einer vital-militärischen Lebensführung seelische Re-
generation ersehnten. Bestand die Enttäuschung der letz-
teren darin, daß sie sehr bald zur Einsicht gelangen mußten,
daß strenger und ungewohnter Dienst dis Kräfte derart absor-
biert, daß die psychische Ueberlegenheit, die jenen vitalen Zustand
als solchen auskosten läßt, gar nicht mehr gewonnen werden
,kann„ so brachte auch den erstereu die Fronttätigkeit Befriedi-
'gung nicht in dem Maß, als sie sie erhofft hatten. Immerhin
war die eine Hälfte ihrer Wünsche erfüllt: st« waren im
„Bereich der Kugeln".
Objektive Ueberlegung mußte sagen, daß man hier schlecht
.am Platz sei; daß manch: Ermangelung militärischer Eigen-
schaften vielleicht mehr störe, als nütze; daß man dem ganzen
an anderer «stelle, sagenwir an verwaltender, weit größere
Dienste leisten könne. Aber dieser altruistischen Erwägung
stellte sich gegenüber der Kriegsegoismus. Der Wille nach Ge-
fährdung des Lebens. Es genügt nicht, ein Posten in der
Etappe oder in der Garnison. Es quält der Gedanke träger
Sicherstellung, während andere ihr Leben wagen; sophistische
Deutungen, daß auch die Stellen der Etappe besetzt sein
müssen/versagen. Man will ins Bereich der Kugeln, das Leben
dem Tod anbieten. Ja, bei der zweiflerisch-grübelnden Veran-
lagung vieler Menschen ist es mir Gewißheit, daß sie den Tod
herausfordern, weil sie, auch im Feld, immer noch zweifeln,
ob sie ihr letztes auch hergegeben hätten. Es sind Fanatiker
des letzten, leidenschaftliche und tiefste Naturen, die diesen
Weg geOn-fthn sehe» müssen. Im Toh erst finden sie ihre»

Frieden. Dies ist eins von den mannigfaltigen Weisen, in de-
nen der Tod in diesem Krieg zum Erlebnis wird. Sie mag
geboren sein aus Irrtum; aber es bleibt bestehen, was wir
eingangs sagten: wenn irgend eine Selbstsucht heilig und
edel ist, so ist es der Kriegsegoismus.
 
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