VIII. Die Kopfzierden der Verheirateten in der Innerschweiz
im 19. Jahrhundert
1. Die »Coiflihube« der Schwyzerfrauen
Die großen Veränderungen, welche die Empirezeit bei der französischen
Mode auswirkte, erstreckten sich, wie wir bereits gehört, um 1800 auch auf die
Kleider in der Innerschweiz. Der Kopfputz aber gestaltete sich hier in eigen-
artiger, bodenständiger Weise. Wir haben gehört, daß zu Ende des 18. Jahr-
hunderts das Schwyzerhübli als flache Kopfzierde auf gepuderten Haaren am
Hinterkopfe der Schwyzerinnen saß und auch von den herrischen Damen Nid-
waldens getragen wurde. Nun begegnen wir um 1800 im Kanton Schwyz auf
einmal niederen Flügeln, die vom Hinterkopfe aufsteigen. Die Zeitbestimmung
dieser Flügelhauben ist absolut gegeben durch die damit verbundene Kleider-
mode auf den Porträten. Die Flügel hatten eine Höhe von nur 8 cm und senkten
sich auf der Mitte des Kopfes auf den Scheitel der jetzt ungepuderten Haare.
Alte Damen, die alten Gepflogenheiten nicht gerne ganz entsagten, setzten die
neue Flügelhaube auf die altmodisch gepuderten, von der Stirne rückwärts ge-
strichenen Haare (s. Porträt der Marianne ab Iberg Reding Abb. 30). Das Porträt
ihrer Tochter zeigt zur gleichen Zeit die ungepuderten Haare, die vom Scheitel
weg gegen die Ohren heruntergekämmt, zierliche Locken, vom Volkswitz
»Zeuckli« genannt, auf die Stirne fallen lassen.67) Bei der Frau Landammann
Schmid aus Lachen, in der March am oberen Zürichsee, fielen die sogen. Simpel-
fransen der Allerweltsmode bis zu den Augen über die Stirne herunter (Abb. 31).
Der Name Coifli, Coafli, Cuafli, Cueffe, in Einsiedeln »Giefe« ist mundartlich
für das französische »Coiffe«.
Dieser neuartige Kopfputz erweist sich bei genauerem Zusehen als eine Ent-
wicklung des alten Schwyzerhübli. Bei der Coiflihube ist das Maitlikäpli mit
den Rosen weggefallen. Die schmalen Spitzen der Flaube wurden durch breite
ersetzt. Die Haube benötigte keinen eigentlichen Boden oder Kopf mehr. Die
Spitzen wurden an ein rundlich geschnittenes Leinwandstück angesetzt (Abb. 11 o);
obgleich die Haube keiner Haube mehr ähnlich sah, blieb der Name erhalten,
wie auch weiße Spitzen noch immer als alleiniges Anrecht den Verheirateten zu-
kamen. Mit der Abänderung der Flaube hatte sich auch die Vorliebe der Spitzen-
sorte geändert; die schweren, kräftigen Klöppelspitzen hätten sich auch nicht
mehr für die aufrechtstehenden Flügel geeignet. Der Flandel brachte leichte,
gewobene, zierliche Maschinen-Tüllspitzen auf den Markt. (Abb. 110, 113, 12 t.)
Auch das ehemalige flache Damastkäpli ist nicht mehr auf den ersten Blick
zu erkennen, doch ist der Veränderung leicht nachzugehen. Das Käpli hatte
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im 19. Jahrhundert
1. Die »Coiflihube« der Schwyzerfrauen
Die großen Veränderungen, welche die Empirezeit bei der französischen
Mode auswirkte, erstreckten sich, wie wir bereits gehört, um 1800 auch auf die
Kleider in der Innerschweiz. Der Kopfputz aber gestaltete sich hier in eigen-
artiger, bodenständiger Weise. Wir haben gehört, daß zu Ende des 18. Jahr-
hunderts das Schwyzerhübli als flache Kopfzierde auf gepuderten Haaren am
Hinterkopfe der Schwyzerinnen saß und auch von den herrischen Damen Nid-
waldens getragen wurde. Nun begegnen wir um 1800 im Kanton Schwyz auf
einmal niederen Flügeln, die vom Hinterkopfe aufsteigen. Die Zeitbestimmung
dieser Flügelhauben ist absolut gegeben durch die damit verbundene Kleider-
mode auf den Porträten. Die Flügel hatten eine Höhe von nur 8 cm und senkten
sich auf der Mitte des Kopfes auf den Scheitel der jetzt ungepuderten Haare.
Alte Damen, die alten Gepflogenheiten nicht gerne ganz entsagten, setzten die
neue Flügelhaube auf die altmodisch gepuderten, von der Stirne rückwärts ge-
strichenen Haare (s. Porträt der Marianne ab Iberg Reding Abb. 30). Das Porträt
ihrer Tochter zeigt zur gleichen Zeit die ungepuderten Haare, die vom Scheitel
weg gegen die Ohren heruntergekämmt, zierliche Locken, vom Volkswitz
»Zeuckli« genannt, auf die Stirne fallen lassen.67) Bei der Frau Landammann
Schmid aus Lachen, in der March am oberen Zürichsee, fielen die sogen. Simpel-
fransen der Allerweltsmode bis zu den Augen über die Stirne herunter (Abb. 31).
Der Name Coifli, Coafli, Cuafli, Cueffe, in Einsiedeln »Giefe« ist mundartlich
für das französische »Coiffe«.
Dieser neuartige Kopfputz erweist sich bei genauerem Zusehen als eine Ent-
wicklung des alten Schwyzerhübli. Bei der Coiflihube ist das Maitlikäpli mit
den Rosen weggefallen. Die schmalen Spitzen der Flaube wurden durch breite
ersetzt. Die Haube benötigte keinen eigentlichen Boden oder Kopf mehr. Die
Spitzen wurden an ein rundlich geschnittenes Leinwandstück angesetzt (Abb. 11 o);
obgleich die Haube keiner Haube mehr ähnlich sah, blieb der Name erhalten,
wie auch weiße Spitzen noch immer als alleiniges Anrecht den Verheirateten zu-
kamen. Mit der Abänderung der Flaube hatte sich auch die Vorliebe der Spitzen-
sorte geändert; die schweren, kräftigen Klöppelspitzen hätten sich auch nicht
mehr für die aufrechtstehenden Flügel geeignet. Der Flandel brachte leichte,
gewobene, zierliche Maschinen-Tüllspitzen auf den Markt. (Abb. 110, 113, 12 t.)
Auch das ehemalige flache Damastkäpli ist nicht mehr auf den ersten Blick
zu erkennen, doch ist der Veränderung leicht nachzugehen. Das Käpli hatte
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