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Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 3820,439
Lask, Emil; Weber, Marianne [Recp.]
(Heid. Hs. 3820,439): Brief von Emil Lask an Marianne Weber — Berlin, 1902 Juli 6

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https://doi.org/10.11588/diglit.26728#0001
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Brlef an Marlanne Weber

Berlln, üen 6.7.1902.

Hoehverehrte gnädige Frau !

Beim Tauffeste des jüngsten Riekert hahe ieh darum gebeten, Ihnen
meine Arbeit überreiehen zu dürfen. Jetzt mache ich von der damals ge~
gebenen Erlaubnis Qebrauch.

Leider ist die Schrift im Grossen und Ganzen eine Sehulerdisser-
tation geblieben. Der«( ursprüngliche Plan, der schon vor langer Zeit/
entworfen wurde, konnte nicht mehr aufgegeben v.erden. Dadurch überwiegt
noeh zu sehr der philoJkonXische Charakter. Ein anderer Mangel war bei
meiner ganzen Absieht unvermeidlich, nämlich die einseitige Betonung
des Logischen und Methodologischen. Die Untersuchung istbso problem-
geschichtlicjhi, dass Fichte häufig nur als Typus erscheint, allerdings
als rVorbildtypus».

Im »dritten Teil» habe ich das Hauptaugenmerk auf die Frage ge-
riehtet, wieweit Fichte über den Kantischen Formalismus des Wertens
hinausgegangen ist. Dabei habe ich auch seinen »’Eozialismus» berührt,
dies Wort nicht im engeren politischen, sondern im weiteren kultur-
philosophischen Sinn verstanden, sodass es eine Weltanschauung bedeutet,
die in der Societe.s einen eigentümlichen und selbständigen Träger von
Kulturwerten sieht, die vom Individuum nicht verwirklicht werden k5nnen.
Ausführlich behandelt wird bei mir allerdings nur der eine Punkt, an
dem sich die sozial-und geschichtsphilosophische Richtung schneiden,
nämlich der Begriff der Nation. Da Sie sich damals für den Plan, die
Jurisprudenz einer methodologischen Behandlung zu unterwerfen, irferessiert
haben, darf ich vieileieht noch bemerken, dass im allerletzten Kapitel
sich mitten in der historischen Darstellung gelegentlich kleinere An-
deutungen datüber finden, wie etwa ganz vorläüfig und schematisch der
methodologische Ort der systematesierenden empifrischen Kulturwissen-
schaften zu denken ist. Es sind nur ganz flüchtige Bemerkungen, die sich
jedoch später einmal später begründen lassen.

Ich hoffejd, gnädige Frau, dass Sie nach diesen Klarlegungen die
tJberreichung der Schrift nicht als ein Zeichen des Selbsbewusstseins,
sondern ganz und gar nur als eine symbolische Handlung betrachten werden.

Ich emplehle mich als Ihr
ganz ergebener

Emil Lask.
 
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