Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberg, Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 3820,432
Lask, Emil; Kroner, Richard [Adr.]
Nachlass Emil Lask (Heid. Hs. 3820,432): Brief von Emil Lask an Richard Kroner — Falkenberg, 1907 September 20

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.26919#0001
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
- 82

mo(i^

Brlef an Professor Richard Kroner. Falkenberg, den 20.9.1907.

Lieber Herr Doktor !

Erst ^etzt komme ich dazu, Ihnen vielmals für die freundliche
üebersendung Ihres Buches zu danken, dessen Lektüre ich im Semester
nur beginnen und erst in den Ferien beendigen konnte. Ich begreife
jetzt Ihr langes Zögern bei der Herausgabe. Sie behandeln einen höchst
komplizierten Stoff; aber dafür ist es Jetzt, soweit sich das vom I.Teil
schon sagen K lässt, eine abgerundete und sehr verdienstv<fclle Leistung
geworden. In das Labyrinth der ersten Deduktion haben Sie sich als der
Erste hineingewagt. Doeh das ist nicht bloss Saehe des Fleisses gewesen.
Der tieferl^iegende Qrund viermehr ist der, dass Sie mit Lifebe und mit
einer der ersten Deduktion freundlich gesinnten erkenntnistheoretischen
Weltanschauung an Ihre Aufgabe herwfijtreten sind. Um nur eine herauszu-
greifentdass die empirischen Parallelfunktionen allemal erst durch die
transscendentalen mcglich sind,ist ein auch systematisch interessanter
Gedanke und dürfte den empirischen Psyehologismus gänzlich entwurzeln,
dem Sie ia von Ihrem metaph^sischen Psyehologismus aus ebenso feind
sind wie ich aus anderen öründen. Die Darstellung der ersten Deduktlon
muss etwas unääglieh Schwieriges gewesen sein. Mein Lob ist umso weni-
ger bestochen, als ich den ganzen - von Ihnen Jedenfalls sehr gelob -
ten - metaphysischen Transscendentalpsychologisaus mit seiner Organi-
sation und Werkstatt, seiner Spontanitat und seinem Produzieren, seinen
zeitlosen Akten, Taten und Tathandlungen in systematischer Hinsieht als
auf Abwege führend betrachte, so interessant er auch historisch sein
möge. Ich könnte übrigens hinzufügen: mit seiner transscendentalen
Apperzeptlon, Ieh, reineanlch, Bewusstsein überheupt und wie all das
heissen möge, wes bestenfalls ein schlechtgewähltes Symbol sein kann.

Besonders empfänglich - weil es auch einer meiner Lieblingsgedan-
ken war - war ich auch für Ihre Spaltung der reinen Anschauung in einen
rezeptiven Bestendteil und den Spontanitätsbeitrag, der dahiB steckt.

Ich habe den ersteren im Kolleg stets als reine Empfänglichkeit, Knet-
barkedt, restlose Gefügigkeit, Konstruierbarkeit. kurz cls »reine Keit»
(scherzhaft) bezeichnet. Sehr richtig, dass darin Untersehled zu ^
in Dissertation. Ein anderer Punkt: für das »überhaupt» bei den Kate-
gorien haben Sie einen Blick gehabt. 0b Sie mit dem Begriff »Einheit»
bei Kant ganz fertig geworden sind, ist mir fraglich. Jedenfalls sind
Sie in all diese Dinge so tief eingedrungen, wie kaum ein anderer. Und
ieh sehe schon, aass besonders Ihr zweiter TeilTvfalls ich mich ent-
schliesse ,auch etwas über Kant zu veröffentlichen, manches vorweKnehmen
wird. Ich habe mich bis Jetzt mit Kant nur als Dozent befasst. Zu lite-
rariseher Arbeit kommt man, wie mir bisher scheint, als Dozent nicht.

Sie werden aus meinen^Bemerkungen, aie natürlich nur eine Auswahl
unter einseitigen Gesichtspunkten enthielten, schon gemerkt haben,
dass mich Ihr Buch sehr interessiert. Hoffentlich kommt bald der zweite
Teil.

Sieht man Sie in absehbarer Zeit ?

Mit den besten Grüssen

Ibr ergebenster

Emil Lask.
 
Annotationen