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Heierli, Julie
Die Volkstrachten der Schweiz (2. Band): Die Volkstrachten der Ostschweiz: Thurgau, St. Gallen, Glarus, Appenzell; mit 13 farbigen Tafeln und 171 Schwarz-Abbildungen und Schnittmusterbogen — Erlenbach-Zuerich: Eugen Rentsch Verlag, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.68724#0123
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nirgends sonst derart zierlich geformt und liebevoll mit Spitzen und rosa Bändchen
ausgestattet worden, wie sie die Bilder von Vogel und von Suter wahrheitsgetreu vor-
führen (Tafel XXIII, XXIV, auch Abbildung 54). Zur Bestätigung dienen Original-
stücke im Historischen Museum in St. Gallen und im Landesmuseum in Zürich
(Abbildung 53, 54). Eine niedliche Eigenart der Inner-Rhoderinnen war das dem
Spitzenkragen unterlegte, auf dem Busen hübsch verknüpfte buntseidene Halstüchlein.
Die hoffärtigen Wirtinnen wußten auch ihr Haar in schönen Wellen sehr vorteilhaft
dem Oval ihres Gesichtes anzupassen. Sie gaben damit den Bäuerinnen ein gutes Vor-
bild, ihren Schönheitssinn auszubilden. Immerhin muß nicht vergessen werden, daß
die meisten Frauen und Mädchen Inner-Rhodens keine Bäuerinnen, sondern Weiß-
stickerinnen waren und noch sind, und es ist erstaunlich, daß sie neben den wunderfeinen
Arbeiten, die viele von ihnen leisten, fast immer auch ihre grobe Hausarbeit musterhaft
besorgen. Ich darf füglich schreiben, die Sauberkeit im Appenzeller lande ist weltberühmt.
Daß sogar im Flecken Appenzell die Empiremieder um 1841 noch im Gebrauche
ständen, zeigt ein Gemälde des zeitgenössischen St. Galier Malers W. Moritz (Tafel
XIV). Durch das Fenster mit Butzenscheiben schaut die Kirche von Appenzell in eine
von ihm dargestellte Stube. Die Mutter, wie das Mädchen sind in diese kurzen
Sammetbändchen besetzten Miedern gekleidet, das eine ist buntfarbig, das andere be-
stand aus blauer Seide, beide tragen dazu farbige Brüechli. Auf diesem Gemälde sind
gewöhnliche Sonntags- oder’ bessere Werktags-Barärmeltrachten dargestellt. Die aus
leichterem, aber doch noch rotem Wollstoff bestehenden Röcke sind, außer dem Vor-
derblatt unter der Schürze, in 1 bis 2 Zentimeter tiefe Falten gelegt. Die Schürzen be-
stehen aus farbigem Baumwollstoff. Der Vorstecker der jungen Frau ist bunt bestickt. Am
Hinterkopfe auf den glatt zu den Ohren herab gescheitelten Haaren sitzt die Stofelkappe.
Die nicht sehr jugendliche Haartracht des Kindes ist die nämliche, wie sie heute noch,
bei Alt und Jung mitsamt der silbernen Haarnadel und den ährenförmig fest gefloch-
tenen Zöpfen angeordnet wird. Das Bild zeigt auch, wie die alte Mode bei der Groß-
mutter seßhaft geblieben. Sie ist im Sonntagskleid mit der Schlappe samt Haube ge-
rüstet, hinter den Rosen stehen die niedrigen Flügel nach rückwärts gerichtet. Ihre
Schlutte hat noch den gleichen Zuschnitt, wie die der Frau Brander um 1793, wie er
bei den St. Galier Damen hundert Jahre früher Mode gewesen. Ihr Rock ist noch der
vielfarbige, großblumige Wolkner, ihr Schmuck die alt gewohnten Korallenschnüre
mit vergoldetem Filigranschloß samt der schwarzen Halsbinde. Die junge Frau trägt
vielfache Silberketten um den Hals. Von ihrem Mieder gehen Ketten zur Schürzen-
rose, um mit den Anhängern, den »Adlern«, auf die Schürze zu fallen.
Nicht alle Frauen bekannten sich zu kurzen Empiremiedern. Die gut bäuerischen
hatten die ehemaligen Schnürleiber in weniger gesteifte, ungeschnabelte Mieder um-

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