Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberg, Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 3820,260d
Ehrenberg, Hans; Heidelberger Tageblatt [Hrsg.]; Lask, Emil [Gefeierte Pers.]
Nachlass Emil Lask (Heid. Hs. 3820,260d): Zeitungsartikel zu Emil Lasks Kriegstod — Heidelberg, 1915 September 7

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.27634#0001
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zu EM LM Knegstld.
Von Privatdozent Hans Ehrenberg, z. Zt. im
Felde.
Für unsere Universität war der
Krieastod Emil Lasks der schwerste
Verlust in diesem Kriege. Die
Worte, dis Privatdozent Dr. Sans
ELrenbera dem gefallenen
Philosophen widmet, werden dank-
barst Gebär finden.
Das größte Opfer, das der Krieg von uns ein-
fordert, ist nicht die Hingabe unseres Lebens, son-
dern der Verlust unserer Herrschaft über unser Le-
ben. Es scheint aber Menschen zu geben, bei denen
das kleinere und das größere Opfer eins sind; und
von diesen haben wir am wenigsten erwartet, daß sie
die Reihen der unsterblichen Armee verstärken
werden.
Emil Lask war kein Jüngling mehr, und das
Vaterland forderte 'von ihm zunächst nur die
Dienste, die es verlangen mußte, um die Jüngeren
für den Kampf frei zu erhalten. Aber -der Krieg
kostete mehr Blut und verlangte mehr Menschen
zum Kämpfen, als vorausgeahnt worden war; so
schloß sich eines Tages auch Lask den Kämpfenden
an und focht und lebte unter ihnen, bis er fiel. Im
Listen der Elbe geboren, auch im Leben oft die Au-

gen zum Osten gerichtet, stritt er gegen den östlichen
Feind; er, der nicht mehr junge, des Lebens schon
viel teilhaftig gewordene, gefühlsgenaue und -feine,
gegen den rohen, nichtbewußten, aus seinen Trieben
heraus Ms strrrrdgewordenen Gegner; und er liegt
im. östlichen Lande.
Er war als Soldat nicht ganz glücklich: nur die
bescheidene Stelle eines Unteroffiziers war ihm
anvertraut; er hat sich aus ihr heraus zu seine m
Denken zurückgesehnt. Es konnte nicht anders sein;
denn die Wurzeln des Philosophen sind aus zu tie-
fem Erdreich herausgewachsen, um verpflanzt wer-
den zu können. Aber gleichwohl lebte er der gro-
ßen unbekannten Wirklichkeit und hat das ihm
nicht Bestimmte nicht nur ertragen, sondern sein-m
Willen nach ihm umgerichtet und seine Person ein-
gesetzt.
So war er einer der Unsrigen, er, den viele be-
wundert, wenige geliebt haben. Er war im
Menschlichen schwer von Bewegung und hielt sich
fern von der Gemeinschaft, allzufern: daher tra-
ten ihm nur wenige näher. Um so erschütternder
ergreift uns sein Kriegstod, der Tod eines fast
Einsamen. Aber was läßt sich in den jetzigen Au-
genblicken noch begreifen! was sollte man auch nur
begreifen wollen — außer dem Triumph unseres
Volkes! Vielleicht fand deshalb niemand das
Wort, seiner zu gedenken. Der Tod anderer hätze
— wir müssen uns grausam ausdrücken — mehr
Verständnis gesunden als der seine; man such;:
nach Gründen und fand Gegengründe. Was suchen
wir nach Gründen? Was hat uns dis Notwendig-
keit noch nicht einfach genug machen können! Auch
wenn Lask selbst zu jenen gehört hat, die das Wort
und die sich äußernde Gebärde mißverstehen unr
deshalb verachten, wollen wir zu seinem Sterben
nicht schweigen: die Zeit, die so laut ist, verlangt
das vernehmbare Wort; viele genug versinken ohn>
Widerhall, selbst ohne Griabkreuz; nicht nur im
Herzen sei dem Gefallenen ein wahrhaftes Wort
nachgeredet.
Emil Lask war ein Mann voll Reinheit des
Wollens und Denkens — Ruhm dem, von dem
dies gesagt werden kann! — im Fühlen kindlich, im
Leben voll intensivem Ernst. Wir kannten sein -
trockenen, oft beißenden Scherze; in ihnen äußert,
er die Lebenslust der Augenblicke. Jedoch lag dm
Form seines Lebens über den Augenblicken, und
sein Geist und seine Seele waren auf die Notwen
digkeit, deren göttliches Antlitz er allerdings nich
zu entschleiern vermochte, gerichtet. Vom Leber

trennte ihn ein Etwas, das er nicht beseitigen
konnte und auch nicht wollte. Hier blieb er fremd
und von einseitiger, strenger, nicht flüssiger Art:
doch war er rein genug, um dies ohne Lüge ertra-
gen zn können: ein Lob, das höher klingt als Blät-
terrauschen. Eisern und unerschütterlich trachtete
er dem Werke und dem Ernst des Werkes nach;
doch es machte ihn nicht glücklich und genügte ihm
nicht: denn er fühlte, daß er nicht die Macht über
das Leben besaß, um sein Werk selbst voll des
Lebens werden zu lassen. Aus diesem Fühlen riß
ihn der Tod; so wurde er befreit, wir aber haben
ihn verloren; ob nun sein Werk beendet war oder
nicht — das wissen wir nicht —, wir beweinen sei-
nen Tod, der uns diesen Mann, diesen Frennd, die-
sen Lehrer entrissen hat.
Und weil er niemanden so in sein Leben hinein-
gezogen hat, daß er seiner zum Leben bedurft hätte,
so ist unsere Trauer ohne Eigennutz; kein leiden-
schaftlicher Schrei ertönt hinter ihm her, aber viele
Augen sehen ihm nach, und in jedem ist eine
Träne; viele Herzen denken ihm nach, und in jedem
ist Weihe.
 
Annotationen