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Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 3820,283
Lask, Emil; Rickert, Heinrich [Adr.]
(Heid. Hs. 3820,283): Brief von Emil Lask an Heinrich Rickert (Abschrift) — Berlin, 1902 Februar 5

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https://doi.org/10.11588/diglit.26147#0002
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(Fortsetzung des Briefes voa 5.2.1902)

dunageder Methodologie. Sie haben das^Philosophiseh herausgearbeitet,
wasMie Besten vorher i* besten Falle gewollt haben. Sie «üssen es ®ir
vorläufig einfaeh glauben, dass ich das Abgrundig Neue in der ganzen Art
Ihres Philosophierens, das Moderne i* guten Sinne erkannt habe. Denn
das Moderne besteht doeh darin, ganz neue Problene ait der ganz alten
Tiefe zu behandeln.

I® vierten Kapitel scheint air das logisch Bedeutsame der histo-
rischen Kulturwissenschaft geradezu erschopfend gewurdigt zu sein.Wenn
Sie weiter nichts geschrieben hatten als Abschnitt II, in dea Sie den
Jahrtausende alten Platonismus des W€rtens, der in der philosophischen
Besinnung tatsachlich unerschüttertie* war, überwindenr oder als Rb-
schnitt IV. so hätte in meinen Augen schon das allein die grossten Be-
reicherungen gebracht. Der Inh&lt von Abschnitt IV ist Ja für mich ge-
rade von entscheidender Bedeutung geworden. Die ünterscheidung von All-
ge*eine» und Ganze* scheint mir eines der interessantesten und folgen-
schwersten methodologischen Probleae zu sein.

Nur eine einzige Etelle *uss ich ebenso klar ablehnen wie ich das
antere unbedingt anerkenne, Es h&ndelt sich allerdings u* etwas, das
ganz ausserhalb des Qeiankenganges, ausserhalb Ihres Interesses und Ihre^
Aufgabe lag: näalich um die kurzen Bemerkungen über Jurisprudenz. Trotz
der geringen Bedeutung dieses Punktes für Ihr ganzes Buch werden Sie
»ir verzeihen, wenn leh gerade hierin «einen Widerspruch begründe. Sie
geben, was air naturlich sehr willkommen ist, zu, dass die Jurisprudenz
nicht zu den wMischf6r*en» gehört und Proble*e enthalten *ag, »die zur
Aufstellung von ganz neuen »ethodologischen Qesichtspunkten führen *üs-
sen.» Damit nun nicht aus dem Hinweis darauf ein Einw&ni. gegen Ihre
Gliederung der Wissenschaften gem&eht werde, heben Sie hervor, dass die
Jurisprudenz Ja garnicht aehr zu den »rein empirischen» Wissenschaften
gehore. Nun mag man über die »ethodologische Einstellung der Jurispru-
denz in den globus intellectualis denken wie m&n will: dor-Aur>wo-g, der
Ausweg, den Sie wahlen, ist unhaltbar. Kein wirklicher Jurist »bezieht»
nicht nur auf Werte, sondern nimat »in rein theoretische» Interesse» (!)
»direkt» zu Ihnen »Stellung». Wenn das dennoch vork&se, so ware das
ebenso logisch zufällig wie der gleiche Fall nach Ihrer eigenen An-
sicht bei» Historiker. (N.B. ü^brigens »uaa ich Ihnen hierbei zu der Un-
terscheidung von Stellung nehmen und beziehen ganz besonders Qlück wün-
schen: sie gehort zu de* Schonsten und für Ihre philosophische Eigenart
Charakteristischsten iu dea ganzen Buch.) Der Jurist verhielte si-ch
iann als praktischer Itensch cder als wertenäer Philosoph. AIs Jurist
hat er lediglieh das Becht oder die Kechtsordnung (Quellen»aterial
hauptsachlichrGesetz) *u systematisieren, die geltenden Beehtssätze in
einen neuen »Aggregatzustand» (Jhering) überzuführen d.h. sie in ein
eigentü»liches Syste» wissenschaftlich4^uristischer Begriffe zu verwan-
deln. Die Rechtsordnung stellt ‘NöVmen auf, niemals der Jurlst. Die ge-
setzgeberisehe Ta-tigkeit ist nicht Wissenschaft. Die Jurisprudenz ist
eine e»pirische und doch nicht »genetische», etne syste*atisierende und
doch nieht »kritische» Wissenschaft von den Rechtsnor«en. Sie »erstrebt»
nicht, wie Sie 594 oben andeuten, Normltegriffe, scndern strebt Normbe-
griffe zu bearbelten. Wem gegenüber soil denn der Jurist Stellung neh-
men ? Zu der Welt, die das Reeht beherrschen will, hat das Recht
schon selbst die Stellung genom*en, und zu* Recht hat der Jurist eben
als blosser Jurist keine Stellung zu nehaen. Ihn leitet lediglich das
rein wissenschaftliche Ideal einer voliendeten juristischen Dogaatik,
und die seine* Rechtsordnungs-Material innewohnenden Normen ko**en für
ihn hochstens inscweit in Betracht, als sie Wegweiser. also blosse Mit-
tel für d:te Begriffsbildung sind. Genau wie bei» Historiker ! Ich leugne
 
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